Vom Lachen und vom Glauben
Don Boscos ungewöhnlicher Weg - ein Beitrag von Provinzial P. Rudolf Osanger der Salesianer Don Boscos in Österreich
In seinem Buch „Warum waren die Mönche so dick?“ analysiert Hans Conrad Zander unter anderem die Begabung von Vertretern der Kirche für den Humor. Er kommt zum Ergebnis, dass bei vielen Christen, besonders bei beamteten, diese Fähigkeit nur unterdurchschnittlich bis gar nicht ausgeprägt ist. Vielleicht spielt dabei die Angst eine Rolle, eine geoffenbarte Wahrheit zu beeinträchtigen; vielleicht ist es auch die Angst, das eigene Ansehen und die eigene Würde aufs Spiel zu setzen. So erscheinen manche Christen als unbeweglich, rechthaberisch und sauertöpfisch, meint er. Und damit würden sie erst recht zur Zielscheibe des Spottes.
Heiligkeit und Humor sind kein Gegensatz
Umso erfrischender ist, dass es Heilige gibt, die gar nicht in dieses Schema passen. Die Freude und der Humor sind für Don Bosco, den Jugendapostel und begnadeten Erzieher von Turin, geradezu charakteristisch. Schon als 12-Jähriger erkannte er, dass man Kinder und Jugendliche zu nichts zwingen, sondern ihre Herzen gewinnen konnte. So bot er Zauberkunststücke und artistische Einlagen an, um seinen Kameraden sozusagen als Eintrittspreis dann die Predigt des Pfarrers zu erzählen und mit ihnen ein Gebet sprechen zu können. Wahrscheinlich ahnte der junge Giovanni bereits die Wahrheit des Wortes seines späteren Vorbildes Franz von Sales: „Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass Essig.“ Wie Don Bosco dies in der Praxis lebte, zeigt sich in zahlreichen Geschichten aus seinem Leben.
Freude, die aus einem liebevollen Herzen kommt
Zum Beispiel die Geschichte von Bartolomeo Garelli, mit dem Don Bosco sein Werk am 8. Dezember 1841 begann. Don Bosco hatte sich gerade auf die hl. Messe vorbereitet, als er Lärm hörte. Der Messner war eben dabei, einen 16-jährigen Buben aus der Sakristei zu werfen, weil er sich hereingeschlichen, aber keine Ahnung vom Ministrieren hatte. Als er gerade mit einem Staubwedel losschlagen wollte, unterbrach ihn Don Bosco und fragte, was denn los sei. „Was tut er hier, wenn er nicht einmal ministrieren kann?“, ereiferte sich der Messner. „Holen Sie ihn wieder zurück, er ist einer meiner Freunde.“ – Als sich der Bub zitternd Don Bosco näherte, begann ein Gespräch, das einfühlsamer nicht sein konnte. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass er Bartolomeo hieß, die Eltern tot waren und er keinerlei Schulbildung hatte, überlegte sich der Priester eine Frage, auf die der Jugendliche garantiert ja sagen würde: „Kannst du pfeifen?“ „Natürlich!“ lächelte der Bub. Don Bosco hatte sein Herz gewonnen und betete mit ihm ein andächtiges „Ave Maria“. Bartolomeo blieb zur hl. Messe und versprach, in einer Woche wieder zu kommen. Eine Woche später brachte er vier Freunde mit. Klein wie ein Samenkorn begann das große Werk Don Boscos für die Jugend.
