KREUZ : WEG : STATION Fasteninstallation von Michael Kos
Corpus Christi in einer regelrechten Zerreißprobe
Fasteninstallation in der Stadtpfarrkirche Villach, 2025
KREUZ : WEG : STATION
"Unser Leben gestaltet sich nicht nur in einbahnigen Höhenflügen - es gibt Unterbrechungen, neue Momente und Stationen, die wir davor so nicht gekannt haben", ist Stadthauptpfarrer Richard Pirker überzeugt. "Die Fastenzeit ist so eine Besinnung, da können wir uns zu fragen: Wo stehe ich, an welcher Station des Lebens befinde ich mich?"
Das Besondere der Fasteninstallation KREUZ:WEG:STATION ist die Einladung, uns mit unserem Glauben (empty or full) anzuschauen und uns vom urchristlichen Gedanken begleiten zu lassen, wie es im Philipperhymnus heißt: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,6–9) In der Theologie sprechen wir von „Kenose“, also der Her- und Hingabe Gottes in seinem Sohn. Gott lässt uns nicht allein, Er fühlt mit uns bei unseren durchkreuzten Lebensmomenten wie auch auf unseren Höhenflügen, wo wir wie auf einem Drahtseilakt balancieren.
Möge uns diese Installation durch diese Fastenzeit begleiten, uns selbst tiefer begreifen und anschauen lernen, bis wir selbst hingeführt werden zum eigenen Ostern.
Michael Kos beschreibt seine Objekte, vom Altar bis zum Ausgang:
BODY CUBE
Installation, 2016, offener Raumwürfel, als dreidimensionales Kreuz vor dem Altar, schwarz beschichtetes Aluminium, 49 gesägte Körperteile aus Holz
Die Idee zu diesem Werk war es, eine kristalline Raum-Form mit organischen, körperlichen Einschreibungen zu schaffen. Der Corpus Christi sollte dabei einer regelrechten Zerreißprobe ausgesetzt werden. Das offene Achsengerüst des Kubus erzeugt ein variables Spiel von Kreuzformen. Aus jedem anderen Standpunkt ergeben sich andere Formen, vom einfachen Kreuz über Halbkreuz, Raumkreuz bis hin zu Swastika und Hakenkreuz ist alles auffindbar.
Der Würfel sollte so groß sein, dass man sich hineinstellen kann, also dass er auch als Architektur wirkt.
Am Kreuz geschieht etwas. Wo: am Kreuzpunkt der Achsen. Es ist ein Körpergeschehen, unglaublich martialisch. Also musste auch jeder einzelne Winkel der Würfelachsen einen Körperteil erhalten. Das hat etwas mit Verbindung schaffen zu tun. Die starren Achsen erhalten eine lebendige Verbindung.
Ein weiterer Gedanke war der, auf die Möglichkeit des Klonens anzuspielen, indem der idente Christus ca. 20-mal verwendet wurde. Das gibt dem BODY CUBE auch etwas Unerhörtes, der Christus ist sonst ja immer ganz einzigartig.
Das Kunstwerk im Zeitalter der Reproduktion (Walter Benjamin) hat längst Einzug in die Domäne des Handwerks und der Schnitzkunst gehalten.
Und ein Aspekt, der mich sehr für diese Arbeit motiviert hat, waren die Bomben der Terroranschläge. Zerrissene, zerfetzte, lädierte Körper – wir in Mitteleuropa kannten das von Kriegsgebieten, die recht fern lagen. Nun haben wir das längst auch hier, mitten vor Augen, greifbar nah. Eine Körperlichkeit, die grausam, aber echt ist. Torturen, die nicht in Europas Mittelalter verschlossen blieben, sondern aktuell wurden. Nicht als Zeichentrick und als Actionkino, sondern als eine manifeste
balance.AKT
Installation, 2013/2015, weiß gekreideter Holzkorpus, lebensgroß, weiße Slackline
Nach der Werkgruppe der „Körperkreuzungen“ (2012-2014) war die große Installation „balance.AKT“ eigentlich naheliegend. Die Slackline zeichnet die in den Raum gesetzte Achse des Kreuzes nach. Der Corpus, der am Kreuz in Leblosigkeit weilt, wird auf der Slackline plötzlich aktiv, zum Akt, zur Bewegungsstudie. Eine Art von Auferstehung geschieht durch eine Verrückung.
