Einzelschicksale der Kinder von Nitzkydorf
in Worte gefasst von Irene Reichl
... und ein Dankschreiben von Schwester Gertrud Petschan
Ich bin Janut!
Eigentlich finde ich keinen Sinn im Leben. Alles was ich mit meinen 14 Jahren kennengelernt habe sind Hunger, Angst und Gewalt. Mein Vater hat irgendwann seine Arbeit verloren, hat angefangen Alkohol zu trinken. Am Anfang war das gar nicht schlimm, da war er manchmal richtig lustig und auch zuversichtlich, dass es irgendwie weiter gehen wird. Aber mit der Zeit trank er immer mehr Alkohol und begann uns immer öfter zu schlagen. Vor allem meine Mutter, wenn sie fragt womit sie uns ein Essen besorgen soll, wenn er alles versäuft. Manchmal halte ich das alles nicht mehr aus, dann versuche ich mir auch das Leben zu nehmen. Ich hatte nur immer das Pech, dass mich rechtzeitig jemand gefunden hat. Eines Tages kam Frau Sanda zu mir, die Schule hat ihr von meinen Selbstmordversuchen erzählt. Jetzt gehe ich wieder regelmäßig zur Schule und danach ins Tageszentrum. Hier gibt es genug zu essen, man hilft mir beim Lernen und hört mir auch zu wenn ich Probleme habe. Nur abends muss ich noch nach Hause, dann freue ich mich schon auf den nächsten Tag und die freundlichen Menschen vom „Stern der Hoffnung“
Mein Name ist Maria!
Ganz, ganz lange ist es her, dass ich meine Mama zum letzten Mal gesehen habe. Wir hatten nichts mehr zum Essen, weil meine Mutter keine Arbeit gefunden hat und so erklärte sie mir eines Tages – ich war damals acht, sie werde ins Ausland gehen um Geld für uns zu verdienen, damit es uns besser geht. Ich müsse ein tapferes Mädchen sein und hier bleiben und auf die Oma aufpassen und sie auf mich. Nur ist sie eigentlich die Uroma, die einzige Verwandte die ich überhaupt habe. Sie ist schon sehr alt, kann nur sehr schwer gehen sitzt am liebsten den ganzen Tag am selben Platz und starrt aus dem Fenster. Den Haushalt mache ich so gut es halt geht und Geld schickt uns die Mama ja wirklich immer wieder. Aber ich war sehr einsam, bis mich meine Lehrer vor einem Jahr in die neue Tagesstätte geschickt haben. Den Namen fand ich seltsam: „Stern der Hoffnung“ was sollte ich schon für eine Hoffnung haben. Aber hier ist es wirklich schön, wir bekommen zu Essen, nach den Hausübungen darf ich mit den anderen Kindern spielen und am Abend bekomme ich sogar noch ein Essen für meine Oma mit.
Ich heiße Petru!
Ich war auch schon im Tageszentrum und ich finde es hier wirklich schön, aber meine Mutter erlaubt mir nicht dass ich dort hin gehe, sie schämt sich weil dort alles nur arme Kinder von Menschen ohne Arbeit sind. Meine Mutter hat aber eine Arbeit. Was genau es ist, hat sie mir nie erzählt aber sie ist immer am Abend und in der Nacht weg und sie sagt viele freuen sich über das was sie tut. Ich bin dann die ganze Nacht allein und am Tag bin ich auch allein, weil meine Mutter schläft. Ich muss zwar wirklich keinen Hunger leiden, auch gehöre ich zu den Kindern die alles für die Schule haben. Aber Freunde zum Spielen oder eine Mama die für mich Zeit hat, habe ich nicht.
Ich heiße Catalina, meine kleinen Geschwister Andrei und Flavia!
Wir haben uns ganz eng zusammengekuschelt und nur noch geweint. Damals am Bahnhofsgelände unter dem Busch. Mama hat uns hier zurückgelassen. Sie war sehr krank und konnte nicht mehr für uns sorgen so ist sie weggegangen, hat gesagt wir müssen uns jetzt selbst um uns kümmern und ich soll auf die Kleinen aufpassen. Dass sie uns ganz fest lieb hat, aber nicht mehr weiter weiß.
Mehrere Tage waren wir hier, hatten nichts zu essen, die Kleinen hatten auch Fieber und Husten, wir waren uns sicher bald zu sterben. Da ist eine Frau gekommen, hat uns mitgenommen und uns als erstes zum Arzt gebracht. Wir bekamen was Sauberes zum Anziehen und vor allem ganz viel zu essen. Das konnte doch alles nur ein Traum sein. Auch in der Nacht blieb diese Frau bei uns, brachte uns Decken und redete ganz lange mit uns.
Ein paar Tage später, glaubten wir an ein Wunder. Frau Sanda kam und sagte dass sie unsere Mama gefunden hat. Sie müsse sich noch ein paar Tage erholen dann dürften wir zu ihr. Wir freuen uns, dass wir täglich zu Frau Sanda gehen dürfen, aber am meisten freut uns wenn sie uns am Abend auch für die Mama ein Essen mit gibt, denn zum Arbeiten ist sie zu noch immer zu schwach. Aber wir können wieder bei ihr leben.
Ich bin Ioan und 17 Jahre
Eigentlich gehöre ich nicht mehr so richtig zur Kindertagesstätte, denn ich besuche in der nächsten größeren Stadt das Gymnasium und wohne hier auch während der Woche. Aber am Wochenende müssen wir alle nach Hause fahren, nur eigentlich habe ich gar kein zu Hause. Denn meine Mama ist gestorben, da war ich 7 Jahre alt. Seit dem darf ich bei Frau Sanda in der Tagesstätte wohnen und sie war es auch, die sich dafür eingesetzt hat, dass ich ein Gymnasium besuchen kann. Wäre ich damals nicht in die Tagesstätte gekommen, hätte ich niemanden. So habe ich eine riesige Familie mit so vielen lieben Geschwistern wie sonst niemand. Wenn ich mit der Schule fertig bin, möchte auch ich verlassenen Kindern helfen.