Herzensbildung und Zeitreise
Project trip - Rumänien - Teil 2
Die mehrteilige Reihe "Project trip - Rumänien" berichtet über die Erfahrungen der siebenköpfigen Gruppe aus Kärnten, die mit den Franziskanern Projekte von "Franz hilf" besucht haben. Im zweiten Teil lernen wir die Franziskaner in Cluj und deren Projekte für Jugendliche kennen.
Der überraschende Regenguss gegen Ende der Stadtführung durch Cluj hat sich gelegt und wir kehren ins Franziskanerkloster zurück. P. Szabolcs begrüßt uns und wir werden zum Mittagessen eingeladen. Das selbst zubereitete Essen stärkt uns für den anstehenden Nachmittag.
P. Szabolcs erzählt uns, dass die Franziskaner während des kommunistischen Regimes weder den Habit tragen noch in der öffentlich aktiv wirken durften. Er selbst lernte den Orden als Jugendlicher kennen. Während seines Wirtschaftsstudiums sprach er mit einen der Franziskanerbrüder über seinen inneren Ruf. Der Pater fragte ihn, worauf er denn noch warte. Kurz darauf brach Szabolcs sein Studium ab, trat in den Orden ein und studierte Theologie. Diesen Schritt bereut der demütige Bruder und Priester bis heute nicht - trotz Herausforderungen, mit denen er konfrontiert war und wird.
Herzensbildung unter einem Dach
Die persönliche (Gottes-)Erfahrung von P. Szabolcs und der Umgang der Franziskaner mit den Jugendlichen, prägt ihn bis heute. Eines dieser Früchte ist das im Jahr 2013 eröffnete Kollegium für Studierende, welches mit Unterstützung von Franz hilf von den Franziskanern vor Ort umgesetzt werden konnte. Cluj als Universitätsstadt mit mehr als 100.000 Studierenden ist für viele junge Erwachsene finanziell kaum bis gar nicht leistbar. Eine Unterkunft zu finden ist für die meisten problematisch. Durch das Kollegium erhalten jedoch Jugendliche eine Chance, eine Ausbildung bzw. ein Studium zu absolvieren.
Wichtig ist zu berücksichtigen, dass die Region Siebenbürgens durch eine vielfältige Geschichte und Kultur geprägt ist und bis heute - auch wenn nicht immer sichtbar - mit dem Problem der Armut kämpft. Diese Herausforderung trifft die Bevölkerung in unterschiedliche Weise und verschärft gleichzeitig der Spannungen zwischen Rumänen und Ungarn. Knapp 5 % der Einwohner leben in extremer Armut, das entspricht fast eine Million Menschen. Vielen haben in der Region keinen Zugang zu sauberem Wasser, Sanitäranlangen oder grundlegender Bildung. Insbesondere in ländlichen Gegenden ist die Arbeitslosenquote hoch und niedrige Löhne prägen den Arbeitsmarkt. In den letzten Jahren haben sich populistische und nationalistische Strömungen auf beiden Seiten verstärkt.
Derzeit sind 16 Frauen und 18 Männer in einfachen, praktikablen Mehrbettzimmern untergebracht. Den Franziskanern ist es wichtig, dass die Jugendlichen unter dem gemeinsamen Dach sich nicht nur fundiertes Wissen aneignen können, welches ihnen ein Tor in das Arbeitsleben eröffnet. Regelmäßig treffen sich daher alle zu einem gemeinsamen Gebet oder sie vertiefen ihr persönliches Leben anhand des Wort Gottes bei Bibelrunden.
Des Weiteren bringen sie sich bei unterschiedlichen (geistlichen) Veranstaltungen ein, was den Zusammenhalt in der Gemeinschaft fördert. Ein Jugendlicher sagt: „Ich bin dankbar dafür, dass ich hier durch die Franziskaner auch eine Herzensbildung erhalte, die für das Leben so notwendig ist.“
Lasst die Kranken zu mir kommen
P. Szabolcs zeigt uns schließlich Räumlichkeiten, die für ein neues geplantes Projekt renoviert werden sollen.
Unzählige Menschen vom Land, die an Krebs erkrankt sind, müssen regelmäßig zur Behandlung in die Stadt kommen. Eine Übernachtung können sie sich jedoch nicht leisten, da das Einkommen gerade für das Notwendige reicht. Die zu sanierenden Räumlichkeiten sollen kranken Kindern und Erwachsenen mit ihren Verwandten, die sie begleiten, als Unterkunft während der Behandlungen zu Verfügung gestellt werden, gemäß dem Wort Jesu: „Ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36). Mit eigenen Mitteln können die Franziskaner vor Ort diesen Menschen die "Herberge für Kranke" nicht umsetzen und wir sprechen darüber, wie Franz hilf unterstützend helfen kann.
