Das Werde der Diözese Gurk - Kärntner Kirchengeschichte
Ein Abriss zur Kärntner Kirchengeschichte von Diözesanarchivar em. Univ. Doz. Dr. Peter Tropper
Von der Römerzeit bis zum Spätmittelalter
Im Gebiet der heutigen Diözese Gurk lagen in der Römerzeit die Bistümer Teurnia und Virunum. Von einer ersten Christianisierung dieses kirchlich damals zu Aquileia (südöstlich von Udine) gehörigen Territoriums künden Monumente, etwa in St. Peter in Holz/Teurnia und am Hemmaberg. Die eigentliche Missionierung und der Wiederaufbau der kirchlichen Strukturen Carantaniens zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert gelangen durch ein Salzburger Chor-Bistum (Maria Saal). 811 wurde die durch Kärnten fließende Drau als Grenze der Kirchenprovinzen Salzburg (im Norden) und Aquileia (im Süden) festgelegt.
In Nachfolge des Chor-Bistums errichtete Erzbischof Gebhard von Salzburg mit Zustimmung von Papst und Kaiser ein eigenes Bistum für das ehemalige Carantanien; dessen Inhaber sollte vom Salzburger Erzbischof völlig abhängig sein und als Vikar fungieren. Materielle Basis waren Güter eines 1043 gestifteten und von Erzbischof Gebhard aufgelösten Nonnenklosters in Gurk, Kathedrale war dessen Klosterkirche. 1072 wurde der erste Bischof von Gurk, Gunther von Krappfeld, - ohne Diözese - geweiht und eingesetzt. 1131 erfolgte die Zuteilung einer kleinen Diözese an Gurk durch Salzburg. Der vierte Gurker Bischof, Roman I. (1131-1167), errichtete Schloß Straßburg - die Residenz der Bischöfe bis zum Ende des 18. Jahrhunderts - und begann mit dem Bau des Domes in Gurk, in dessen Krypta die hl. Gräfin Hemma bestattet wurde.
Dem Gurker Bischof Heinrich von Helfenberg (1298 -1326) wurde von König Albrecht I. im Jänner 1305 ein Wappen verliehen. Es ist geteilt und trägt heraldisch rechts einen goldenen Löwen auf schwarz. Links ist der Schnitt von weiß nach rot geteilt. Auf Bischof Gerold von Friesach (1326-1333) geht die Neuordnung der bistümlichen Temporalienverwaltung zurück. Er stiftete das Kollegiatkapitel von St. Nikolaus in Straßburg und gründete ein Armenspital, ebenfalls in Straßburg. Während der Regierung des Bischofs Ernst Auer (1411-1432) setzten Streitigkeiten zwischen Bischof und Domkapitel über Temporalien und Spiritualien ein, die das ganze 15. Jahrhundert dauerten. Diese Differenzen waren nicht zuletzt daraus entstanden, daß die Gurker Bischöfe bedeutende administrative, politische und diplomatische Funktionen im Dienste der Landesfürsten ausübten und deshalb häufig nicht in der Diözese residierten. Dem Episkopat Bischof Auers folgte die als Gurker Bistumsstreit bekannte Epoche der Kärnter Kirchengeschichte: Der Papst, der Erzbischof von Salzburg und auch Friedrich IV. hatten unterschiedliche Kandidaten nominiert. Ab 1436 ist der vom Papst ernannte Kandidat, Johann Schallermann, als regierender Bischof von Gurk anzusehen. Unter Bischof Ulrich Sonnenberger wurde den Inhabern des Gurker Bischofsitzes vom Kaiser 1460 das Recht eingeräumt, daß sie als Fürsten zu gelten hätten. Kardinal Raimund Peraudi, der das Bistum Gurk von 1491 bis 1505 regierte, bestellte wegen seiner ständigen Absenz vom Bistum einen Weihbischof für die Diözese Gurk.
Reformation und Gegenreformation
Der Salzburger Erzbischof Matthäus Lang (Bischof von Gurk 1505 - 1522 und Kardinal seit 1511) schloß mit König Ferdinand I. 1535 ein Bischofskonkordat über die Ernennung des Gurker Bischofs (bis 1918 in Kraft), wonach je zweimal der Landesherr und einmal der Salzburger Erzbischof den Bischof von Gurk ernannte.
