Sonntag – der Tag des Herrn
In der deutschen Sprache ist er der Tag der Sonne und erinnert an die alten römischen Namen der Wochentage. Für die Christen weist der Name auf Christus, die Sonne des Heils. von Mag. Klaus Einspieler

Die Evangelisten berichten, dass die Frauen am Morgen des ersten Tages der Woche, als die Sonne aufgeht, zum Grab gehen, wo ihnen die Botschaft, dass der Gekreuzigte lebt, verkündet wird. Im slowenischen wird der Sonntag „nedelja“ genannt. Der Name weist darauf hin, dass man den Tag spätestens ab dem 4. Jahrhundert durch Arbeitsruhe geheiligt hat. Der wohl umfassendste Sinn des Sonntags aber schwingt im russischen Namen des ersten Tages der Woche mit: Sonntag heißt „woskresenje“ – Auferstehung. Denselben Namen trägt auch das Osterfest. Der Sonntag ist der Tag der Auferstehung. Sein Glanz kommt von Christus, der vom Dunkel des Todes in den Glanz der göttlichen Herrlichkeit eingegangen ist. In den romanischen Sprachen schließlich, ausgehend von der lateinischen, wird der Sonntag „dominica“, Tag des Herrn, genannt.
Der Tag des Herrn im Alten Testament
Der Tag des Herrn ist Urgestein biblischer Verkündigung. Der Begriff gehört zu den ältesten Traditionen des Alten Testaments und führt uns zurück zu den Anfängen Israels im gelobten Land. Der Tag des Herrn ist ursprünglich jener Tag, an dem das rettende Handeln Gottes offenbar wird. Dass sich das kleine Volk Israel in den kriegerischen Wirren behaupten konnte, schreibt es nicht seiner eigenen Kraft zu. Es ist der Gott der Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft, der sich immer wieder als Gott der Freiheit kundtut, indem er seinem Volk auf wunderbare Weise zur Seite steht.
So wurde der Tag des Herrn früh zu einem Hoffnungszeichen. Doch die Umstände ändern sich und damit auch der Gehalt von Begriffen. Das Volk Israel beginnt die von Gott geschenkte Freiheit zu missbrauchen. Dies äußert sich im Götzendienst sowie der wirtschaftlichen Ausbeutung und Unterdrückung der vormals freien Bauernschaft. Damit wird ein Wesenszug der eigenen Religion preisgegeben. Israel wurde aus der Sklaverei befreit, um im eigenen Land auf der Grundlage der Weisung Gottes die wahre Freiheit, die sich in der Freiheit des schwächsten Gliedes der Gesellschaft widerspiegeln muss, zu verwirklichen. In der Zeit der Propheten, besonders im 8.-6. Jh. vor Chr., wird dies in das Gegenteil verkehrt. Aus diesem Grund tritt der Prophet Amos als erster in einer beachtlichen Reihe von Rufern auf, die dem Volk vor Augen führen, dass es in der Geschichte des Volkes Israel mit Gott keine Automatik des Heiles gibt. Wer das Gottesrecht verdreht, darf auf der anderen Seite auch nicht auf Hoffnungszeichen vertrauen. So wird aus dem Tag des Herrn, einem hoffnungsvollen Ausdruck alttestamentlicher Religiosität, der Tag des Zornes und des Gerichts: „Weh denen, die den Tag des Herrn herbeisehnen. Was nützt euch der Tag des Herrn? Finsternis ist er, nicht Licht. Es ist, wie wenn jemand einem Löwen entflieht und ihn dann ein Bär überfällt; kommt er nach Hause und stützt sich mit der Hand auf die Mauer, dann beißt ihn eine Schlange. Ja, Finsternis ist der Tag des Herrn, nicht Licht“ (Am 5,18-20). Unweigerlich wird man an das „Dies irae“ des Requiems erinnert, das von den großen Komponisten in beklemmender Dramatik vertont wurde. Oft kann man das Inferno des Gerichts erahnen. Das Beispiel des Amos könnte man noch anhand vieler Texte aus der Literatur der Propheten vor dem babylonischen Exil im Jahre 586 vor Chr. weiterführen (Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Obadja, Zefanja). Das Szenario vom Zorn Gottes und der Finsternis muss allerdings in rechter Weise verstanden werden. Es geht nicht um blinde, zerstörerische Wut, sondern um den leidenschaftlichen Eifer Gottes für den armen und geschundenen Menschen. Es ist Ausdruck eines Gottes, der nicht aus sicherer Distanz das Weltgeschehen betrachtet, wie ein populäres modernes Lied mit dem englischen Titel „From a distance“ unterstellt. Es ist vielmehr ein Gott, der den Rechtlosen ins Recht setzt und so ein Leben in Würde ermöglicht.
