Das Weizenkorn muss sterben, damit es Frucht bringen kann
Ein geistlicher Impuls von Ordinariatskanzler Jakob Ibounig für den 5. Fastensonntag
Das Evangelium des Passionssonntags spricht vom Suchen und von einem verborgenen Finden: Da kommen Menschen und möchten Jesus sehen. Gott ist unsichtbar, Jesus aber ist das Sichtbare an Gott. Wir hören, dass die nach Jesus Fragenden Griechen sind. Wer Griechenland besucht hat, der kennt die Tempel, die Museen und darin die Statuen, die Götter und Menschen darstellen. Es sind vollkommen schön gestaltete Körper, vollkommen in ihrem Wuchs und auch die Gebäude sind ausgewogen, vollkommen in ihren Proportionen und in ihrem Bau. Die Griechen des Altertums - auch zur Zeit Jesu - waren Menschen auf der Suche nach dem vollkommen Schönen, nach der vollkommen gelungenen Harmonie von Kunst und Natur. Der Grieche ist der Ästhet, er möchte sich berauschen an der schönen Form und sie feiern als sein Idol.
Die Griechen im Evangelium verlangen Jesus zu schauen, und sie hoffen, an ihm etwas zu finden: Jesus als der gelungene und vollkommene Mensch. Sie wenden sich an zwei Apostel, die selber griechische Namen tragen, Philippus und Andreas. Sie kommen nicht direkt zu Jesus, sondern sie brauchen die Vermittlung der Apostel. Das Evangelium weiß davon, dass der Weg zu Christus über die menschlichen Instanzen geht. Ich habe keinen direkten Zugriff auf Gott, heißt das, sondern ich muss lernen zu bitten und anzuklopfen - bei Menschen, damit der Zugang zu Gott sich öffnet. Das ist die große Demütigung, die uns zugemutet wird von der Kirche. Ich muss diese nach außen hin so durch und durch menschliche Einrichtung in Anspruch nehmen, damit ich Zutritt finde zu Gott. Oder genauer gesagt: damit Gott Zutritt findet zu mir.
Zurück zu den Griechen, die Jesus suchen und ihn sehen wollen, und die an ihm ihr Ideal zu finden hoffen, den vollkommenen Menschen. Jesus lässt ihnen etwas ausrichten, das scheinbar meilenweit an ihrer Suche vorbeigeht. Jesus redet vom Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt und erst durch das Sterben hindurch bringt es Frucht. Der griechische Mensch möchte wissen: Wie kann mein Leben gelingen und vollkommen werden. Was soll hier das Weizenkorn, das untergepflügt wird und stirbt?
Was Jesus sagt ist dennoch Antwort. Er sagt mit diesem Bild: Das Leben erfüllt sich nicht im schönen Schein, in der Schau des Schönen. Der Ästhet möchte sich berauschen an der schönen Form, er will sie feiern und erhalten. Der Sinn des Lebens aber - so richtet Jesus aus - erfüllt sich erst im Zerbrechen der schönen Form: Das Weizenkorn muss sterben, muss untergehen, damit es Frucht bringen kann. Der Sinn des Lebens ist Hingabe und Opfer.
Schmerz und Trauer und Scheitern bleiben für Jesus nicht außen vor als eine absurde Bedrohung. Erst im Zerbrechen öffnet sich das Korn und bringt Frucht.