Europa - zentral oder dezentral?
Botschafter Emil Brix hielt Eröffnungsreferat bei der Internationalen Sommertagung des Katholischen Akademikerverbandes im Bildungshaus Tainach/Tinje
Das Thema Europa ist eines der Herzensanliegen des Katholischen Akademikerverbandes in Österreich. Während sich im Vorjahr das gemeinsame „Nachdenken über Europa“ während der Sommertagung im Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje auf die Versprachlichung europäischer Erinnerungskultur in der Literatur fokussierte, wird heuer am selben Ort unter dem Generalthema „Europa im Wandel“ die notwendige Balance zwischen zentralem und dezentralem Europa zur Diskussion gestellt.
Schon zu Beginn der Tagung am 11. August 2019 wurde Botschafter Dr. Emil Brix, er leitet seit 2017 die Diplomatische Akademie in Wien und war zuvor Österreichischer Botschafter in London und in Moskau, das Mikrofon gereicht, damit er in einem ausführlichen Einleitungsreferat das Spannungsfeld ausbreite und abstecke.
Wir müssen über die Grenzen Europas sprechen, sagte Brix, aber wir müssen dabei mit bedenken, welche Qualität diese Grenzen haben sollen, denn es müssen nicht unbedingt Mauern sein. Wir sollen vor allem lernen, mit Vielfalt umzugehen, denn „ein Reich mit nur einer Zunge ist schwach“, zitierte Brix den Ungarnkönig Stephan.
Drohende Spaltungen verhindern
Wie lässt sich eine drohende Spaltung Europas verhindern, wird allerorts gefragt, ohne dabei mit zu bedenken, dass es diese Spaltungen ja schon gibt, wie z. B. ein Blick auf den „Euroraum“, den „Schengenraum“ oder auf die gemeinsame europäische Verteidigungspolitik zeigt. Hier gibt es „unterschiedliche Geschwindigkeiten“, was für Brix nur eine Umschreibung des Begriffs Spaltung ist.
Auf den Brexit bezogen, verwies der Vortragende darauf hin, dass in den Diskussionen oft verdrängt werde, worum es eigentlich gehe. Zwei Aspekte haben die Briten vornehmlich bewogen, aus dem Gemeinschaftsprojekt EU auszusteigen: die Angst um ihren Arbeitsplatz einerseits und der Wunsch nach nationaler Souveränität andererseits. Nun müssen alle Europäer ihre Lehren daraus ziehen und tragfähige Antworten auf diese Ängste und Wünsche finden.
Botschafter Brix betonte auch die kulturelle Vielfalt in der Europäischen Union und kam auf ein altes Erklärungsmodell zu sprechen, das in den letzten Jahren von rechten und rechtsextremen politischen Parteien leider „gekapert“ wurde. Ihm gefalle auch der Slogan „Österreich zuerst“ nicht schlecht, sagte Brix, um dann gleich zu ergänzen, dass man sich auch aus dieser Überzeugung sehr wohl für die EU einsetzen könne.
Mehr oder weniger Europa?
Emil Brix zitierte aus einer Rede von Emmanuel Macron, die der Französische Präsident in einer Variation auch bei der Karlspreisverleihung 2018 gehalten hat. Macron formulierte darin vier Imperative für Verantwortungsträger in Europa, die sinngemäß so lauten:
a. Seien wir nicht schwach!
b. Lassen wir uns nicht spalten!
c. Haben wir keine Angst!
d. Warten wir nicht zu!
Gefragt ist also europäisches Selbstbewusstsein gegenüber den USA, Russland und China. Man kann auch von der eigenen Gemeinschaft überzeugt sein, ohne auf andere Länder herab zu schauen. Das helfe dabei, innereuropäischen Spaltungen vorzubeugen, interpretierte Brix eine der Forderungen.
Das Leitbild einer „Ever-Closer-Union“ sei aber vorbei, so Brix. Wie brauchen mehr Subsidiarität in den Entscheidungen. Abschließend kam er noch auf die „Römischen Verträge“ zu sprechen, worin es vorwiegend um wirtschaftliche Zusammenarbeit ging. Zwei Bereiche wurden in diesen Gründungsdokumenten der Europäischen Union jedoch nicht aufgenommen: Kultur und Bildung.
Über Europa reden
Die letztgenannten Gesellschaftsbereiche kamen in der anschließenden Diskussion zur Sprache, zu der Moderator Mag. Ernst Sandriesser Ordinariatskanzler Msgr. Dr. Jakob Ibounig, den SPÖ-Bildungspolitiker und Landtagsabgeordneten Stefan Sandrieser und den Vizepräsidenten der Österreichischen Industriellenvereinigung, Mag. Otmar Petschnig, auf das Podium gebeten hat. Über Rechtssicherheit für Unternehmen, mehr Bildungsgerechtigkeit und das Verhältnis von Staat und Kirche, wurde dabei u. a. ausführlich diskutiert. Europa sei im Grunde nicht geografisch definiert, es habe auch ein ideelles Moment in sich, sagte Ordinariatskanzler Ibounig in seinem Statement: „Europa ist ein immer unabgeschlossenes System und Geschehen.“
Internationale Tagung läuft noch bis 17. August
In den kommenden Tagen werden im Rahmen dieser Europa-Tagung u. a. noch der Tiroler Altlandeshauptmann DDr. Herwig van Staa und Dr. Valentin Inzko, der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, sprechen. Details finden sie unter >> diesem LINK.