Zahlreiche Gurker Bischöfe wirkten vornehmlich im Dienste der habsburgischen Landesfürsten; in der Zeit der Reformation und Gegenreformation wurde die Gurker Kirche von bedeutenden Bischöfen geleitet. Bischof Urban Sagstetter (1556-1573) stammte aus Niederösterreich. 1556 nominierte ihn Kaiser Ferdinand I. zum Bischof von Gurk. Um den konfessionellen Ausgleich bemüht, trat er für den Laienkelch und - ohne den offiziellen Entscheidungen vorzugreifen - für die Priesterehe ein. Seine theologische Position wurde bereits von Zeitgenossen als ambivalent bezeichnet; sie war von lutherischem Gedankengut beeinflußt. Mit seiner Bibliothek, deren Weite den geistigen Horizont ihres Besitzers spiegelt, legte er den Grundstein zu der heute noch bestehenden Mensalbibliothek der Bischöfe von Gurk.
Sein Nachfolger, der aus Südtirol stammende Christoph Andreas von Spaur (1574-1603), zählt zu den strahlendsten Gestalten in der Reihe der Bischöfe von Gurk. Spaurs Bemühungen auf geistlichem Gebiet galten der Klerusreform. Unter ihm wurde im Jahre 1588 in Straßburg ein Seminar errichtet. Mißstände im Gurker Domstift versuchte er durch mehrere Visitationen, denen Reformstatuten folgten, zu beseitigen. Die Straßburg selbst erfuhr einen beachtlichen Zubau. Johann Jakob von Lamberg (1603-1630) verkörperte den Typ des streng tridentinischen Bischofs. Seine Reformbestrebungen waren jedoch von radikalem Religionseifer getragen. Die Seelsorge versuchte Lamberg durch Diözesansynoden zu verbessern. Als landesfürstlicher Kommissar auf den Landtagen ab 1605 hatte Lamberg wesentlichen Anteil an der Rekatholisierung des Landes.
Johann von Goess (1675-1696) stammte aus Brüssel. 1675 nominierte ihn Kaiser Leopold I. in Würdigung seiner Dienste für das Haus Habsburg zum Bischof von Gurk. Er hat den strengen kirchlichen Geist seiner Heimat bewahrt und sich auf vielfache Weise um die Reform des Bistums Gurk bemüht. Vor allem lagen ihm die Fortführung der Stiftsschule, der Religionsunterricht und die Pflege der Stiftsbibliothek am Herzen. 1677 führte er Exerzitien für die Geistlichkeit seiner Diözese durch. Aus dem Jahre 1685 stammt eine umfangreiche Kirchenordnung für alle Pfarren mit Anweisungen über die Temporalienverwaltung. Eine von ihm erlassene Instruktion für das Konsistorium regelt die Diözesanverwaltung im ausgehenden 17. Jahrhundert. Die Kardinalswürde wurde ihm 1686 durch Papst Innozenz XI. verliehen. Drei Jahre später begab sich der bereits 79jährige zum Konklave nach Rom, wo er 1696 starb. Jakob Maximilian von Thun und Hohenstein, der von 1709 bis 1741 das Fürstbistum Gurk innehatte, stammte aus einer in Welschtirol ansässigen Familie, die im 17. und 18. Jh. zahlreiche Mitglieder in die Domkapitel der Reichskirche entsandt und eine Reihe von Bischöfen gestellt hat. Im Gegensatz zu manchen seiner Vorgänger, die wegen zahlreicher Verpflichtungen im Dienst des Kaisers oft lange außerhalb ihrer Diözese weilten, blieb seine Tätigkeit im wesentlichen auf Gurk beschränkt. Auf die gewissenhafte Durchführung aller kirchlichen Verordnungen bedacht, versuchte er, seinen Sprengel gegen die sich von Salzburg her geltend machenden lutherischen Einflüsse abzuschirmen. Thun erwirkte seinen Kirchen zahlreiche Ablaßverleihungen und förderte die Reliquienverehrung.
Aufklärung und josephinisches Staatskirchentum
Josef Maria von Thun war durch kaiserliche Gunst im Oktober 1741 zum Bischof von Gurk erhoben worden. Die von Thun in Gurk gesetzten Erneuerungsmaßnahmen zeigen das Bemühen des Bischofs um eine zeitgemäße Seelsorge. Die Wiedererrichtung des bereits im Jahr 1588 von Bischof Spaur in Erfüllung der Vorschriften des tridentinischen Konzils geschaffenen Priesterseminars in Straßburg 1745 geht auf Thun zurück. Mit der wissenschaftlichen Tätigkeit dieses Bischofs wurde auch die Ausbildung des Klerus weiter unterstützt.