Über sich selber lachen können
Manchmal erzählte Don Bosco über seine ersten Predigterfahrungen, die ihm eine herbe Enttäuschung beschert hatten. Der junge Geistliche legte sich auf der Kanzel ins Zeug. Don Bosco erzählt: „Nach dem Gottesdienst wurde ich von allen gelobt, so dass mich Eitelkeit ergriff. Aber mir wurden die Augen geöffnet. Nach der Predigt, die über die Geburt der Gottesmutter gehandelt hatte, fragte ich einen, der intelligent genug erschien, die Predigt und ihren Inhalt verstanden zu haben. Er antwortete: ‚Ihre Predigt über die Armen Seelen im Fegefeuer war sehr beeindruckend!’ – Und ich hatte über die Größe Mariens gepredigt! – Diese Erfahrung war mir zeitlebens eine Lehre.“
Schlitzohr
Eine der größten Nöte war für Don Bosco immer die Frage: Wo bekomme ich all die Dinge her, um die hungrigen Mäuler im Oratorium stopfen zu können und den verlassenen Buben ein wenig Heimat und Geborgenheit bieten zu können? Die bekannteste Begebenheit aber, die Don Boscos blitzartiges Erfassen von Situationen und seine Fähigkeit, kreative Lösungen zu finden, unter Beweis stellt, trug sich 1845 zu, in den ersten Jahren seiner Jugendarbeit. Don Bosco hatte für vierhundert Buben zu sorgen – und keine Bleibe für sie. So begann er, ihnen von seinen Träumen
zu erzählen – von einem großen Oratorium, von Kirchen, Schulen und Werkstätten, von Priestern, die mit ihm arbeiten würden. Lassen wir Don Bosco selber erzählen: „So verstärkte sich das Gerede, dass Don Bosco verrückt geworden sei. Alle meine Mitarbeiter ließen mich inmitten meiner Buben allein. Achtenswerte Persönlichkeiten machten sich Sorgen um meine geistige Gesundheit. So wurden zwei Prälaten, Don Ponzati und Don Nasi, beauftragt, mich mit einer Kutsche in die psychiatrische Klinik zu bringen. Sie fuhren vor, grüßten mich höflich und fragten nach dem Oratorium, nach den zukünftigen Bauten und der Kirche. Schlussendlich stellten sie nach einem tiefen Seufzer fest: ‚Es ist wirklich so!’ Danach luden sie mich zu einer Spazierfahrt ein. ‚Ein wenig frische Luft wird Ihnen gut tun, Don Bosco! Kommen Sie! Wir haben eine Kutsche, wir können
miteinander fahren und haben dabei Zeit, miteinander zu reden.’ Ich ging auf das Spiel ein, begleitete sie zum Wagen, bestand aber darauf, dass sie zuerst einstiegen und in der Kutsche Platz nahmen. Da mir aber der Kutscher, ein Angestellter der Heilanstalt, bekannt war, warf ich schleunigst den Wagenschlag zu und rief: ‚Fahren Sie so schnell als möglich in die Klinik, die beiden Geistlichen werden dort erwartet.’“ Man kann sich vorstellen, dass die beiden
Priester zutiefst beleidigt waren. Später aber wurden sie Don Boscos Freunde.
Quelle der Freude
Die Quelle der Gelassenheit Don Boscos war sein unendliches Vertrauen auf Gottes gute Vorsehung und auf die Hilfe der Gottesmutter. Seine Biografie berichtet über einen Traum, den er 1876 hatte und den er kurz vor Weihnachten den Mitbrüdern und Buben erzählte. Am Ende einer Begegnung mit Domenico Savio, seinem Schüler, der bereits 1857 verstorben war, habe ihm dieser gesagt: „Es ist nicht auszudrücken, welche Freude wir im Himmel erleben. Was die Freude des Himmels ist, kann man erst erfahren, wenn man das Irdische verlassen und sich mit dem Schöpfer vereinigt hat. Unsere Freude ist Gott! Das sagt alles!“
Fröhlich sein…
Don Bosco ist kein Heiliger, auf den nur bestimmte Gruppen Anspruch erheben könnten. Er ist ein Heiliger der ganzen Kirche, ein Modell christlichen Lebens für alle. Allerdings ist zu bedenken, dass er ein Mann des 19. Jahrhunderts war und wir im 21. Jahrhundert leben. So kann es nicht darum gehen, ihn 1:1 nachzuahmen. Vielmehr müssen wir uns bemühen, sein tiefstes Anliegen, sein Gottvertrauen und seine Ganzhingabe an die Jugend zu verstehen und je nach den Erfordernissen
der Zeit neu zu interpretieren. Eine Hilfe dabei kann uns der wohl bekannteste Ausspruch Don Boscos sein: „Gutes tun, fröhlich sein und die Spatzen pfeifen lassen.“ Diese dreifache Losung verrät das Geheimnis Don Boscos. Das Gute hat mit Gott zu tun, und es ist den Menschen klar gesagt, was gut ist. Fröhlich sein ist die Haltung des Christen, der sich in Gottes Händen weiß. „Macht euch keine Sorgen, denn die Freude am Herrn ist unsere Stärke“, ist schon die Erfahrung des Volkes Israel. Der Christ kennt auch die Traurigkeit, aber er lässt sich von ihr nicht beherrschen. Und die Spatzen? Damit sind nicht nur die grauen Spatzen gemeint, die man auf den
Straßen dieser Welt trifft, sondern auch die Politiker, die Journalisten, die lieben Nachbarn und die Mitbrüder, die zu allem eine Meinung haben. Wir lassen uns durch sie nicht beeindrucken oder ängstigen. Sie sollen pfeifen, soviel sie wollen; wir lassen uns dadurch in keiner Weise von unserem Weg abbringen. „Gutes tun, fröhlich sein und die Spatzen pfeifen lassen“ könnte der Sprache der christlichen Mystik entnommen sein. Und wenn jemand diesen Satz nicht versteht? Dann könnten wir ihm antworten: „Du suchst die Freude? Komm und hole sie bei Don Bosco!“
- Erstveröffentlichung dieses Beitrages von P. Mag. Rudolf Osanger SDB in: „Humor - Bruder des Glaubens" , Jahrbuch der Diözese Gurk 2011, (Redaktion: Pressestelle der Diözese Gurk). |