Was Kärntnerinnen und Kärntnern heilig ist
von Generalvikar Dr. Engelbert Guggenberger Brauchtum in Kärnten im Spannungsfeld zwischen Event und Ausdruck von religiösem Inhalt
Kärnten besitzt ein vielfältiges, religiöses Brauchtum. Dieses kleidet den kirchlichen Jahreskreis in ein buntes Gewand, in welchem sich religiöse Einstellung,Werthaltung und Geschichte der kirchlichen Gemeinschaft widerspiegeln. Bekannt ist vor allem der Vierbergelauf.Aber auch das Sternsingen in Heiligenblut, das Kirchleintragen in Eisenkappel, das Striezelwerfen in Stein oder derMetnitzer Totentanz sind Kärntner Spezifika.
Wir stehen heute oft etwas ratlos vor diesen Traditionen. Sie erscheinen uns wieeine Tracht aus vergangener Zeit, von der wir nicht recht wissen, ob sie noch zu uns passt. Einerseits sind wir
auf unser einzigartiges Brauchtum stolz, weil sich in ihm unsere bescheidene Örtlichkeit von der sprachlosen Uniformität der modernen Einheitsgesellschaft
wohltuend abhebt. Auf der anderen Seite wissen wir aber nicht recht, wie wir unser uraltes Brauchtum mit dem neuzeitlichen Bewusstsein von aufgeklärter Religiosität in Einklang bringen sollen.
Große Brauchtumsvielfalt in der katholischen Tradition.
Intellektuelle Stimmen der Siebziger Jahre haben uns gelehrt, religiöse Gebräuche als entbehrlich anzusehen und sie des Aberglaubens zu verdächtigen. Dabei hätte uns ein Blick auf die moderne Kunst und ihre Entdeckung der Ausdruckshandlung nachdenklich machen müssen. Um eine Botschaft zu verinnerlichen, haben Künstler schon längst begonnen, die traditionellen Mittel von Farbe und Form durch den Aktionsrahmen der Handlung zu erweitern.
Könnten wir nicht auch das religiöse Brauchtum als existentielle Ausdruckshandlung begreifen, insofern sich darin der Mensch der religiösen Wahrheit auf dem Weg der Handlung nähert? Das würde auch erklären, warum gerade die katholische Konfession zu einer so großen Brauchtumsvielfalt gefunden hat. Der mediterrane Mensch, der hinter der katholischen Interpretation des Christlichen steht, neigt bei der Aneignung der Wahrheit in seinem Wesen dazu, ein Begreifen im umfassenden Sinne zu suchen – gegen eine einseitige Intellektualisierung. So findet er Riten, die man in Anlehnung an Hugo Rahner als „heiliges Spiel“ bezeichnen könnte.
Weltliches und „heiliges“Spiel.
Dass diese Art der Glaubensvermittlungsehr erfolgreich sein kann, zeigt unser Bezug zum Osterfest, der nicht zuletztdeswegen emotional so positiv besetzt ist, weil unsere Eltern mit uns Kindern ein reichhaltiges, österliches Brauchtum bis hin zum Suchen des Osternestes gepflogen haben. Was nach außen hin oft recht weltlich aussieht, ist tief innen „heiliges Spiel“.Wenn die Kinder beispielsweise angewiesen werden, die gefärbten Eier zu suchen, dann schlüpfen sie im Spiel unbewusst in die Rolle der Jünger, die den Auferstandenen suchen. Und wie die Jünger ans Ziel ihrer Suche kamen, als sie den Herrn fanden, so haben auch die Kinder das Spiel gewonnen,wenn sie das Auferstehungssymbol im Osternestchen gefunden haben. Später,wenn sie als Erwachsene den österlichen Glaubensinhalt auch intellektuell reflektieren, werden sie verstehen, dass unsere Lebensaufgabe darin besteht, Jesus zu finden, und dass die Suche nach dem Auferstandenen im Ostern unserer Kindheit seinen ersten Anfang genommen hat.
Originalbeitrag für das Jahrbuch der Diözese Gurk 2009|