Sein Nachfolger auf dem Gurker Bischofsstuhl, Hieronymus Joseph Franz de Paula Graf von Colloredo (1761-1772), behielt die von seinem Vorgänger eingeschlagene Richtung bei. Wesentliche Erneuerungen im Sinne der katholischen Aufklärung setzte Colloredo aber erst nach seiner vom Wiener Hof unterstützten Bestellung zum Erzbischof von Salzburg im Bistum des hl. Rupert. Er bestimmte den bisherigen Bischof von Lavant, Joseph Anton Graf von Auersperg (1763-1772), zu seinem Nachfolger in Gurk. Als Bischof von Gurk regierte Auersperg (1772-1783) seine kleine Diözese im Geiste des aufgeklärten Staatskirchentums: Das Bistum wurde durch zahlreiche kirchliche Reformen dieses Oberhirten zum exemplarischen Modell einer staatskirchlichen Diözesanverwaltung und -politik entwickelt. Als Führungspersönlichkeit in der Geschichte der katholischen Kirche in Kärnten ist Franz Xaver von Salm (1783-1822) anzusehen, jener Bischof, der der Diözese Gurk in den bewegten Jahren des Josephinismus und der Franzosenzeit vorstand. 1787 kam es zur Verlegung des Bistumssitzes in die Landeshauptstadt Klagenfurt, wo die im Zuge der Gegenreformation angesiedelten Jesuiten seit 1604 ein Gymnasium geführt und die von Protestanten errichtete Kirche übernommen hatten. Dieses Gotteshaus, St. Peter und Paul, wurde zur neuen Kathedrale der Diözese Gurk. Ein Priesterseminar bestand in Klagenfurt seit 1756. Unter Bischof Salm wurde nicht nur die neue Regulierung der Diözesen in Kraft gesetzt - so erfuhr die kleine Diözese Gurk Erweiterungen um die Salzburger und Görzer Pfarren in Kärnten -, durch den Staat erfolgte auch die Aufhebung zahlreicher Klöster wie Ossiach, St. Georgen/Längsee oder St. Paul/Lavanttal. Gleichzeitig wurde die Zahl der Pfarren in Kärnten um rund ein Drittel vermehrt. 1791 bezog Salm das für die Erzherzogin Maria Anna in der Völkermarkter Vorstadt Klagenfurts errichtete Palais.
Vom 19. Jahrhundert zur Gegenwart*
Im Jahre 1859 wurde Gurk zum Kärntner "Landesbistum" durch die Verlegung des 1228 von Salzburg errichteten Bistums Lavant von St. Andrä/Lavanttal nach Maribor und die Übertragung der Lavanter Anteile in Kärnten an Gurk. Seit 1923 sind die Grenzen von Diözese Gurk und Land Kärnten weitestgehend deckungsgleich. Gurk ist eine zweisprachige Diözese: 1988 wurde in 69 von 337 Pfarren zumindest teilweise Slowenisch als Kirchensprache verwendet.
Die Jahre nach 1848 waren durch den wachsenden Gegensatz zwischen Deutschen und Slowenen gekennzeichnet, wobei auf beiden Seiten Geistliche in nationale Führungspositionen aufstiegen. Auch die Bischöfe Valentin Wiery (1858-1880), Peter Funder (1881-1886), Josef Kahn (1887-1910) und Balthasar Kaltner (1910-1914) wurden, obwohl sie sich um Vermittlung bemühten, in diese Auseinandersetzungen hineingezogen, die durch die zunehmende Aggressivität der Liberalen zusätzlich belastet wurden. Trotz intensiver Bemühungen von Wiery und Kahn blieb die kirchliche Aktivität in Kärnten daher schwächer als in den anderen österreichischen Bistümern. Adam Hefter (1915-1939), der letzte vom Kaiser nominierte Bischof, veranstaltete 1923 und 1933 Diözesansynoden und bemühte sich um eine Modernisierung der Seelsorge. Angesichts der nationalen Spannungen hielt er sich gegenüber dem Nationalsozialismus zurück. Er begrüßte 1938 den Anschluß, resignierte aber 1939, da er sich der neuen Lage nicht gewachsen fühlte. Da unter den damaligen politischen Umständen keine Neubesetzung des Bistums möglich war, leitete Weihbischof Andreas Rohracher, der 1943 als Erzbischof nach Salzburg ging, das Bistum 1939-1945 als Kapitularvikar.
