„Gott sah, dass es gut war“

Das Gute im Alten Testament

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Das Gute ist in der Ordnung der Schöpfung verankert. (Erschaffung der Welt, Kuppelmosaik, Vorhalle Markusdom, Venedig, 13. Jh.) Foto: Prof. Heinz Ellersdorfer

Und siehe, es war sehr gut.“ (Gen 1,31) So lautet das abschließende Urteil Gottes über seine Schöpfung am Ende des sechsten Tages. Was Gott erschaffen hat, ist gut: Es ist in Ordnung, es erfüllt seine Bestimmung, es ermöglicht und fördert Leben. Das Gute ist in der Schöpfung und ihrer Ordnung verankert. Damit wird die gute Schöpfung zum Maßstab für das Gute überhaupt, auch im menschlichen Leben. Das Wort „gut“, hebräisch tov, hat ein breites Bedeutungsspektrum. Es umfasst alltägliche und profane Aspekte ebenso wie ethische und theologische Bereiche. Was gut ist, ist angemessen, angenehm, erfreulich, nützlich, schön und wahr. Zu einem guten Leben gehören Sicherheit in einem guten, also fruchtbaren Land, Wohlstand und Gesundheit und natürlich die Familie. Ein „gutes Herz“ ist ein fröhliches Gemüt. Es steht in Zusammenhang mit Essen, Trinken und Lachen (vgl. 1 Sam 25,36). „Das Gute“ kann auch den Regen bezeichnen, der Fruchtbarkeit und damit die Lebensgrundlage schenkt (vgl. Ps 85,13). Die äußere Schönheit von Menschen wird ebenfalls als „gut“ bezeichnet: So war etwa Ester sehr schön, wörtlich „von gutem Aussehen“ (vgl. Est 2,7). Was dem Leben dient, was das Wohlergehen fördert, wird als gut angesehen.

Gerechtigkeit und Gottvertrauen

Wesentliche Aspekte des guten Lebens sind auch Gerechtigkeit und Gottvertrauen. Das wird besonders von den Propheten immer wieder betont. Insgesamt ist das Verständnis des Guten im Alten Testament von seiner Funktion her bestimmt: Es ist das dem Leben Nützliche und Förderliche. Was nützlich und förderlich ist, ist natürlich eine Frage der Bewertung. Die Bibel nimmt dabei gerade bei ethischen und theologischen Bewertungen Bezug auf das, was Gottes Willen entspricht.

Schöpfungsordnung

Was in Gottes Augen gut ist, zeigt sich auf zweierlei Weise: in der Schöpfungsordnung, die vor allem durch die Weisheit ergründet wird, und in der Tora, in Gottes Geboten, die auf dem Sinai offenbart wurden und in den fünf Büchern Mose niedergeschrieben sind. Was gut ist, ist also für die Menschen erkennbar, wie es zum Beispiel der Prophet Micha prägnant formuliert: „Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte lieben und achtsam mitgehen mit deinem Gott.“ (Mi 6,8)

Richtiges Handeln und Gottesfurcht

Menschliches Handeln ist gut, wenn es den Anforderungen der jeweiligen Situation und der Weisung Gottes entspricht. Hier zeigt sich auch die enge Verbindung von gutem, richtigem Handeln und Gottesfurcht. Das Gute tun bedeutet, Recht und Gerechtigkeit zu verwirklichen, wie der Prophet Amos nicht müde wird zu betonen: „Sucht das Gute, nicht das Böse; / dann wer - det ihr leben und dann wird, wie ihr sagt, / der Herr, der Gott der Heerscharen, bei euch sein. Hasst das Böse, liebt das Gute / und bringt im Tor das Recht zur Geltung!“ (Am 5,14f) Immer wieder wird auch der Gegensatz zwischen den Menschen, die Gutes tun, und denen, die Böses tun, vor Augen geführt.

