Zwischen Hoffen und Wagen

Die Situation der Ordensgemeinschaften in Kärnten im „Jahr der Orden“

von Bischofsvikar P. Antonio Sagardoy OCD

Papst Franziskus hat für 2015 das „Jahr der Orden“ ausgerufen. Dieses Jahr will die Bedeutung des Ordenslebens für die Kirche und die Gesellschaft unterstreichen, die charismatische Sendung des Ordenslebens in Erinnerung rufen und dazu ermutigen, den Platz des Ordenslebens innerhalb der Kirche neu zu suchen. Sinn des Ordenslebens ist es nicht, pastorale Löcher in den Diözesen zu stopfen, sondern vielmehr eine prophetische und mystische Ergänzung, Korrektur und Bereicherung für die Kirche und die Gesellschaft zu sein. Ein Blick zurück lässt uns erkennen, dass Kärnten über Jahrhunderte Heimat von Stiften, Klöstern und Spitälern gewesen ist, die in ihrer Zeit kulturell, karitativ und geistlich große Ausstrahlung hatten. Viele dieser Klöster und Stifte sind bereits entfernte Vergangenheit. Geblieben sind oft nur Kirchen oder Gebäude, die uns an jene Zeit erinnern.

Die VertreterInnen der Ordensgemeinschaften in Kärnten: v.l.n.r. P. Prior Siegfried Stattmann OSB, Bischofsvikar P. Antonio Sagardoy OCD, P. Irenäus Tocydlowski und Sr. Pallotti Findenig CPS (© Foto: Pressestelle/Eggenberger)
Die VertreterInnen der Ordensgemeinschaften in Kärnten: v.l.n.r. P. Prior Siegfried Stattmann OSB, Bischofsvikar P. Antonio Sagardoy OCD, P. Irenäus Tocydlowski und Sr. Pallotti Findenig CPS (© Foto: Pressestelle/Eggenberger)

Spuren der Vergangenheit

Eine nicht so entfernte Vergangenheit lässt uns an Gemeinschaften denken, die Schritt für Schritt kleiner werden und in Vergessenheit geraten. Viele Jahrzehnte haben wir in der Gesellschaft und in der Kirche auf Werke hingewiesen, die von Ordensgemeinschaften ins Leben gerufen und getragen wurden. Wenn von Schulen, Krankenhäusern oder Altersheimen die Rede war, konnten wir immer wieder auf hohem Niveau mitreden. Wenn wir mit problematischen Fällen konfrontiert waren, wussten wir immer einen Ausweg, denn die Ordensgemeinschaften hatten offene Türen für uns. Das Versicherungswesen war damals nicht so gut organisiert wie in unseren Tagen, die Pflege und Betreuung von alten Menschen war erst im Entstehen. Für unsere Priester aber, ob sie senil, schwermütig oder hilfsbedürftig geworden waren, fanden wir immer einen entsprechenden Platz bei den Ordensgemeinschaften, vor allem bei den Schwestern. Es war einfach so… damals. In der Zwischenzeit ist auf sozialer Ebene viel geschehen. Allerdings sind mittlerweile auch viele Ordenspersonen alt und schwach geworden. Sie können ihre Dienste nicht mehr verrichten. Ich glaube, dass es wichtig ist, Erfahrungen und Spuren der Vergangenheit im Gedächtnis zu behalten.

Konzentration auf das Wesentliche

Das Ordensleben macht eine harte Phase durch: Neue Berufungen sind rar geworden und können jene Mitglieder zahlenmäßig nicht ersetzen, die alt oder krank geworden sind. Ordensprovinzen werden zusammengelegt und Ordenswerke verantwortungsvollen Mitarbeitern anvertraut, in der Hoffnung, die jeweilige charismatische Sendung fortsetzen zu können. Das Ordensleben rückt immer mehr in den Hintergrund. Ich denke dabei an die Situation in Österreich und vor allem bei uns in Kärnten. Wer erinnert sich heute noch an jene selbstlose Dienste, die Ordensgemeinschaften in der Vergangenheit übernommen haben? Man hört Jammern, weil die eine oder andere Ordensgemeinschaft aufgelassen wird. Die heutige Situation zeigt uns ein zweifaches Bild: Manche Ordensgemeinschaften glauben heute, übersehen zu werden, weil sie keine Aufgaben mehr übernehmen können. Einige Ordenspersonen verlieren im Alter die Freude, weil sie den Eindruck gewinnen, nur in ihrer aktiven Zeit wichtig und interessant für die Kirche oder die eigene Gemeinschaft gewesen zu sein. Auf der anderen Seite entdecken wir ältere Ordensmitglieder, die nach 50, 60 und 70 Jahren des Ordenslebens immer noch eine Freude ausstrahlen, die ansteckend und ermutigend ist. Das Heute zwingt das Ordensleben, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich zu fragen: Machen wir die Lebensform Jesu sichtbar? Hoffentlich sind wir Ordenspersonen ein Geschenk für die Kirche – sowohl wenn wir schweigen, als auch wenn wir die Stimme gegen Missstände erheben!