Bischof Josef Köstner (1945-1981) veranstaltete 1958 und 1971/72 Diözesansynoden, bemühte sich um eine seelsorgliche Erneuerung und mußte sich mit den Auswirkungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Nationalitätenproblematik befassen. Das Wirken von Bischof Egon Kapellari (1982 - 2001) war von starken pastoralen, sozialen und kulturellen Impulsen getragen (u.a. Hemma-Jubiläum 1987 - 1989, Kunst der Begegnung. Kärnten 2000). Neben den pastoralen Initiativen liegt ein wesentlicher Schwerpunkt kirchlicher Aktivitäten in der Arbeit der Caritas, die unter der Devise, Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten, nicht nur regionale, sondern auch überregionale Hilfsprojekte durchführt. Seit 23. Juni 2001 leitet Bischof Dr. Alois Schwarz die Diözese Gurk, nach Salzburg die zweitälteste Diözese Österreichs. Sein Pontifikat stand im Zeichen einer massiven Förderung des Pilgerwesens. Auch die Kontakte zur Wirtschaft wurden intensiviert mit dem Schwerpunkt “Wirtschaftsethik” im Stift St. Georgen. Das Stift selbst wurde zu einem modernen 4-Sterne-Hotel aus- und umgebaut.
Dem immer drängender werdenden Problem des Priestermangels versuchte Schwarz durch Einladungen an Priester aus der Weltkirche zu begegnen. Standen am Anfang noch Priester aus Polen, so dehnte sich der Wirkungsgrad aus auf Indien und in weiterer Folge vermehrt auf Afrika. Ein besonderes Anliegen war Schwarz die Ökumene. Vor allem mit der verhältnismäßig großen evangelischen Kirche knüpfte er sehr enge Kontakte.
Papst Franziskus ernannte Alois Schwarz am 17. Mai 2018 zum Bischof von St. Pölten. Am 1. Juli 2018 wurde er in sein neues Amt eingeführt. In Kärnten wurde der bisherige Generalvikar Engelbert Guggenberger zum Diözesanadministrator ernannt.
Der Wechsel von Schwarz von Klagenfurt nach St. Pölten war von massiven Vorwürfen gegen seine Amts- und Lebensführung begleitet. Im Mittelpunkt stand seine Verwaltung des Bistums. Die vorgeschriebene jährliche Überprüfung durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer sei vier Jahre lang nicht erfolgt, und Bischof Schwarz habe die diesbezüglichen Kompetenzen des Kontrollrats gestrichen. Schwarz hatte an ihn gerichtete Vorwürfe stets zurückgewiesen, auf Kritik an seinem Führungsstil nahm er nicht Stellung. Das diesbezügliche strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Schwarz wurde eingestellt.
Am 3. Dezember 2019 ernannte Papst Franziskus den Kärntner Caritasdirektor Josef Marketz zum Bischof von Gurk. Die Weihe erfolgte am 2. Februar 2020 im Dom zu Klagenfurt. Kurz danach wurde das öffentliche Leben aufgrund der Corona-Pandemie faktisch eingestellt. Es durften keine öffentlichen Gottesdienste mehr gehalten werden. Dies verstärkte die digitale Kommunikation zu den Gläubigen. Messen aus der Bischöflichen Kapelle wurden live übertragen und viele Kärntner Kirchen begannen, ihre Gottesdienste zu “streamen”. Zu Ostern 2020 boten die Kirchenzeitungen in einer Aussendung an jeden Haushalt Möglichkeiten der Speisensegnung und der Osterfeiern in Form der Hauskirche.
Geprägt waren diese ersten Jahre des Pontifikates auch durch den Synodalen Prozess der Weltkirche, den Papst Franziskus initiierte. Schon davor berief Bischof Marketz eine Arbeitsgruppe ein, die einen Kirchenentwicklungsprozess für Kärnten plante. Die Umfragen zum Synodalen Prozess des Papstes brachten in Kärnten fast 5.000 Rückmeldungen, wie sich die Menschen die Kirche der Zukunft vorstellten. Diese Rückmeldungen bildeten die Basis für eine Grundorientierung, die nochmals an die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ging und weitere Rückmeldungen brachten. Auf dieser Basis wurden strategische pastorale Ziele erarbeitet.
Die Zeit der Sedisvakanz bracht Rekorde an Kirchenaustritten, deren Zahl auch danach nur sehr zögerlich abnahm. Daraus ergeben sich Herausforderungen für die Zukunft, die ebenfalls in den Kirchenentwicklungsprozess einfließen.
*) Ergänzungen zum Basistext von Peter G. Tropper durch Gerald Heschl im letzten Abschnitt