Feier am Tag des hl. Antonius
Der Abend bricht an und wir feiern mit den Jugendlichen des Kollegiums und allen Gläubigen, die die Kirche füllen, die hl. Messe am Hochfest des hl. Antonius von Padua.
Besonders schön und berührend ist für uns die darauffolgende Antoniusandacht.
Im Anschluss bieten die Jugendlichen an diesem Festtag ein selbst zubereitetes Gulasch an, das eher einer kräftigen Hühner-Gemüse-Suppe ähnelt.
Das ungezwungene Zusammensein ermöglicht uns, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und ein wenig mehr über ihren Alltag zu erfahren.
Plötzlich schrillen die Handys mit einer ungeheuerlichen Lautstärke. Alle schrecken auf und wissen zunächst gar nicht, was los ist. Wetterwarnung. Es beginnt erneut zu schütten und die Straßen in Cluj ähneln in kurzer Zeit kleinen Bächen. Dankbar nehmen wir daher das „Franziskanische Shuttleservice“ zur Unterkunft an.
Auf historischen Spuren
Am nächsten Tag wachen wir wieder bei trockenem Wetter auf. Die Sonne lässt jedoch noch ein wenig auf sich warten. P. Tibor, der uns in den kommenden Tagen begleiten wird, holt uns ab und wir starten unsere gemeinsame Zeit mit einer kleinen Zeitreise. Wir fahren nach Alba Iulia (Karlsburg/Weißenburg) und erhalten einen Einblick in die Geschichte Siebenbürgens.
Die Stadt mit ihren heute rund 65.000 Einwohnern war eine wichtige siebenbürgische Niederlassung, ein politisches und religiöses Zentrum sowie zeitweilig Hauptstadt von Siebenbürgen.
In der Antike befand sich auf diesem Hochplateau, strategisch geschickt, eine Siedlung um einen befestigten Kern, das dakische Tharmis. Mit der Eroberung Siebenbürgens durch die ungarische Krone wurde Weißenburg königliche Festung. 1241 kam es in den Besitz des katholischen Bistums, was zum Bau der St. Michaelskirche führte. Die aus dem 13. Jh. erbaute Basilika, die auf den Mauern von zwei Vorgängerkirchen aus dem 10. und 12. Jh. errichtet wurde, besitzt außergewöhnlichen Schmuck aus der Romanik, wie auch aus gotischer Zeit.
Durch die Gefahr der Osmanen kam es zu baulichen Maßnahmen im 14. und 15. Jh. Unter der türkischen Oberhoheit im 16. Jh. entstanden vor den vorhandenen Ringmauern vier Bastionen aus Holz und Erde. Hier fand der für die rumänische Bevölkerung bedeutsame Einzug von Fürst Michaels des Tapferen 1599 als neuer Herrscher Siebenbürgens und der vereinigten Moldau und Walachei statt.
Die heute sichtbare Festungsanlage, über die wir nur staunen können, wurde gegen Ende des 18. Jh. vervollständigt. Sie hat mit sechs Toren eine Länge von 1400 Metern und eine Breite von 950 Metern.
Das dritte und monumentalste Tor ist das Osttor, das von der Reiterstatute Karls VI. bekrönt wird. Den Namen „Alba Carolina“ erhielt die Festung nach Karl VI. (1711-1740), dem Vater Maria Theresias.
Wir nehmen uns noch ein wenig Zeit, um durch das riesige Areal zu schlendern, bevor es zu einem der 52 (Waisen-)Häuser der Franziskaner für Kinder weitergeht, die vom Franziskanerpater Csaba ins Leben gerufen und von Franz hilf unterstützt wurden und werden. Dort bleibt kein Herz unberührt. Dazu jedoch mehr im nächsten Teil.
Siehe Teil 1 - Die Projektreise beginnt https://www.kath-kirche-kaernten.at/pfarren/detail/C3258/die-projektreise-beginnt
Siehe Teil 2 - Herzensbildung und Zeitreise https://www.kath-kirche-kaernten.at/pfarren/detail/C3258/herzenbsildung
Siehe Teil 3 - Ohne Gott ist jedes Wirken wirkungslos https://www.kath-kirche-kaernten.at/pfarren/detail/C3258/ohne-gott-ist-jedeswirken-wirkungslos
Siehe Teil 4 - Hoffnung und Verbundenheit http://Siehe Teil 4 - Hoffnung und Verbundenheit https://www.kath-kirche-kaernten.at/pfarren/detail/C3258/hoffnung-und-verbundenheit