Berühre die Wunden

Ein geistlicher Impuls von Ordinariatskanzler Jakob Ibounig für den Weißen Sonntag

“Die tastenden Hände des Thomas haben ihn den Glauben an Jesus ertasten und ihn berühren lassen. In der Heiligen Messe tasten auch wir mit unseren Händen nach Christus“, schreibt Ordinariatskanzler Jakob Ibounig in seinem geistlichem Impuls für den Weißen Sonntag. (© Foto: commons.wikimedia.org (gemeinfrei) - Caravaggio “Der ungläubige Thomas“ (Detail))
“Die tastenden Hände des Thomas haben ihn den Glauben an Jesus ertasten und ihn berühren lassen. In der Heiligen Messe tasten auch wir mit unseren Händen nach Christus“, schreibt Ordinariatskanzler Jakob Ibounig in seinem geistlichem Impuls für den Weißen Sonntag. (© Foto: commons.wikimedia.org (gemeinfrei) - Caravaggio “Der ungläubige Thomas“ (Detail))
Ordinariatskanzler Msgr. Dr. Jakob Ibounig (© Foto: Pressestelle der Diözese Gurk)
Ordinariatskanzler Msgr. Dr. Jakob Ibounig (© Foto: Pressestelle der Diözese Gurk)

Im Evangelium des Weißen Sonntags erzählt Johannes, wie Jesus, der Auferstandene, zu den Aposteln kommt. Der Apostel Thomas darf sogar die Wunden Jesu berühren. Heinrich Spaemann hat einmal die Frage gestellt: Warum zeigt Jesus Wunden und nicht Narben? Er sagt: „Ich denke, er will uns deutlich machen, dass sein Leiden, seine Passion fortdauert.“ Im Leiden begegnen wir dem göttlichen Heute. In den Wunden dieser Welt berühren wir wie Thomas die Wunden Jesu. Und da fällt es uns auch leichter, das unmenschliche Ideal des Stoikers loszulassen, dass es nur den freien und autonomen Menschen geben dürfe und alles sonst sei kein Menschsein. Ich kann dann auch Ja sagen zu meinen eigenen Wunden. Und ich brauch sie nicht ängstlich zu verbergen, damit die anderen nicht merken, wie sehr auch ich des Erbarmens bedarf und der Vergebung.

Gott ist nicht die coole und gelassene Weltvernunft, die etwa Goethe in Gott gesehen hat (und nur die wollte er anbeten). Der Gott Jesu Christi ist der, der sich hat verwunden lassen und so mitgelitten hat. Er hat das Leiden nicht beseitigt durch die Übermacht irgendeiner positiven Energie. Er hat es auf sich genommen und verwandelt und von seiner Auferstehung her heilt er die Welt und gibt den Verwundeten ihre Würde.

Ein Blinder hat einmal gesagt: „Der Lebensraum eines Blinden reicht so weit, wie seine Fingerspitzen reichen. Aber die Fingerspitzen reichen oft viel weiter als die der sehenden Menschen. Und ihre Hände ertasten mehr als gewöhnliche Hände.“ Die tastenden Hände des Thomas haben ihn den Glauben an Jesus ertasten und ihn berühren lassen. In der Heiligen Messe tasten auch wir mit unseren Händen nach Christus.