Heilige Hemma von Gurk
Gestorben vor beinahe 1000 Jahren, doch immer noch lebendig!
Eine Kurzbiografie der beliebten Heiligen von Dr. Christine Tropper
Wirklichkeit und Legende
Der Überlieferung nach starb die heilige Hemma von Gurk im Jahr 1045. Das Datum ist nicht gesichert. An die tausend Jahre trennen uns von Leben und Wirken Hemmas von Gurk. Wenig wissen wir von ihr, zu eng verwoben sind Wirklichkeit und Legende in der Überlieferungs-geschichte, als daß wir beides immer säuberlich trennen könnten. Trotzdem ergibt sich aus den nicht gerade reichlichen Quellen das Bild einer bewunderungswürdigen Frau, die in vielen Bereichen menschlichen Lebens auch heute noch Vorbild sein kann.
Hemma war eine der reichsten und mächtigsten Frauen im Kärnten ihrer Zeit. Sie war mit Kaiser Heinrich II. verwandt und mit dem Grafen Wilhelm von Friesach und an der Sann verheiratet. Von ihren Ahnen - Angehörige des alten slawischen Adels finden sich ebenso wie Vertreter von zugewanderten bayerischen Geschlechtern und der fränkischen Reichsaristokratie unter ihren Vorfahren - erbte sie reiche Besitzungen: in Kärnten das Gurk- und Metnitztal, den Ort Zeltschach, Güter und Burgen im Trixnertal, im heutigen Slowenien ausgedehntes Land an der Save um Brestanica (Reichenburg) und im Gurkfeld.
Mit vielen Frauen ihrer Zeit teilte sie das bittere Schicksal des Verlustes ihrer Kinder in jungen Jahren und der frühen Witwenschaft: Wohl im Jahr 1036 wurde ihr Mann, der dem Kaiser treu geblieben war, vom aufständischen und mittlerweile abgesetzten Kärntner Herzog Adalbero von Eppenstein ermordet. Der Tod Wilhelms bei der Rückkehr von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land gehört ebenso ins Reich der Legende wie die Ermordung der Söhne durch aufständische Bergknappen. Da die Söhne Hemmas aber jedenfalls schon vor ihrem Gemahl verstorben waren, vereinigte Hemma nun das reiche Erbe zweier mächtiger Familien in ihrer Hand.
Hemma, die Klosterstifterin und ihr Erbe- die Diözese
Im Einvernehmen mit ihrer Verwandtschaft verwendete sie den Großteil dieses Erbes zur Stiftung zweier Klöster: Admont und Gurk. Die Gründung des Benediktiner-klosters in der Obersteiermark wurde erst Jahre nach ihrem Tod verwirklicht, die Vollendung des Frauenstiftes in Gurk konnte Hemma noch selbst erleben. Am 15. August des Jahres 1042 oder 1043 wurde die erste Kirche in Gurk der Gottesmutter geweiht. Wenige Jahre nach der Vollendung dieses Werkes ist Hemma verstorben und in ihrer Klosterkirche beigesetzt worden. Die politische Entwicklung gönnte dem Nonnenkloster in Gurk keinen langen Bestand. Erzbischof Gebhard von Salzburg hob es auf und errichtete an seiner Stelle das Bistum Gurk, dem der größte Teil des Besitzes des Hemma-Klosters als materielle Basis übertragen wurde. Zunächst schien - da Gebhard sich als alleiniger Stifter des Bistums Gurk hervortat - das Andenken an die Gräfin von Friesach in Vergessenheit zu geraten. Doch im Kampf um die Unabhängigkeit von Salzburg erinnerten sich Bischof und Domkapitel von Gurk bald an ihre eigentliche Stiferin Hemma. Im Jahr 1174 wurden ihre sterblichen Überreste aus der alten Klosterkirche feierlich in die eben fertiggestellte 100säulige Krypta des Gurker Domes übertragen und dort beigesetzt. Seither blieb sie als Stifterin von Gurk stets im Gedächtnis.
Hemma, die heilige Frau
Wenn auch die offizielle Heiligerklärung Hemmas durch Rom erst im Jahr 1938 erfolgte, so wurde sie doch schon durch Jahrhunderte vom gläubigen Volk als Heilige verehrt. Man erinnerte sich an Hemma als an eine großzügige Stifterin von Klöstern und Kirchen. In Kärnten ist - neben Gurk - die Gründung der Pfarrkrichen Glödnitz, Lieding, St. Radegund, Lorenzenberg, St. Lambert, St. Georgen am Weinberg und St. Margarethen bei Töllerberg direkt der Initiative Hemmas zu verdanken. Die Erinnerung an Hemma als an eine gerechte Herrin verdichtete sich in der Legende vom gerechten Lohn: Abends pflegte Hemma die beim Kirchenbau in Gurk beschäftigten Arbeiter selbst zu entlohnen. Als einmal einer von ihnen über die Gering-fügigkeit des Entgelts murrte, hieß Hemma ihn selbst in den Beutel greifen, um seinen Anteil zu be-stimmen; und siehe da, er vermochte nicht mehr herauszu-nehmen, als Hemma ihm immer gegeben hatte und als er ohnehin bekommen hätte. Vor allem aber blieb Hemma lebendig in der Erinnerung als fromme Frau, die angesichts schwerer Schicksalsschläge weder rebellierte noch verzweifelte, sondern alles Leidvolle, das ihr widerfuhr, als Ratschluß Gottes mit Blick auf die Gottesmutter Maria zum Positiven wenden konnte.
Diese und andere Erinnerungen führten schon bald Menschen aus Kärnten, aus der Steiermark und aus dem heutigen Slowenien, also aus den ehemaligen Wirkungsstätten Hemmas, nach Gurk zu ihrem Grab. Viele erlangten auf Fürbitte Hemmas Rat, Trost und Heilung. So wie diesen sollte auch uns nicht in erster Linie ein bestimmtes Jahr Anlaß für unser Gedenken sein, sondern der Todestag der heiligen Hemma. Seit Jahrhunderten wird er alljährlich am 27. Juni in Gurk festlich gefeiert. Hemmas Todestag wurde schriftlich festgehalten als ihr Geburtstag für das ewige Leben; heute wie vor fast tausend Jahren soll er die Lebenden zusammenführen im Gebet für die Verstorbene, im dankbaren Gedenken an ihre Leistungen, in der Möglichkeit das eigene Leben an einem Vorbild auszurichten.