Pilgerstab und Totenschädel

Heilige und ihre Symbole

von Mag. Dr. Rosemarie Schiestl

Darstellungen der Hl. Barbara (St. Veiter Schule um 1510) und des Hl. Nikolaus (um 1790)  (© Foto: Prof. Heinz Ellersdorfer)
Darstellungen der Hl. Barbara (St. Veiter Schule um 1510) und des Hl. Nikolaus (um 1790) (© Foto: Prof. Heinz Ellersdorfer)

Die seit dem frühen Christentum bis heute zugewiesene Rolle als Vorbilder, Fürsprecher und Reformer lassen Heilige und Märtyrer vor dem mentalen wie dem physischen Auge einer gläubigen Person oder dem gläubigen Volk gegenwärtig sein. Heilige und ihre Symbole zählen zu einem wesentlichen Bestandteil des christ­lichen Bilderkanons. Heiligendarstellungen begegnen uns in der christlichen Kunst in unterschiedlichsten Gattungen gemäß dem Stil und der Formensprache der jeweiligen kunsthistorischen Epoche. Den Figuren sind ein oder mehrere Zeichen (Symbole und Attribute) beigefügt, die mit dem Leben, Wirken oder Martyrium der jeweili­gen Personen in Zusammenhang stehen, und anhand derer ikonographische Zu-schreibungen getätigt werden können. Ein Symbol (griech. „σύμβολον“ – Zeichen) ist ein Sinnbild, das auf einen abstrakten Inhalt hinweist. Symbolträger können so-wohl Farben als auch geometrische Zei­chen, Tiere oder Pflanzen sein. Ein Attribut (lat. „attribuere“ – zuteilen, zuschreiben) ist ein konkretes Objekt, das einer Person oder Personifikation beigegeben ist und diese im Speziellen kennzeichnet.

Allgemeine und spezielle Attribute. Die Ikonographie der Heiligen, ihrer Symbole und Attribute geht primär auf christliche Quellen, ferner auf den vor­christlichen antiken Mythos, das christlich geprägte Schrifttum der Antike sowie Erzählungen aus dem Altertum zurück. Neben der Heiligen Schrift einschließlich der Apokryphen sind es vornehmlich die hagiographischen Schriften, in denen das Leben der Heiligen zur Darstellung kam. Hierzu zählen die Märtyrerakten, Heiligen­viten, Mirakelbücher, Legendarien, die Legenda aurea des Jacobus de Voragine (13. Jh.), der Physiologus (griech. 2. Jh., lat. 5. Jh.) und die Acta Sanctorum. Weitere Grundlagen stellen die geistige Erbauungs­literatur, das exegetische Schrifttum, die Dichtung, die Predigtliteratur sowie der kirchliche Hymnus dar. Es wird zwischen allgemeinen Attribu­ten und Attributen einzelner Heiliger diffe­renziert. Zu den allgemeinen Attributen zählt einmal vorrangig der Heiligenschein, Nimbus genannt. Dieser ist explizit vom göttlichen Geist erfüllten Bekennern des Glaubens zugewiesen und tritt als heller Lichterschein rund um das Haupt oder den ganzen Körper in Erscheinung. Als Unterarten gelten die mandelförmige Mandorla und die kreisförmige Aureole. Das Buch und die Schriftrolle stehen für Frömmig­keit, symbolisieren das Evangeliar oder das Evangelium und stehen für die theologisch bedingte Regel an sich. Auf den klerikalen Stand bzw. auf ein klerikales Amt weisen der Kelch (Priester), die Mitra (Bischof) und die Tiara (Papst) hin. Weitere allgemeine Attribute sind das Kirchenmodell (Stifter), die Krone (jung­fräuliche Märtyrerinnen), die Märtyrer­palme, der Pilgerhut und der Pilgerstab, das Schwert (Märtyrertod durch Enthauptung) und der Totenschädel (Askese), um eine knappe Auswahl zu nennen.

