“Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes”
Wie Kinder das Kreuzzeichen erleben und was Erwachsene daraus lernen können
von Dechant GR Mag. Josef Scharf

Nach der Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zum Papst teilte ich den Kindern in der ersten Klasse Volksschule ein Bildchen von ihm aus. Die Kinder klebten dieses Bildchen in das Religionsheft und schmückten es mit Verzierungen ihrer Phantasie. Ein Mädchen, Anna, malte über den Kopf des Bildes ein Kreuz in einem roten Feld, auf den Seiten des Bildchens Blumen in allen bunten Farben. Ich fragte Anna: „Was hast du da gemalt?“ Sie gab zur Antwort: „Ich habe ein Kreuz gemalt, dass er (Papst Benedikt XVI.) den Schutz von Gott hat und damit der letzte Papst (Johannes Paul II.) ihn auch beschützt und dass kein Krieg kommt.“ Ich war so sehr betroffen, dass ich Anna bat, diesen Satz vor der ganzen Klasse noch einmal zu sagen.
Ein anderes Kind zeichnete viele kleine Kugeln rund um das Papstbildchen und auf der Kopfseite ebenfalls ein Kreuz. Dieses Kind erklärte seine Verzierung so: „Die Kugeln sind die Welt. Das Kreuz ist Jesus. Er soll die Welt beschützen.“
Was spricht aus diesen einfachen Sätzen von Kindern, die sich erst anschicken, Buchstaben zu erlernen im Lesen und Schreiben? Kinder, die das Kreuzzeichen von der ersten Religionsstunde an einüben mussten, reden vom Kreuz als Schutz für die Menschen, als Bewahrung zum Frieden.
Religionsunterricht als „heilige Versammlung“. Ich unterrichte trotz vieler vergeblicher Mühen sehr gerne an der Volksschule, weil es immer wieder Einbrüche, Einsagen und Zusagen gibt, die an der Wurzel unserer Gotteskindschaft rühren – verkündet und ausgesagt von Kindern, die zeitlich in ihrer Entwicklung und in ihrem Werden so nahe am Beginn ihrer Gotteskindschaft stehen.
Wenn auch die Kinder nicht mehr so oft zum Gottesdienst in der Kirche versammelt sind wie früher einmal, so habe ich als Priester, der in der Schule unterrichten darf, immer mehr gelernt, den Religionsunterricht als eine „heilige Versammlung“ zu sehen, in der es eine Mitte gibt, die der Kirche als Ganze geschenkt und gegeben ist: Jesus Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn, der in jedem Kind Gottes gegenwärtig ist mit dem Heiligen Geist. Wie geheimnisvoll verbirgt sich der Geist Jesu und kommt doch ans Licht und sagt sich uns zu manchmal gerade dort, wo Gewöhnungen des Alltags und der Routine unsere Aufmerksamkeit für Christus, seine Kirche und sein Kommen lähmen.
Kreuz als Zeichen göttlicher Liebe. Die Kinder haben für das Kreuz einen empfindsamen und mitfühlenden Blick, der uns Erwachsenen durch Gewöhnung etwas getrübt ist. Es wühlt sie im Herzen auf, wenn sie Jesus am Kreuz sehen. Wir haben gelernt, im Kreuz das Gotteszeichen zu sehen für die neue, das Herkömmliche umstürzende Sicht des christlichen Glaubens: Wir verkünden Christus den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit, denen aber, die berufen sind, Gottes Kraft und Gottes
Weisheit (vgl. 1 Kor 1,23-24).
Stumme, eindringliche Mahnung zum Umdenken. Christliches Leben beginnt mit solcher Umkehr. Diese Umwertung wird besonders darin deutlich, dass der Glaubende das Kreuz, auch das Kreuz des eigenen Lebens, als Zeichen der göttlichen Liebe zu sehen vermag:
„Wer Gott im Kreuze Jesu Christi gefunden hat, weiß wie wunderlich sich Gott in dieser Welt verbirgt und wie er gerade dort am nächsten ist, wo wir ihn am gernsten glauben“ (Dietrich Bonhoeffer).
Eindrucksvoll erlebte ich dies einmal nach einer Wochentagsmesse in der Sakristei beim Abkleiden der liturgischen Priestergewänder. Dominic, der einzige Ministrant bei dieser hl. Messe, war damals Volksschüler der ersten Klasse. Der Gekreuzigte ist der Auferstandene. Wie es überall üblich ist, erhalten Kinder, die noch nicht zur Erstkommunion gegangen sind, beim Kommuniongang ein Kreuzzeichen auf die Stirn. Immer wieder hat Dominic das Segenskreuz auf die Stirne bekommen. In der Sakristei sagte er plötzlich zu mir: „Komm, beug dich herunter!“ Ich beugte mich zu ihm und da zeichnete er mir ein Kreuz auf die Stirne und sagte: „Der Herr Jesus Christus segne und beschütze dich!“
Ein erstes Wort von Papst Benedikt XVI. an die Welt und auch für die Kirche war: „Die Kirche lebt und die Kirche ist jung!“ Wie wahr ist doch dieses Wort, wenn wir in so vielen verschiedenen kleinen Begegnungen des Lebens die Hand des auferstandenen Herrn ergreifen dürfen. Die Kirche lebt, weil der wirklich Gekreuzigte auch der wahrhaft auferstandene Herr ist.
Text: (Jahrbuch der Diözese Gurk, 2006)