Weil in der Herberge kein Platz für sie war …
Hoffnung auf die Menschwerdung der Liebe – eine „Nach-Betrachtung“ zur Familiensynode
Kein Platz in der Herberge für die sogenannte „Heilige Familie“? Wie konnte das möglich sein? Wohl nicht deshalb, dass wir heute in unseren Wohnzimmern so herrlich idyllische Krippen aufstellen oder mit den Kindern basteln können.
„Wenn alles rechtens abgelaufen wäre, dann hätte es keine Menschwerdung des Gottessohns gegeben“, bemerkte einmal jemand sehr kritisch zur Berufung auf das Recht. Wäre Maria gesteinigt worden? Was wäre passiert?
Tatsache ist, dass ein junger Mann das „Recht“ nicht beachtet, aber seinen Träumen vertraut hat und er wird als „Heiliger“ verehrt, weil er die Liebe gelebt hat. Ist nicht die Art und Weise des Zustandekommens der Familiensynode, ihre Durchführung und ihre Beschlüsse auf das Vertrauen eines Menschen zurück zu führen, der der Liebe Raum geben möchte – ähnlich wie Josef vor 2000 Jahren?
Papst Franziskus hat wohl im Vertrauen auf Liebe und Barmherzigkeit den begründeten Verdacht, dass viele Menschen in sehr unterschiedlichen Familien-Situationen „Heilige“ sind, die der Liebe und dem Vertrauen Raum geben, auch wenn es von außen betrachtet nicht dem „Recht“ entspricht. Sie geben Herberge, wo normalerweise jeder Raum verwehrt bleiben muss, sie leben Akzeptanz dort, wo es vom Recht her nur Ablehnung gibt.
Die Familiensynode ist sozusagen ein „Update“ der Frohen Botschaft Jesu, der nicht zu richten in diese Welt gekommen ist, sondern um zu retten. Damit ist auch dem leidigen Thema von „Reform“ in der Kirche oder „mit der Zeit gehen“ der Boden entzogen, weil Barmherzigkeit allen Formen des Lebens gegenüber keine Zeit-Erscheinung, sondern die zentrale Botschaft Jesu ist. Das trifft auch ein Anliegen des Leitmotivs in unserer Diözese: „mit Jesus Christus den Menschen nahe sein“ – ich übersetze es im Blick auf die Familien so: „mit der menschgewordenen Liebe (Gottes) den Menschen begegnen“ – dort, wo sie ihr Leben gestalten, in den Familien und als Familien. Ja, ich glaube sogar, dass die Familien jener Ort sind, wo die Liebe Gottes leibhaftig „Fleisch wird“! So ist die Familie „Drehscheibe“ und „Angelpunkt“ der christlichen Botschaft: in ihr wird das bedingungslose Geliebt-Sein erfahrbar und auch vermittelt. Und auch wenn persönliches Scheitern die Lebenspläne durchkreuzt, ermöglicht die Familie Annahme, Vergebung und Heil – eine Form von „Auferstehung“ konkret.
Zu diesen Kern-Kompetenz-Bereichen des Christlichen hat unser Diözesanbischof ein Buch herausgegeben: „Jesus und seine Botschaft. Religion entdecken“. Hier werden zentrale Worte und Lebensstationen Jesu den einzelnen Vater-Unser-Bitten zugeordnet – mit wunderbaren szenischen Darstellungen. Dazu gibt es auch ein Arbeitsheft für Kinder und kreative Spiele, aber auch das Familienheft „mit Kindern von Jesus lernen“ – einige Anregungen, die Botschaft Jesu als Familie zu bedenken und im Alltag zu leben.
Es freut mich sehr, dass wir dadurch in unserem Land den Schwerpunkt christlichen Lebens in den Familien wertschätzen und aufzeigen, dass Gesellschaft und Kirche nur dann gut gedeihen, wenn im konkreten Alltag die Botschaft der Liebe Jesu gelebt wird.
Genau deshalb deute ich das gemeinsame Arbeiten bei der Familiensynode als „christlich“, nämlich mit Respekt, Achtung und gegenseitiger Annahme. Papst Franziskus sagte in einer abschließenden Ansprache für alle Teilnehmenden: „Und – obwohl die dogmatischen Fragen durch das Lehramt der Kirche klar definiert schienen – sahen wir, dass das, was dem einen Bischof von einem Kontinent normal war, den anderen befremdete, und fast wie ein Skandal vorkam, wenn ein Bischof von einem anderen Kontinent entstammte; was in einer Gesellschaft als ein Verstoß gegen das Gesetz gilt, kann ein unantastbares Gebot in einem anderen sein; was für manche Teil der Gewissensfreiheit ist, gilt anderen nur als Verwirrung. In der Tat sind Kulturen sehr unterschiedlich und jedes generelle Prinzip bedarf der Inkulturation, um beachtet und angewendet werden zu können.“
Und noch intensiver als „familiären Umgang“ miteinander und Handeln im Sinne der Liebe Jesu könnten folgende Worte des Papstes gedeutet werden (aus der Abschlussansprache):
„Die Synode lehrte uns auch, dass die wahren Verteidiger der Lehre nicht diejenigen sind, die den Buchstaben, sondern den Geist derselben verteidigen; nicht Ideen, sondern den Menschen; nicht die Formel, sondern die Freigebigkeit der Liebe Gottes und seiner Vergebung. Das heißt aber umgekehrt nicht die Bedeutung der Formeln, der Gesetze und der göttlichen Gebote zu verringern, sondern die Größe des wahren Gottes herauszustellen, der uns nicht nach unseren Verdiensten und nicht nach unseren Werken behandelt, sondern einzig nach dem Maß der unbegrenzten Großzügigkeit seiner barmherzigen Liebe.“
Ich danke allen Familien, dass sie gerade durch dieses Leben der Barmherzigkeit die Menschwerdung Gottes erfahrbar machen – die „Inkarnation der Liebe“ in unserer Welt, Gesellschaft und Kirche!
Autor: Mag. Michael Kopp, Familienseelsorger der Diözese Gurk