Die Evangelisten und ihre Beziehun­gen zu den Lebewesen. Für die schier große Anzahl an Attributen einzelner Heili­ger sei beispielgebend näher auf die der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes eingegangen. Die Benennung bzw. Festlegung der Vierzahl der Evange­listen der kanonischen Schriften sowie die Herausarbeitung ihrer Beziehung zu den vier Lebewesen in der Ezechielvision (Ez 1,1–28) und der Apokalypse (Offb 4,1–11) erfolgten in der zweiten Hälfte des 2. Jahr­hunderts, wobei sowohl die definitive Zuweisung der einzelnen Wesen als auch die Reihenfolge anfänglich schwankte. Ihre persönliche Anteilnahme und Zeugenschaft am Leben und Wirken Jesu Christi sowie ihre Rolle als Autoren der kanonischen Evangelien verliehen ihnen ikonographi­sche Relevanz innerhalb der darstellenden Kunst. Ab dem 4. und 5. Jahrhundert schei­nen die vier Evangelisten vorrangig in Apo­stelzyklen, in Szenen des Neuen Testa­ments oder als Verfasser ihrer Schriften auf. Die vier Evangelistensymbole Mensch/ Engel (Matthäus), Löwe (Markus), Stier (Lukas) und Adler (Johannes) zählen zu theologischen Bildprogrammen, die im Mit­telalter weit verbreitet waren.

Variantenreichtum in der Darstellung. Das Bild der Evangelisten selbst ist anfangs zur Gänze der Tradition des antiken Auto­ren-, Redner-und Philosophenbildes ver­haftet. Erst um die Mitte des 9. Jahrhunderts kommt es zu einer Herausbildung einzelner charakteristischer Merkmale. In der byzan­tinischen Kunst treten Matthäus und Johan­nes generell als alte, einen langen weißen Bart tragende Männer, Markus und Lukas hingegen als Jünglinge auf. Die westliche Kunst neigt dazu, alle vier Gestalten jugend­lich ohne Bart, nur Johannes mit Bart, oder alternierend jung und alt wiederzugeben. Ein immer wiederkehrendes Motiv ist der an einem Schreibpult oder Tisch mit Schreibgegenständen sitzende Evangelist in Frontal-, Halbprofil-oder Profilansicht. Hierbei ist der Variantenreichtum durch­aus vielfältig: Er kann das Buch, die Rolle, vereinzelt auch das Federmesser in den Händen haltend, mit aufgeschlagenem Buch und seine Rechte zum Redegestus erhoben, das Buch auf einem Pult fassend, darin schreibend, seine Feder in Tinte tauchend, lesend oder gar in Meditation verharrend dargestellt sein.

Heilige als Leitbilder. Kunsthistorisch bemerkenswerte Beispiele von Evangelis­tendarstellungen in Kärnten sind beispiels­weise in der Westempore des Gurker Domes erhalten. Als Teil der um 1260 datierbaren malerischen Gesamtausstattung befinden sie sich in den Zwickeln des östlichen Gewölbes, wobei jedoch heute nur noch die beiden Evangelisten an der Südseite visuell ausgemacht werden können. Mit einem Nimbus über dem Haupt sind sie vor einem Schreibpult sitzend wiedergegeben, auf dem ein aufgeschlagenes Buch liegt. Der Evangelist im südöstlichen Zwickel hält die rechte Hand zum Segensgestus erhoben, der Evangelist im südwestlichen Zwickel präpariert mit einem vorne spitz zulaufen­den Gegenstand seine Schreibfeder. In einer Welt, die vielfach gekennzeichnet ist von der Suche nach dem Sinn des Lebens, von Orientierungslosigkeit oder Mangel an Vorbildern, stellen männliche und weibliche Heilige unverzichtbare Leitbilder dar. Die darstellende Kunst mit ihren unterschiedlichen Kunstgattungen und Kunststilen bietet seit dem frühen Christentum bis heute Raum dafür, sich mittels visueller Betrachtung von Heiligen­darstellungen an Menschen zu orientieren, die mit den Härten und Widersprüchen des Lebens fertig geworden sind, stand-haft und tatkräftig ihre Glaubensüberzeugung lebten und dadurch Unvorstellbares leisteten. |

Erstveröffentlichung in: "Heilige - Vorbilder, Fürsprecher und Reformer", Jahrbuch der Diözese Gurk 2018, (Redaktion: Pressestelle der Diözese Gurk).