“Bitte, achte meine Zweifel”
Wie kann ich Trauernden hilfreich begegnen? III
von Seelsorger Mag. Johannes Staudacher
„Bitte, achte meine Zweifel!“
In einem Trauergespräch kommen wir zur Frage: „Wo ist der verstorbene Partner jetzt?“ Als ich von der christlichen Hoffnung spreche, sagt diese Frau zu mir: „Aber wir wissen es nicht.“ Und ich gebe ihr recht: „Ja. Wir wissen es nicht.“ Auch für glaubende Menschen ist es eine Hoffnung. Kein Wissen. Ich kann es weder mir selber noch einem anderen auf den Tisch legen. Und ich habe damals gemerkt: der Zweifel dieser Frau und meine Hoffnung warten gemeinsam darauf, dass Gott sich zeigt.
Was im Tod geschieht, ist für uns nicht einsichtig. Und auch die Ewigkeit ist uns verhüllt. Daher ist es recht, dass sich jeder mit seinen eigenen Fragen und Bildern auseinander setzt. Ich begegne Trauernden dann hilfreich, wenn ich ihre Gedanken respektiere. Wenn ich auch ihre Zweifel ernst nehme und nicht meine, ich müsste sie in dieser Situation, die oft voller Not ist, „missionieren“.
Meinen persönlichen Glauben bezeugen, das ist natürlich wichtig – wenn es passt! Aber gerade in der Trauer ist es so, dass nur das zählt, was im Herzen des Trauernden selber wächst. Und nur das tröstet, was er selber empfinden kann. Deshalb bin ich skeptisch gegen das Wort „trösten“. Was ich gut tun kann: jemandem auf tröstliche Weise begegnen. Aber „trösten“ in dem Sinn, dass ich der Gescheite bin, der den anderen belehrt und seine Gefühle ummodelt – nein!
Zorn auf Gott
Es ist nicht so, dass gläubige Menschen immer „anders trauern“ als glaubensferne Menschen. Vielmehr kommt nicht selten durch die bittere Erfahrung eines Verlustes Zweifel im Herzen auf. Wie Hiob es getan hat, darf dann der Glaubende klagen, auch rebellieren und zürnen. Wichtig ist es, in dieser Zeit ehrlich zu sich selber zu sein. Wer dabei die Richtung auf Gott hin doch immer wieder sucht, wird zumeist zu seinem Glauben zurückfinden. Möglicherweise ist dieser Glaube nach einem schlimmen Verlust nüchterner, herber. Aber zugleich auch echter. Ich sage gern so: „In einer Not muss ich erkennen, dass Gott nicht ‚der liebe Gott’ ist. Aber ich darf hoffen, dass er ‚der liebende Gott’ ist und bleibt. Im Leben und im Sterben.“
„Jetzt hat er mich ein paar Monate nicht gesehen.“ Aus Groll gegen Gott hat diese Frau den früher regelmäßigen Gang zur Sonntagsmesse eine Zeit lang eingestellt. Und sie hat die Erfahrung gemacht: weil sie den Groll durchgetragen hat, kann sie jetzt auch wieder auf Gott zugehen. „Versöhnung“ setzt ja oft voraus, dass man vorher seinen Streit austrägt – auch mit Gott.
Trauernde achten
In drei Beiträgen habe ich versucht, Ihnen drei Bitten trauernder Menschen nahe zu bringen. „Bitte, achte meinen Schmerz! Und bitte, achte meinen Zorn und meine Zweifel.“ Zu oft meinen wir, dass es unsere Aufgabe ist, Trauernde zu verändern. In Wirklichkeit ist es unsere Aufgabe, bei ihnen zu sein. Ihren Schmerz und Zorn und auch ihre Fragen auszuhalten. „Keine Antworten zu haben“ ist oft der Zugang zum Herzen des Trauernden. Denn dann stehe ich wirklich an seiner, an ihrer Seite.