Barmherzigkeit ist gefragt ...
Die Familiensynode zeigt die ganze Vielfalt der Katholischen Kirche
Es mag ein Zufall sein, dass mit der Familiensynode und dem in Kürze beginnenden „Jahr der Barmherzigkeit“ zwei Großereignisse in der katholischen Kirche fast unmittelbar aufeinanderfolgen. Blickt man aber genauer hin, steckt ein tieferer Sinn dahinter: Die Synode hat genau das gebracht, was in der globalen Vielfalt der Kirche momentan möglich ist. Sie bringt die Kirche wieder näher zu den Menschen, ohne dass am Papst als Einheit dieser Kirche auch nur annähernd gezweifelt werden kann. Und Papst Franziskus nützt seine päpstliche Autorität auch, freilich anders als seine Vorgänger.
Es waren keine revolutionären Beschlüsse zu erwarten und sie sind auch ausgeblieben. Aber die Bischöfe in aller Welt haben eine größere Freiheit bekommen und gleichzeitig auch eine größere Verantwortung. Sie sind dazu aufgerufen, den Begriff der Barmherzigkeit in unsere moderne Zeit zu übersetzen und auch danach zu handeln. Geschieden-Wiederverheiratete, Unverheiratete und Homosexuelle sind thematisiert worden, wenngleich mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen.
Wertschätzung und Respekt hat man aber niemanden angesprochen und das wäre im Sinne der Barmherzigkeit auch vollkommen unmöglich gewesen. Auch von „Randgruppen“ wird man in Zukunft nicht mehr sprechen können und das ist ein großes Verdienst dieses Papstes.
Unter dem großen Dach des katholischen Glaubens leben viele Menschen mit sehr unterschiedlichen Einstellungen. Christliche Familienpastoral wird immer das Gelingen von Familie im Fokus haben und sich mit ganzen Kräften dafür einsetzen, Eltern zu stärken und Kinder zu schützen. Will sie aber bei den Menschen sein, wird sie diese in keiner Lebenslage fallen lassen oder sich von ihnen abwenden. Sie wird nicht bewerten, aber auch keinen „Tunnelblick“ anwenden, der diejenigen verletzt, die nicht in die „Norm“ passen.
Die Synode hat die Familie völlig zu Recht wieder in den Mittelpunkt gerückt. Ihre Ideale sind seit langem bekannt und vielfach bewährt, sie sind auch nicht in Frage gestellt. Pastorale Konzepte dazu gibt es aber noch nicht. Immer wieder findet man im Synodentext die Begriffe Begleiten, Unterscheiden und Integrieren. Sie beschreiben im Wesentlichen auch Inhalt und Ziel der Familienpastoral. Jeder Mensch hat das Bedürfnis, geliebt und wertgeschätzt zu werden. Indem man dies beachtet, kann auch Familie und Seelsorge gelingen.
Es braucht also in Zukunft viel mehr Familienbegleitung, aber es braucht auch den Blick auf jene Menschen, die nicht das Glück haben, in einer „idealen“ Familie (auch dies ein in der Familienpastoral noch genauer zu definierender Begriff) zu leben oder die einen Neuanfang wagen. Sie sind keine Randgruppen, sondern spüren die Intensität des Lebens oft in ganz besonderer Weise. Es wird sich zeigen, wie die Kirche damit umgeht, gerade im bevorstehenden „Jahr der Barmherzigkeit“.
Mag. Wolfgang Unterlercher
Diözesanreferent des Katholischen Familienwerks Kärnten