Organisation

Katholischer Akademikerverband

Die Erinnerung sitzt im Körper

Über den Beitrag von Literatur zur Versprachlichung europäischer Erinnerungskultur

Nachdem die Tagungsteilnehmer tags zuvor u. a. auch die Gedenkstätte beim Mauthausen-Außenlager am Loibl besucht hatten, waren am vierten Tag der Internationalen Sommertagung des Katholischen Akademikerverbandes „Nachdenken über Europa“ in Tainach/Tinje eine Schriftstellerin und ein Schriftsteller eingeladen. Das Thema Erinnerungskultur in literarischen Zusammenhängen stand auf dem Programm. Moderatorin Annemarie Weinzettl konnte die Klagenfurter Bachmannpreisträgerin Maja Haderlap und den Publizisten und Schriftsteller Egyd Gstättner begrüßen. Mit ihnen auf dem Podium saß auch der Innsbrucker Pädagogikprofessor Peter Stöger.

V.l.n.r.: Mag. Annemarie Weinzettl (KAV), Prof. Dr. Peter Stöger, Dr. Maja Haderlap und Dr. Egyd Gstättner (Foto © KH Kronawetter/Internetredaktion)
V.l.n.r.: Mag. Annemarie Weinzettl (KAV), Prof. Dr. Peter Stöger, Dr. Maja Haderlap und Dr. Egyd Gstättner (Foto © KH Kronawetter/Internetredaktion)

Das Interesse an den Erinnerungen der Menschen

Maja Haderlap gab einen ausführlichen Einblick in der Entstehung ihres Meisterromans „Engel des Vergessens“. Sie schilderte dabei, wie sie „das Niemandsland im Selbstverständnis des Landes“ mit diesem literarischen Werk überbrücken wollte. Vor dem Schreiben dieser fiktiven Autobiografie habe sie sich immer wieder gefragt, wie man politisch schreiben könne, ohne die politische Sprache zu verwenden, denn diese sei zumeist „toxisch“. Sie musste also erst eine „unvergiftete“ Sprache finden für das Erlebte, das lange Verschwiegene und dann doch Erzählte.

Eine Zeitreise durch Vergangenheit und Gegenwart

Der Klagenfurter Schriftsteller Egyd Gstättner erzählte von der Konzeption seines jüngsten Romans „Wiener Fenstersturz“ und wie er sich mit der historischen Hauptfigur dieses Werkes „zusammen gefunden“ hat. Der jüdisch-evangelische Schriftsteller und Kulturphilosoph Egon Friedell hatte sich am 16. März 1938 in der Wiener Gentzgasse vor der SA fliehend in den Tod gestürzt, nur wenige Tage nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland. Er wird im Sturz vom britischen Autor H. G. Wells aufgefangen und mit seiner „Time-Machine“ zuerst in die Zukunft und dann wieder in die Vergangenheit geführt. In diesem vielschichtigen Roman kommentiert, „die Vergangenheit die Gegenwart und die Gegenwart die Vergangenheit“, schreibt die Literaturkritik im Cicero-Magazin.

Von der sog. „Ausländerpädagogik“ zum transkulturellen Lernen

Pädagogikprofessor Peter Stöger, der dritte Gast auf dem Podium, ermunterte die Teilnehmer „das Leben mit dem Hammer der Aufmerksamkeit abzuklopfen“. Er habe am eigenen Leib erfahren müssen, was es bedeute, nicht dazu zu gehören. Diese Erfahrung sei gewiss auch zur Motivation für sein frühes interkulturelles Engagement im Bereich der Pädagogik geworden. Mit Blick auf die beiden Literaten bedauerte Stöger eine Vernachlässigung der Sprache im pädagogischen Bereich, die oft „so abstrakt und ausgehungert“ sei.

Internationale Sommertagung des KAVÖ 2018 in Tainach/Tinje (Foto © KH Kronawetter)
Internationale Sommertagung des KAVÖ 2018 in Tainach/Tinje (Foto © KH Kronawetter)

Die Internationale Sommertagung läuft noch bis 24. August 2018. Unter anderen wird noch der Belgrader Erzbischof Stanislav Hočevar über „Ökumene in Europa“ sprechen. KAV-Kärnten Vorsitzender Martin Sattlegger wird über das europäische Eisenbahnnetz referieren.