Die Frage von Gleichgewicht kann nicht treffender ins Bild gesetzt werden als durch eine Gleichgewichtsübung.
In der gesellschaftlichen Evolution gibt es den Begriff der Egalité als Gleichheitsidee, als ständigen Balanceakt, in dem verschiedene, diametrale Kräfte wirken. Recht und richtig ist demnach das Austarierte. Die Egalité gehört zur Rechtssphäre: Vor dem Gesetz gleich sein, heißt im besten Wortsinn egal sein, gleiches Gewicht haben. Soziales Gleichgewicht lässt sich nur durch unparteiische, also auch unpolitische Gerechtigkeit halten.
In den Gleichnissen des Neuen Testaments kommt das gleiche Gewicht an vielen Stellen vor; Kinder, Geistesschwache, Aussätzige, sogar Mörder zählen vor dem Christus gleich wie inbrünstige Gläubige ohne Makel.
Der Verlust der Mitte, das war nicht zufällig auch der Titel eines berühmten, kunsthistorischen Buches. Kunst ist sehr oft ein Balanceakt, weil sie Werte stützen aber auch stürzen kann.
Die Installation balance.AKT ist eine ungewöhnliche, sakrale Darstellung, die nicht nur den Wandel in Religion und Kultur vor Augen führt, sondern auch die hauchdünne Trennlinie zwischen Spiel und existenziellem Sturz.
Kein Gott kann ist auf Dauer sicher. Den Gleichgewichtsverlust kann jedes Individuum und auch ein Himmelssohn erfahren. Menschgewordener ist einer, der vom leichtfüßigen Spiel und vom bodenlosen Abgrund weiß.
CHRISTPOWER
Objekt, 2020, weiß lackierter Stahltank mit Füllanzeige
Ausgangspunkt dieses Werks war die Idee eines kritischen Tabernakels – oder besser gesagt eines Tabernakels in der Krise.
Es gibt am Tabernakel viele Aspekte, die sich für die künstlerische Auseinandersetzung auftun: Schrein, Geheimraum, Behältnis, Geheimnis, Verwandlung, Transsubstanz usw.
Die Frage stellt sich nach der heutigen Relevanz eines einzigartigen Objekts, das Jahrhunderte lang durch kultische Dramaturgie und symbolische Überhöhung charakterisiert war.
Dieses Kunstwerk oszilliert zwischen Bejahung und Verneinung der religiösen Ebene. Die Füllanzeige ist kurz vor dem Leerstand und verweist auf ein Vakuum, wo auch spirituelle Fülle sein könnte. Aber was macht diese Fülle aus? Wer füllt denn überhaupt?
Joseph Beuys hat mitunter von der Christuskraft gesprochen. Ist CHRISTPOWER nicht auch eine Übertragung im psychoanalytischen Sinn, die der/die Gläubige unbewusst selbst leistet? Also weniger eine Außenkraft als eine aktive Innenkraft. Eine Eigenkraft, die durch Abwendung schwindet.
Zuwendung wäre Nachfüllung.
Mag. art. Michael Kos,
geboren 1963 in Villach, 1986-91 Studium an der Universität für angewandte Kunst / Wien bei Prof. Peter Weibel, lebt und arbeitet als Bildhauer, Objektkünstler und Autor in Retz / Niederösterreich
Kulturpreisträger der Stadt Villach 2024
Michael Kos entwickelt sein vielschichtiges Oeuvre vom Material aus. Insofern ist die Bildhauerei der Ausgangspunkt für seine komplexe Kunst, die Objektmalerei, Skulptur, Konzeptkunst, Installation und Text verbindet. Kos zählt mittlerweile zu den etablierten Künstlern in Österreich, seine Arbeiten werden kontinuierlich in Galerien und bei Kunstmessen präsentiert.
Als kulturpolitisch engagierter Zeitgenosse leitet er seit 2020 als Präsident den Verein Bildrecht. Als gesellschaftskritischer Mensch äußert er sich künstlerisch vor allem mit seinen Installationen zu brennenden Themen der Gesellschaft.
Werke in Sammlungen:
ALBERTINA modern, Museum für Moderne - Salzburg, LENTOS - Linz, Museum für Moderne Kunst - Kärnten, Artothek - Bund, Stadt Wien, Landesgalerie Niederösterreich, Landesgalerie Burgenland, Kunstsammlung der STRABAG, Würth Kunstsammlung, Kunstsammlung INFINEON u.a.