Das Sein Jesu
Ein geistlicher Impuls von Ordinariatskanzler Jakob Ibounig für den 2. Fastensonntag
Das Evangelium von der Verklärung Jesu befremdet. Was uns Jesus bedeutet, handeln wir sonst gern über sein Tun ab: Er hat Kranke geheilt, Tote auferweckt, Menschen von Dämonen befreit, Jesus hat gesprochen und durch sein Reden fasziniert, er hat Jünger um sich gesammelt und eine Gemeinschaft gebaut. Im Bericht von der Verklärung tritt all das zurück. Offenbar steht da für einen Augenblick nicht das Tun im Vordergrund, sondern das Wesen selbst. Das Sein Jesu. Wer ist dieser Mensch? Erst mit dieser Frage und ihrer Antwort öffnet sich der Blick auf Gott.
Das Tun Jesu, dass er heilt und befreit, dass er Gerechtigkeit aufrichtet und die Kirche gründet, führt uns zu jenem Berg, auf dem Jesus verklärt wird. An diesem Moment erklärt sich Jesus und stellt klar: Er ist nicht nur ein beispielhafter Mensch, jemand, dem wir nacheifern sollen. Jesus hat auch keine Weltanschauung parat, die wir uns aneignen sollten. Es gibt keine „Lehre Jesu“. Er selbst ist das Wesentliche! Wo Er ist, da ist Himmel und da hören wir die Stimme Gottes. Jede Handlung Jesu, alles, was er getan hat, bringt eine Farbe zum Leuchten und macht einen Aspekt seines Wesens deutlich. Nun aber – in der Verklärung - kommen all diese Farben zusammen und ihr Wesen ist das reine Licht Gottes. Mose hat am Sinai die in Stein gemeißelten Gebote erhalten. In Jesus aber ist Gottes Wort nicht Stein, sondern Fleisch, ist viva vox – lebendige Stimme. Am Berg des Kreuzes wird dieses Wort verstummen, das Licht erlöschen. Aber dann wird das Wesen Jesu nur umso deutlicher: Dass Er Liebe ist, die Gott und Mensch versöhnt.