Dekanat

Dekanat Villach-Stadt

Vom Vorgeschmack des Himmels

Gedanken von Dechant Herbert Burgstaller zum Fest Mariä Himmelfahrt

„Unsere Heimat ist im Himmel.“, lesen wir beim Apostel Paulus. Insofern mag es nicht verwundern, dass Maria unmittelbar nach ihrem Ableben die Entrückung in den Himmel erfährt. Nach der Apostelgeschichte entschwindet Jesus vierzig Tage nach seiner Erweckung aus dem Grab in die himmlische Herrlichkeit. Der erweckte Herr offenbart sich den Jüngern als der österliche Christus in verklärter Leiblichkeit. Der irdische Jesus hat sich in den österlichen Christus verwandelt. Gott erweckt seinen Sohn. Dieser gibt sich den Seinen beim Brechen des Brotes zu erkennen. Die Jünger identifizieren den österlichen Christus als Jesus von Nazareth. Er ist derselbe.

Kirchlicher Glaube besagt, dass die Toten erst zum Zeitpunkt der Endzeit verklärte Leiblichkeit erlangen werden. Für Maria hingegen ist die vollendete Gemeinschaft mit Gott in verklärter Leiblichkeit bereits unmittelbar nach ihrem Ableben beschieden. In ihr ist all das verwirklicht und vollendet, was all jenen Menschen am Ende der Tage beschieden sein wird, die zur endgültigen Gemeinschaft mit Gott gelangen. Maria Himmelfahrt gewährt anschauliche Einblicke in die Zukunft nach dem Tod. Nicht die Seele allein lebt in Gemeinschaft mit Gott, nein, Leib und Seele. Warum ist auch der Leib zur himmlischen Herrlichkeit berufen?

Der Leib ist Gottes Schöpfung. Was Gott geschaffen hat, ist gut. Der Leib ist weder verwerflich noch wird er verworfen. Aus Erde wird der Mensch geformt, sie gehört wesentlich zum Menschen, wie auch Gottes Odem wesentlich zum Menschen gehört. Ohne Odem Gottes und ohne Erde ist der Mensch nicht Mensch. Allerdings wird nach dem Apostel Paulus ein irdischer Leib gesät, erweckt hingegen ein überirdischer. Die Seele allein ist ein verkürzter Mensch, ein originärer Bauplan ohne Stoff, ein Lebensplan, dem es an Raum, Zeit und Materie fehlt, eine leere, gesichtslose Wirklichkeit, ein farb- und konturloses Bild. Die Seele ohne Leib ist Wirklichkeit als Punkt ohne Ausdehnung, als ein zum Punkt komprimierter Identitätscode.

Der Himmel steht für die vollendete Identität, für den vollendeten Menschen, für die vollendete Schöpfung. Der Bauplan ist endgültig verwirklicht. Der Identitätscode ist nun definitiv formatiert. Wer den Himmel als reinen Geist verstehen will, versteht die Bibel und den Glauben nicht. Gott liebt seine Schöpfung und die Vielfalt in ihr. Der Mensch soll sich an den Gaben der Schöpfung erfreuen. Wer die Gaben der Schöpfung verschmäht, verschmäht den Schöpfer. Paulus selbst bezeugt im Römerbrief, dass Gottes Schöpfung zur Vollendung geführt werden wird, sie wird nicht verworfen.

Ein Leitsatz der Kirche lautet, die Gaben der Schöpfung so zu gebrauchen, dass wir das ewige Leben nicht verlieren. Der zeitliche Genuss wird zum Vorgeschmack des Ewigen. Die Welt birgt den Geschmack des Ewigen. Wir dürfen und sollen im Hier und Jetzt Ewiges verkosten. Der Himmel ist reiz- und geschmackvoll. Da wir sinnliche Wesen sind, wäre es eine gefährliche Vereinseitigung, ja Pervertierung des Menschen, ihn auf Seele und Geist zu reduzieren. Die Bibel weiß das und stattet den Himmel überreich mit sinnlichen Freuden aus. Gott wird am Ende der Tage ein Festmahl bereiten mit feinsten Speisen und edelsten Weinen. Gott ist kein Kostverächter.

Wer Gott liebt, liebt das Speisen und den Genuss. Er liebt außerdem Gemeinschaft und fühlt sich in seiner Haut, in seinem Körper, wohl. Das ist gut so. Gott sieht es auch so, sonst hätte er uns anders erschaffen. Wer aus dem Körper auszieht, verfehlt das Leben und verliert den Geschmack für den Himmel. Für Asketen ist das Blasphemie.

Maria Himmelfahrt heißt also: du darfst und sollst bei dir, also in deinem Leib, zu Hause sein und bleiben und wirst den Himmel nicht verfehlen. Genuss ist erlaubt und auch geboten, doch mit Maß und Ziel. Die Seele ohne Leib ist nur der halbe Mensch. Der Tempel fehlt. Der Leib ohne Seele ist tot. Das Feuer im Tempel ist erloschen, der Tempel ist seelenleer, entseelt. Das Mauerwerk ist erkaltet. Eine Seele ohne Leib ist wie Musik ohne Ton, ein Fest der Sinne ohne sinnliche Wahrnehmung, wie eine Totalblockade der Sinne, wie Bewusstsein als Zustand ohne Ausdehnung, die Welt im Kopf ohne Kopf und Welt, es fehlt einfach etwas. Im Himmel wird das Leben ganz.

Dechant Herbert Burgstaller