Dekanat

Dekanat Villach-Stadt

Der Geist steckt im Hören

Gedanken zur Weltsynode von Dechant Herbert Burgstaller

Die Weltsynode über Synodalität der Kirche findet sich im Oktober in der finalen Phase. Die Frage aller Fragen lautet: „Wie kann die Kirche ihren Sendungsauftrag in einer globalen Welt wirksam erfüllen?“ Die Antwort darauf hat bereits das II. Vaticanum mit der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ – „Kirche in der Welt von heute“ gegeben. Darin versteht sich die Kirche als Wegbegleiterin der Menschen. Sie ist mit den Menschen als Zeitgenossin unterwegs und gestaltet in gegenseitiger Achtung das gesellschaftliche Miteinander.

Die Würde des Menschen, die Achtung seines Gewissens, die soziale Frage und die Bewahrung der Schöpfung nehmen einen zentralen Stellenwert ein. Die Gottesfrage und der technologische Fortschrittsglaube zielen auf ein autonomes Subjekt. Der Mensch will und soll sich frei entfalten können. Ermöglicht der technologische Fortschritt Lebensglück und Sinnerfüllung? Das II. Vaticanum bejaht den technologischen Fortschritt, sieht in ihm allerdings keinen Ersatz für Gott.

Die großen Lebensfragen können jenseits der Religion nur unzureichend beantwortet werden. Wo Menschen den Platz Gottes einnehmen und Gott entthronen, ersetzen Ideologien die Religionen. Die Religion gibt dem auf seine Endlichkeit zurückgeworfenen Menschen ein Zuhause. Der in der globalen Welt zu entwurzeln drohende Mensch findet in der Religion Halt und Orientierung, eine Heimat.

Das II. Vaticanum ringt um Antworten in der Verortung der Kirche in der Moderne. Grundlagentexte werden verfasst, die die Kirche als Volk Gottes verstehen und die Offenbarung Gottes als dialogisches Geschehen deuten. Der Mensch antwortet auf Gottes Anrede, der Gottesbezug ist eine Interaktion, ist ein zutiefst personales Geschehen. Offenbarung ist kein Lehrgebäude, sondern Beziehung zu Gott. In Jesus von Nazareth tritt Gott als Mensch in Beziehung zum Menschen, um sein Wesen zu offenbaren.

Dieses Beziehungs- und Offenbarungsgeschehen setzt sich in der Feier der Liturgie fort. Wort Gottes und sinnenfällige Zeichen innerhalb des gottesdienstlichen Handelns bringen Gott zum Klingen. Der Gottesdienst ist der verdichtete Raum für die Gottesbegegnung. Der Höhepunkt ist die Feier der Eucharistie. Die Kirche weiß um die Offenbarung in Jesus Christus und weiß auch um den kostbaren Schatz der anderen Religionen. Auch sie spiegeln Gottes Wirklichkeit, doch in Jesus Christus ist die Wirklichkeitserschließung Gottes vollendet.

Nicht nur Religionsfreiheit wird vom II. Vaticanum betont, auch ein Heilsuniversalismus wird trotz Widerstand vertreten. Gott ist größer als die Kirche. Allen Menschen guten Willens, ob sie Gott kennen oder nicht, ist auch außerhalb der Kirche Heil beschieden. Gemeint sind Andersgläubige, Agnostiker und Atheisten. Wer „Gott“ mit aufrichtigem Herzen sucht, wird ihn finden. Wenn sich der Mensch der Sinnfrage redlich stellt, bleibt die Antwort nicht aus. Gott kommt codiert ins Spiel. Gott verschließt sich nicht, er offenbart sich in vielfältiger Weise.

Meist sind es überkommene Gottesbilder und die soziale Gestaltform der Kirche, die wenig persönliche Anknüpfungspunkte ermöglichen und daher Abkehr bewirken. Gottesbilder und Glaubensformen wirken verstaubt und überholt, sie gelten vielfach als nicht zeitgemäß. Das II. Vaticanum will einen zeitlosen Glauben in die Gegenwart retten, indem es ihn verzeitlicht. Es wendet die Pädagogik Gottes an und setzt auf die Methode der Inkarnation. Gott wird in die Gegenwart geholt, er wird buchstäblich inkulturiert. Es gibt Antwort auf die Frage, wie Gott im Hier und Jetzt buchstabiert wird.

Die Antwort ist Leben und Beziehung. „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ So lautet die Einleitung der Pastoralkonstitution, die zugleich als Leitsatz der Kirche gilt. Papst Franziskus stellt sich gleich zu Beginn seines Pontifikates der Frage, wie Christus in der gegenwärtigen Kirche besser sichtbar wird. Die Grundlagenpapiere des II. Vaticanums sollen endlich umgesetzt werden.

Sichtbar kann Christus in seiner Kirche nur dann werden, wenn dem Heiligen Geist Raum geschenkt wird. Der Raum des Heiligen Geistes ist das Gehör. Franziskus setzt auf die Dynamik des Zuhörens und entdeckt darin die Wirkkraft des Heiligen Geistes. Damit ist Synodalität geboren. Sie bewahrt vor Einseitigkeit, Sackgassen und Einbahnstraßen. Sie kennt die Unterscheidung der Geister, bewahrt vor Lähmung, führt zu Entscheidungen, zeigt also gangbare Wege für die Zukunft auf. Kirche ohne Geist ist nicht nur geistlos, sie ist gottlos.

Dechant Herbert Burgstaller