Gottesbilder sind gefährlich
Ein Kommentar von Dechant Herbert Burgstaller zum Missbrauch Gottes und der Würde des Menschen
„Selig, die Frieden stiften, sie werden Kinder Gottes genannt werden.“, verlautet Jesus in den Seligpreisungen. Er weiß um die umfassende Bedeutung des Friedens. Er weiß aber auch um das Gefahrenpotenzial, das in Gottesbildern steckt.
Gott verleiht Identität durch Autorität. Das gilt über alle Grenzen hinweg. In einer globalen Welt verfließen die Grenzen. Wo Identitäten bedroht sind, wird das unveränderliche Gottesbild zum festen Zufluchtsort. Entwurzelte Menschen werden verwurzelt. Das verlorene Selbstwertgefühl, meist strukturell bedingt, beginnt zu keimen und kann zu Wucherungen führen. Der Nährboden für Radikalisierung und Kriminalisierung ist aufbereitet.
Gott gibt jenen sicheren Halt, den eine Wertewandelgesellschaft nicht zu geben vermag. Würde, Stolz und Ehre haben wieder ihren festen Platz. Die gottlose Gesellschaft vertauscht beliebig Werte und untergräbt den unveräußerlichen, göttlichen Wertekanon. Dieser Gesellschaft wird der Kampf angesagt. Der Name Gottes ist zum explosiven Potenzial geworden.
Wenn Gott zum Inbegriff der kollektiven Identität gemacht wird, ist das Leben der Gotteslästerer und Gottlosen in Gefahr. Die Gotteshüter ahnden gnadenlos jegliche Beleidigung Gottes. Die Propheten Jona und Elija sind Meister ihres Faches. Ninive wird vollständige Zerstörung angedroht. Die Priester des Gottes Baal, Jahwes wirklich ernst zu nehmender Konkurrent, werden blutig ausgemerzt. Da Gott die höchste Autorität ist, hat sich der Mensch dieser Autorität bedingungslos zu unterwerfen. Wer sich dem Willen Gottes widersetzt, hat mit Sanktionen zu rechnen.
Was ist allerdings mit Gesellschaften, in denen Gott entthront wurde und das Volk zum Souverän des gesellschaftlichen Miteinanders erklärt wurde. Wird sich Gott mit seiner Statistenrolle begnügen? In demokratischen Gesellschaften, in denen Grundrechte aus der unantastbaren Würde des Menschen hergeleitet werden, sind die Freiheit und das Gewissen des Menschen Schlüsselwörter. Der Radius der Freiheit wird durch die Grundrechte bestimmt. In Achtung der menschlichen Freiheit wird Gottes Aktionsradius eingeschränkt.
In theokratischen Gesellschaften werden die Freiheitsrechte durch religiöse Führer bestimmt. Sie sind die alleinigen und wahrhaften Ausleger des Willens Gottes. Nachdem unterschiedliche Kulturen unterschiedliche Gottesbilder hervorbringen, sind die Spielregeln in den Gesellschaften sehr verschieden. In einer globalen Welt sind Gesellschaften bunt zusammengesetzt. Wer vertritt die Interessen Gottes im Namen welcher Religion? Wo werden in Achtung der Grundrechte Grenzen gezogen? Die Vermischung von Religion und Politik ist gefährlich, kann zu Repression, Terror und zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen.
Mit Gottes Menschwerdung in Jesus von Nazareth ist für das christliche Glaubensverständnis die Auslegung des Willens Gottes verkörpert. Die Bergpredigt setzt auf Gewaltverzicht und Frieden. Gott begegnet den Menschen nicht als oberster Richter eines Gerichtshofes oder einer Verwaltungsbehörde, sondern als Person mit zutiefst menschlichen Zügen. Der Johannesbrief wird Gott Liebe nennen. Wir begegnen Gott in der Person des Mannes aus Nazareth. Mit Blick auf die unveräußerliche Würde aller Menschen verortet der Evangelist Lukas die Nächstenliebe ins Grenzgebiet und Niemandsland. Der barmherzige Samariter sieht die unmittelbare Not und leistet Hilfe. Staatszugehörigkeit und Glaubensbekenntnis sind nachrangig.
Die Würde leitet zum Handeln an. Die Menschenrechte haben diese Würde zum Inhalt. Europa setzt auf diese Würde und setzt auf Grundrechte. Wer sie missachtet, verachtet Menschen. Gottesbilder sind gefährlich. Ein Gott, der um seiner verletzten Ehre willen mutwillig und blindwütig tötet, hat hier keinen Platz. Zwar mag es für diesen Gott ein Revival geben, aber kein Asyl.
Zurück zu Jona und Elija. Nach innerer Reifung werden die die vormals dröhnend Vorlauten kleinlaut. Die radikal Gnadenlosen erschauern vor ihrer blinden Wut. Sie haben sich getäuscht. Ihr Gottesbild ist eine grobe Verzerrung Gottes, ja dessen Pervertierung. Dieses Bild ist ihre Passion, ihre idée fixe, ihre Obsession. Aber Gott ist ein Freund des Lebens und erweist sich als der Barmherzige. Gottesbilder können gefährlich täuschen und blenden.
Allein Gott ist es, der Blinden die Augen öffnet. Er heilt und er versöhnt. Sein Name ist Frieden.
Dechant Herbert Burgstaller