Über das Trauern
Es ist not-wendig, die Trauer wieder fließen zu lassen
„Die unheilvolle Verbannung der Trauer“, so benennt der Psychotherapeut und Trauerforscher Jorgos Canacakis ein Problem unserer Zeit. Und es ist not-wendig, also Not wendend, die Trauer wieder fließen zu lassen von Johannes Staudacher
Es tut uns Menschen gut. Im Durchwandern der Trauer wachsen: Weichheit, Echtheit, Lebendigkeit. Neue Kraft. Wenn Liebe und Tod die beiden großen Themen des Menschseins sind, dann muss auch die Trauer ein Kernstück menschlichen Fühlens und Lebens sein. „Wem nie von Liebe Leid geschah, dem geschah auch Lieb von Liebe nie...“ In den Anfängen deutscher Dichtung hat Gottfried von Straßburg in „Tristan und Isolde“ die Untrennbarkeit von Liebe und Trauer zur Sprache gebracht. Nur der, der nicht mehr lieben würde, könnte ohne Schmerz und Trauer leben.
Trauer ist individuell
Es gibt kein Schema, nach dem Menschen mit ihrer Trauer umgehen könnten. Wie jemand trauert, wie lange Trauer sich überwältigend und chaotisch einstellt – all das ist individuell. Und wer dieses innere Geschehen nicht übergehen kann und auch nicht übergehen will, tut am besten daran, auf seine eigene Seele zu hören. Sie weiß, was sie braucht.
Trauer hat viele Gesichter
Neben der Traurigkeit und dem Schmerz hat in der Trauer auch viel anderes Platz: Enttäuschung, Wut, aber auch Erleichterung, Schuldgefühle, Vorwürfe, Anklagen, Leugnen der Wirklichkeit... Auch so gesehen ist Trauer individuell und immer einzigartig.
Wer Trauernde begleiten will, muss deshalb vor allem ein Zuhörer sein.
Nicht so sehr Antworten sind gefragt: sondern das Dasein, die Nähe und das Aushalten...
Trauer ist eine Form der Liebe
Wer liebt, wird auch verletzt. Wer sein Herz an Menschen und Dinge hängt, wird auch trauern. Im Trauern lebt die Liebe weiter – und diese Liebe braucht Zeit, dem Verlorenen einen neuen Platz im Leben zu geben. Wer Teil meines äußeren Lebens war, wird durch die Trauer hindurch Teil meines inneren Lebens.
Wem nie von Liebe Leid geschah, dem geschah auch Lieb von Liebe nie ...
(Gottfried von Straßburg)
Trauer ist gesund und wichtig
Es geht nicht so sehr um Bewältigung der Trauer – als wäre sie ein Feind. Es geht um das Fließen-Lassen der Trauer. Dann reinigt sie, macht weich, hält lebendig – und zu ihrer Zeit gib eine durchlebte Trauer auch wieder Mut zu einer neuen Zuwendung zum Leben und zur Welt.
Gute Beziehungen – das bedeutet meist auch „gutes Trauern“. Wenn aber vieles offen geblieben ist, viel Belastendes da ist, dann ermöglicht ein ehrlicher Trauerweg eben doch die Klärung von all dem, was war.
Trauerbegleitung ...
... geschieht zum größten Teil mitten im Leben. Wo Trauernde sich angenommen fühlen, wo sie ihre Erinnerungen und Gefühle äußern und fließen lassen können. Wo oft noch das Umfeld einer ganzen Ortschaft Trauer und Abschied mitträgt... Wo aber der Einzelne mit seiner Trauer keinen Ort mehr findet und kein Ohr, dort kann „professionelle“ Trauerbegleitung das ein Stück weit ersetzen, was im normalen Leben nicht mehr stattfindet.
Erschwerte Trauer
Manche Verluste führen auch zu erschwerter Trauer: sei es, dass Kinder sterben, dass geliebte Menschen durch Suizid oder Unfall aus dem Leben gerissen werden, sei es, dass die Beziehungen schon zu Lebzeiten sehr schwierig waren; sei es, dass manchmal so viel zusammenkommt an lebensgeschichtlichen Katastrophen ... Bei erschwerter Trauer kann professionelle Trauerbegleitung – in Gruppen oder für Einzelne – sehr wichtig, ja manchmal unersetzlich sein.
Text: Referat für Trauerpastoral
Kontakt: johannes.ssl@aon.at