Neue Wege der Nachfolge

Ohne als Prophet auftreten zu wollen, glaube ich, dass das Ordensleben aus der persönlichen Verbindung mit Jesus eine alternative Lebensform sichtbar machen muss. Die prophetische Sendung des Ordenslebens wird alternative Lebensformen zum Blühen bringen. Diese alternative Lebensformen werden die Antwort sein auf einseitige und krankmachende Akzente in unserer Gesellschaft und in unserer Kirche. Es gilt, religiöse Werte, einfaches Leben, Lebensqualität, Würde des Menschen, Solidarität und Zusammenleben glaubwürdig sichtbar zu machen. Werke, die wir in der Vergangenheit aufgebaut haben, werden an Bedeutung verlieren und zum Teil vergehen. Dafür wird von uns eine anziehende spirituelle Kraft erwartet. Unsere Häuser werden immer mehr zu religiöser Heimat werden, in denen die Menschen den Glauben, die persönliche Beziehung zu Gott, die Zusammengehörigkeit in Christus, das Angenommen-Sein von Gott erfahren und pflegen.
Der Geist Gottes wird uns weiterhin überraschen und Wege der Nachfolge entstehen lassen, die unsere Vorstellungen übersteigen. Ich denke etwa an Formen der Nachfolge für Menschen, die verwitwet oder geschieden sind, ich denke aber auch an Formen der Nachfolge auf Zeit. Vielleicht sagt uns der Geist eines Tages, dass wir uns zu sehr um unsere Form der Nachfolge kümmern und zu wenig um die Nachfolge Jesu. Gott, der Herr, wird morgen, genauso wie gestern und heute, Menschen rufen, Ihm nachzufolgen. Nur die Formen werden sich ändern, um dem sich verändernden Leben eine adäquate Antwort zu geben.

Zuversicht durch glaubwürdiges Ordensleben

Das „Jahr der Orden“ wird in Kärnten Fragen aufwerfen und Hoffnungen wecken. Die Ordensgemeinschaften werden sich darum bemühen, präsent zu sein in der Öffentlichkeit, um auf ihre Lebensform aufmerksam zu machen. Die Vitalität des Ordenslebens muss wieder verstärkt sichtbar werden. Die Ordenspersonen sind aufgefordert, im Alltag zu zeigen, dass der Lebensentwurf, den sie gewählt haben, eine sinnvolle Alternative ist zur leermachenden Entwicklung unserer Gesellschaft. Ein glaubwürdiges Ordensleben kann viel Zuversicht schenken. Auch die Menschen in Kärnten werden sich fragen müssen, welchen Wert Ordensgemeinschaften für sie besitzen. Noch wesentlicher ist für mich die Frage: Ist unser Land, unsere Diözese anziehend genug, damit neue Ordensgemeinschaften sich bei uns ansiedeln? Ich wünsche, dass dieses „Jahr der Orden“ an uns nicht vorübergeht, ohne dass wir uns mit diesen Fragen auseinandersetzen. Diese Antworten sind schließlich die Voraussetzung dafür, konkrete weitere Schritte zu setzen. |

Autor: P. Antonio Sagardoy OCD
Erstveröffentlichung in: "Beten - Atemholen der Seele", Jahrbuch der Diözese Gurk 2015, (Redaktion: Pressestelle der Diözese Gurk).

>> ORDENSGEMEINSCHAFTEN in Kärnten

>> Berichte zum JAHR DER ORDEN 2015