Tun-Ergehen-Zusammenhang

Die Menschen sollen und können sich für das Gute entscheiden, im religiösen wie im zwischenmenschlichen Bereich. Sie haben damit die Wahl zwischen Glück und Unglück, Leben und Tod: „Siehe, hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück (wörtlich: das Gute), den Tod und das Unglück (wörtlich: das Schlechte) vor.“ (Dtn 30,15) Das Deuteronomium und die Propheten ermahnen immer wieder, auf den Wegen Gottes zu gehen und seine Gebote zu halten. „Ihr sollt nur auf dem Weg gehen, auf den der Herr, euer Gott, euch verpflichtet hat, damit ihr Leben habt und es euch gut geht und ihr lange lebt in dem Land, das ihr in Besitz nehmt.“ (Dtn 5,33) Auf Gottes Wegen zu gehen bringt Leben und Wohlergehen in jeder Hinsicht. Es entspricht einem Grundsatz der alttestamentlichen Weisheit, dass das Tun des Guten wiederum zum Guten führt. Das Tun des Bösen fällt ebenso auf die zurück, die es getan haben. Man spricht vom Tun-ErgehenZusammenhang: „Unglück verfolgt die Sünder, / den Gerechten wird mit Gutem vergolten.“ (Spr 13,21)

Gottesdienst und Sozialverhalten

Das ethisch Gute ist auch für die menschliche Gemeinschaft förderlich. Die Guten sind die Gerechten, die Aufrechten und die Schuldlosen. All diese Beschreibungen finden sich in Verbindung miteinander. Wer gut handelt, schaut auf die Gebote Gottes, die Gerechtigkeit und das Recht der anderen sowie das Wohl der Gemeinschaft. Das Gute verwirklicht sich ganz wesentlich in Beziehungen, im Blick auf das soziale Zusammenleben ebenso wie im Blick auf die Beziehung zu Gott. Das Verhalten gegenüber Gott und das Verhalten gegenüber den Mitmenschen, Gottesdienst und Sozialverhalten, gehören untrennbar zusammen.

Vielfältig Gutes durch Gott

Die Grundlage für alles Gute, das Menschen tun und das sie erhalten, ist Gott, der Schöpfer allen Lebens, das „sehr gut“ ist. Leben kann nur gelingen in Verbindung mit Gott, der das Gute gibt. Darüber dürfen sich die Men - schen freuen: „Dann sollst du fröhlich sein und dich freuen über alles Gute, das der Herr, dein Gott, dir und deiner Familie gegeben hat.“ (Dtn 26,11) In Dankbarkeit für die Ernte zieht das israelitische Volk zum Tempel, bringt seine Gaben und feiert gemeinsam. Diese Dankbarkeit und Freude sind die Antwort der Menschen auf das vielfältige Gute, das Gott ihnen schenkt.

Gott als Geber und Urheber des Guten

Gott ist aber nicht nur der Geber und Urheber alles Guten, er selbst ist gut. Das kommt besonders in den Psalmen wortreich zum Ausdruck. Gott wird gelobt für das Gute, das er den Menschen tut (vgl. Ps 103,2; 116,7 u. v. a.). Er wird aber auch gepriesen, weil er selbst gut ist und von den Menschen in ihrem Leben als gut erfahren wird. Beide Aspekte sind eng mit - einander verknüpft. „Der Herr ist gut zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.“ (Ps 145,9) Die angemessene menschliche Antwort darauf ist Dank - barkeit und Lobpreis: „Dankt dem Herrn, denn er ist gut, denn seine Huld währt ewig!“ (Ps 118,1) Weil Gott gut ist, weil Gott Gutes schenkt, sind die Menschen auch aufgerufen, selbst gut zu sein und Gutes zu tun: „Preise den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ (Ps 103,2)

Autorin: Univ.-Prof. Mag. Dr. Agnethe Siquans, Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Erstveröffentlichung in: »Der Kraft des Guten«, Jahrbuch der Diözese Gurk 2022, (Redaktion: Pressestelle der Diözese Gurk).|