Fastentücher in Kärnten

Entwicklung und Deutung der Fasten- bzw. Hungertücher

Seit über 1000 Jahren ist es Tradition, die Kreuze und Altäre in der Fastenzeit vor Ostern mit Fastentüchern zu verhüllen.

Das Fastentuch von Deutsch-Griffen (© Foto: Monika Suntinger)
Das Fastentuch von Deutsch-Griffen (Foto: Monika Suntinger)

Erste Hinweise zu Fasten- oder auch Hungertücher stammen aus der Wende des ersten Jahrtausends. Angenommen wird, dass es sich dabei um schmucklose, einfärbige Tücher gehandelt hat. In den Darstellungen der Romanik war der Gekreuzigte keineswegs die leidende Kreatur am Kreuz. Vielmehr war es ein triumphierender Christus mit Königskrone. Da in der Passionszeit des Leidens und Sterbens Jesu gedachte wurde, kam langsam der Gedanke auf, die leidende Natur Christi in den Vordergrund zu stellen. Daher wurden die romanischen „Triumphkreuze“ bald mit „Passionsvela“ verhängt. Das Verhängen der Kreuze in der Fastenzeit mit einfachen, violetten Tüchern ist heute noch in vielen Kirchen üblich und ein gewohntes Bild.

Eine weitere Deutung der Fastentücher hängt mit der mittelalterlichen Bußpraxis zusammen. Es war seit altkirchlicher Zeit üblich, Büßer für eine bestimmte Zeit von der Feier der Eucharistie auszuschließen. Aus dieser Praxis heraus entwickelte sich ein Verständnis, demzufolge sich in der Passionszeit die gesamte Gottesdienstgemeinde in den Status der Büßer versetzte und sich freiwillig vom Altargeschehen ausschloss. Dazu wurden meist im Chorbogen zwischen Altarraum und der Gemeinde Tücher als Trennelemente aufgezogen.
Gängig war im Mittelalter die Bezeichnung der Fastentücher als „velum templi“ in Anlehnung an den Vorhang des Tempels in Jerusalem. Bis ins 15. Jahrhundert hingen viele Fastentücher nicht starr und unverrückbar. Zu bestimmten liturgischen Vollzügen wurden sie vorhangähnlich auseinander- oder aufgezogen. Die vertikale Teilung des Gurker Fastentuchs in Altes und Neues Testament lässt noch das vorhangähnliche Auseinanderziehen erahnen.
Die Abnahme erfolgte häufig am Mittwoch der Karwoche. Während man die Stelle des Evangeliums „… und der Vorhang des Tempels riss entzwei“ las, wurde mit lautem Getöse und Geklapper das Fastentuch herabgelassen, um die Weltuntergangsstimmung zu verdeutlichen.

Die anfangs schmucklosen, verhüllenden Tücher wurden im Laufe der Zeit künstlerisch gestaltet. Im Alpenraum wurden dazu Darstellungen auf Leinwand gemalt, eine Technik, die sich in Westfalen nicht findet. Dort herrschte die Technik des Bestickens vor.

Armenbibeln, Bildkatechesen, Kunstwerke - Kärntner Fastentücher als Glaubens- und Kulturzeugnisse (© Foto: Monika Suntinger / Detail aus dem Latschacher Fastentuch von Valentin Oman)
Armenbibeln, Bildkatechesen, Kunstwerke - Kärntner Fastentücher als Glaubens- und Kulturzeugnisse (© Foto: Monika Suntinger / Detail aus dem Latschacher Fastentuch von Valentin Oman)

Die Kärntner Fastentücher

Die ältesten neun Kärntner Fastentücher stammen aus der Zeit von 1458 – 1629:
Gurk, Haimburg, Reichenfels, Steuerberg, Baldramsdorf, Maria Bichl, Millstatt, Sternberg, St. Stefan am Krappfeld.

Das Gurker Fastentuch nimmt dabei aufgrund seiner Größe (8,87 mal 8,87 Meter), seines Alters (1458) und Szenenreichtums im alpenländischen Raum den ersten Rang ein.

Zu weiteren sehenswerten Fastentüchern zählen neben den oben genannten die Fastentücher von:
Kraßnitz, Straßburg - St. Stephan, Straßburg - St. Nikolaus, St. Peter bei Taggenbrunn, Metnitz, Lieding, Deutsch-Griffen, Pisweg und Dreifaltigkeit am Gray

Als eine weitere Besonderheit der Kärntner Fastentücher sollte der sogenannte „Zentraltyp“ erwähnt werden. Bei diesem sind um die Kreuzigungsdarstellung Szenen aus der Passion in Form von Medaillons gruppiert. Diese Art der Darstellung findet sich ausschließlich in Kärnten. Das älteste Tuch dieses Typs befindet sich in St. Stefan am Krappfeld und stammt aus dem Jahre 1612.

Dass viele Fastentücher jahrzehntelang verschollen waren und erst in den letzten Jahren wieder neu aufgefunden wurden, macht das Thema nicht nur für Historiker spannend. In Pisweg wurden zum Beispiel zwei Fastentücher im Jahr 2001 am Dachboden der Kirche entdeckt, die aus der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts stammen. Nach umfassender Restaurierung werden sie nun wieder aufgezogen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Fastentücher haben in Kärnten aber nicht nur historische Tradition, sondern in den vergangenen Jahrzehnten wurden in Anlehnung an die ehrwürdigen Vorbilder neue geschaffen. Erwähnenswert unter den „jüngeren“ Fastentüchern sind jene von Karl Bauer in Klagenfurt St. Peter (1983), von Peter Brandstätter in Maria Bichl/Lendorf (2000) und jenes von Villach-Heiligenkreuz (1994/95). Karl Wolschner schuf 1990-94 ein Fastentuch in Seidenbatik-Technik, welches nun in Maria Saal zu sehen ist. Mit 35 m² ist es das größte Tuch in dieser Technik.
2006 schuf Valentin Oman ein Fastentuch für die Pfarrkirche Latschach am Faakersee. Das Straßburger Fastentuch stammt von Ferdinand Penker. Es ist 2009 entstanden und in der Stadtpfarrkirche von Straßburg im Gurktal zu sehen.

Im Zuge dieses verstärkten Interesses und der damit verbundenen Wertschätzung wurden in den letzten Jahren knapp 300 Fastentücher in Kärnten gesichtet und erfasst. Wenn auch nicht alle die gleiche hohe künstlerische Qualität aufweisen und/oder sich im besten Zustand befinden, so sind sie dennoch als wertvolle Zeugnisse der Volksfrömmigkeit anzusehen. Sie zeigen bedeutsame Entwicklungslinien der Kirchen- und Kunstgeschichte, aber auch der Feier der Gottesdienste auf und sind ein geradezu einzigartiger Schatz unseres Landes.

>> Detailinformationen zu den Kärntner Fastentüchern
>> 2. Auflage der Publikation „Fastentücher in Kärnten"

Literaturhinweis:
Sörries Reiner, Die alpenländischen Fastentücher, Klagenfurt 1988, Habilitationsschrift, leider vergriffen


Info & Kontakt:

Referat für Tourismusseelsorge
Mag. Roland Stadler
M: +43 (0)676 8772–2117
E: roland.stadler@kath-kirche-kaernten.at