Tag der Rechtfertigung des Menschen
Wenn wir also vom Sonntag als dem Tag des Herrn sprechen, schwingt die ganze Dramatik alttestamentlicher Glaubensgeschichte mit. Diese spitzt sich in der Lebensgeschichte Jesu, in seinen letzten Tagen in Jerusalem noch einmal zu. Jener, der gekommen ist, um das Reich Gottes mit Wort und Tat anbrechen zu lassen, wird ans Kreuz geschlagen. Es ist der wohl größte Ausdruck der Ablehnung Gottes in der Geschichte der Menschheit. Nach menschlichem Ermessen müsste das fraglos der Anlass sein, dass Gott sein Gericht vollstreckt. Und er tut es auch – allerdings nicht nach Menschenart. Gott wandelt die größte Leugnung seiner selbst durch die Menschen zum größten Heil. Die Sünde Adams wird zur glücklichen Schuld, wie das Exsultet der Osternacht preisend bekennt. Der Tag des Herrn – der Ostermorgen. Tag des Gerichts, jenes wunderbaren Gerichtes, das den Sünder, ohne, dass er es verdient hat, gerecht macht (Röm 3,23) oder wie es in einem Kirchenlied heißt „führ uns heim aus dem Gericht in dein Licht“ (GL 668, 4. Strophe). Der Sonntag ist also Tag des Herrn, Tag des Heiles. Es ist der Tag der Begegnung mit dem Gott des Lebens und der Gerechtigkeit. Er führt uns an die Wurzeln unserer Existenz, zu den großen Fragen, die uns bewegen: nach dem Sinn unseres Lebens, dem Leiden des Unschuldigen, aber auch nach einer Perspektive, die auch die Grenzen unseres Todes zu überschreiten vermag. Er bleibt aber nicht bei den Fragen stehen, er ist geprägt von der Feier des Glaubens und dem Vertrauen, dass alles Fragen des Menschen bei Gott geheimnisvoll geborgen ist, wie auch der Psalmist staunend bekennt:
„Wie schwierig sind für mich, o Gott, deine Gedanken, wie gewaltig ist ihre Zahl! Wollte ich sie zählen, es wären mehr als der Sand. Käme ich bis zum Ende, wäre ich noch immer bei dir“(Ps 139,17-18).
Der Tag des Herrn und das Mahl des Herrn
Der Herrentag wird ausgezeichnet durch das Herrenmahl, die Feier der Eucharistie. In ihr kommt das Geheimnis dieses Tages noch einmal verdichtet zum Ausdruck, ist sie doch die Begegnung mit Ihm, der uns, wie die Jünger von Emmaus begleitet, uns die Schrift deutet und das Brot bricht. Johann Baptist Metz nennt die Feier der Eucharistie eine gefährliche Erinnerung. Das ist sie in der Tat. Sie ist Begegnung mit dem Auferstandenen, der uns in seine Nachfolge ruft, um den Menschen zu sagen, dass all das Unrecht und Unheil um uns herum nicht das letzte Wort haben, dass Gott die Welt mit sich versöhnt hat ... Sie zielt auf Wandlung ab, Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut der Herrn, der in unserer Mitte gegenwärtig ist, und auf die Wandlung jener, die davon essen und trinken zu einem Volk, das die großen Taten dessen verkündet, „der uns aus der Finsternis in sein wunderbares Licht geführt hat“ (1 Petr 2,9).