Pfarre

Spittal an der Drau

Freude kann Kreise ziehn

Geistlicher Impuls von Stadtpfarrer Mag. Ernst Windbichler zum 3. Sonntag im Jahreskreis

Auch heute geht es wieder, wie schon letzten Sonntag, um den kleinen und unscheinbaren Beginn der Kirche. Einer sagt’s dem anderen, so hat es da geheißen, die Freude zieht Kreise wie ein Stein, der ins Wasser fällt und wir, die wir am Ufer stehen, von den ersten Aposteln getrennt durch den Graben der Zeit und Geschichte, auch wir spüren immer noch diese Welle, die Welle der Begeisterung, der Freude, der Zuversicht. Kein tödlicher Tsunami, sondern eine Lebenswelle und jeden Sonntag reiten und surfen wir auf dieser Welle. Überhaupt heute, am sog. „Sonntag des Wortes Gottes“.

Jetzt aber sehen wir aus einem anderen Blickwinkel hin auf die ersten Nachfolger Jesu: sie, die Fischer am See Genezareth, werfen ihre Netze aus, und Jesus geht vorbei und er sieht sie. Das wird in der Bibel immer wieder betont, wie Jesus Menschen bemerkt und anschaut und auch durchschaut, nicht mit einem kalten Röntgenblick, sondern mit den Augen der Liebe schaut er hin auf diese Fischer, die sich da abmühen, und er geht nicht auf Abstand und Distanz, ganz ohne Babyelefant und Mundschutz ruft er sie mit liebevoller Autorität in seine Fußstapfen: „Auf und hinter mich!“, wie es wörtlich übersetzt heißt, „ich will euch zu Menschenfischern machen“. Und das Seltsame und Unerwartete geschieht: sie lassen alles liegen und stehen und gehen mit ihm, sie führen keine langen Sondierungsgespräche oder sichern sich ab nach allen Seiten, stellen keine Bedingungen, nein, sie wagen diesen unglaublichen Vertrauensvorschuss.

Es gibt also mindestens zwei Arten, wie der Herr in seine Nachfolge ruft:

1) Er ruft durch Menschen, die mich anstecken mit diesem Virus der Gottes- und Nächstenliebe und auf Gott hinweisen: durch ihr Leben, durch ihr frohes Gesicht, durch ihr gutes, weites Herz. An ihnen kann ich ablesen, wie sie der Glaube an Gott trägt und ihnen Halt gibt. Und bewusst oder unbewusst sage ich: so möchte ich auch leben. Und ich entschließe mich, dieser Sehnsucht Raum zu geben, diese Nachfolge Jesu zu versuchen und ernst zu nehmen. (Siehe Evg. vom letzten Sonntag). Damit es nun aber nicht so aussieht, als sei der Glaube mein einsamer heldenhafter Entschluss und menschliche Leistung allein, zeigt uns heute das Evangelium die andere Art:

2) Jesus ergreift selbst die Initiative, ruft direkt und gezielt Menschen heraus aus ihrem Alltag: „Kommt her zu mir, ich will euch zu Menschenfischern machen“. Dieser Ruf erschallt nicht nur damals am See Genezareth, sondern auch heute noch, zwar nicht mehr so persönlich und eindeutig, aber doch erkennbar. Trotzdem ist es eher die seltenere Art, dass ein Mensch ein richtiges Bekehrungserlebnis hat, dass ihm wie ein Blitz vom Himmel klar wird, was sein Weg ist. Aber trotzdem, bleiben wir realistisch, das ist die Ausnahme.

Meistens ist Glaube und Nachfolge Jesu ist immer beides: einerseits menschliche Leistung, menschliches Wollen und Zustimmen. Und andererseits und als erstes immer das Rufen und die Be-Rufung durch Gott. „Bevor der Missionar kommt, ist Gott schon da“- heißt ein wahres Wort. Aber ich kann dieses Rufen überhören und verschütten, vergessen und verdrängen, ich kann mich taub stellen. Gott wird auch das akzeptieren.

Trotzdem aber bleibt der Ruf Jesu aufrecht und sein erstes öffentliches Wort im Markusevangelium heißt nicht umsonst: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“.

Kehrt um, auf Griechisch: metanoeite- denkt um, wagt eine neue Orientierung, und glaubt daran, dass der Glaube Flügel verleiht. Es ist ein ähnliches Wort, wie letzten Sonntag. In einer großen Einladung sagt da Jesus: „Kommt und seht“. Zuerst kommen, wollen, sich entscheiden, einen Schritt setzen und dann erst sehen und einsehen und verstehen. Und heute ähnlich: „Kehrt um“. Das ist der erste Schritt: Wagt etwas Neues, eine andere Richtung, wenn schon nicht um 180 Grad, dann wenigstens um 1 Grad. Und dann kommt der Glaube an das Evangelium, die frohe und froh machende Botschaft. Wer das ernsthaft versucht wird merken: Echte Umkehr ist immer Heimkehr.

Ich denke, dass Jesus für diese Aufgabe deshalb ausgerechnet so viele Fischer beruft, weil ein Fischer weiß: Wenn ich in meinem Beruf Erfolg haben will, dann darf ich nicht im Wohnzimmersessel sitzen bleiben, dann darf ich nicht einmal auf festem Boden bleiben, dann muss ich hinaus auf das unsichere Element und ich muss dorthin, wo die Fische sind. Sie werden nicht zu mir kommen, oder ans Land schwimmen und in meine Bratpfanne springen.

Ihr seid Menschenfischer, sagt Jesus, ihr müsst dorthin, wo die Menschen sind, wo sie sich aufhalten, wo sie leben und lieben und kämpfen und leiden, dorthin, wo ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Ihr müsst ihnen nachgehen. Und dann die Menschen fangen, aber nicht ein-fangen, sondern auf-fangen, wie das Sicherheitsnetz auf der Streif in Kitzbühl, wie das Rettungsnetz beim Salto Mortale im Zirkus.

Und dieses Netz, das ist das Wort: Die Zeit ist erfüllt, es ist so weit: das Reich Gottes ist nahe. Obwohl die Zeit damals noch viel schlimmer war als die Coronazeit heute: Jerusalem ist zerstört, der Tempel dem Erdboden gleich, Hinrichtungen, Kreuzigungen, Plünderungen, rauchende Trümmer. Trotzdem ist es erfüllte Zeit, es beginnt etwas Neues, eine letzte Steigung, eine Zielgerade.

Mit diesem Paukenschlag beginnt der Evangelist Markus sein Evangelium. Es ist so weit. Wir brauchen auf nichts Neues und auf niemanden anderen mehr zu warten. Mit diesem Jesus ist die Spitze der Evolution der ganzen Menschheit erreicht.

So werden also Menschen von Gott gerufen: manchmal führt es zu einer radikalen Wende ihrer Existenz und es reißt sie heraus aus ihrem Alltag, manchmal führt dieser Ruf einfach nur zu einer Neuorientierung, zu einer Korrektur meines Lebensweges mitten im Alltag. Wie und wo und wann auch immer er ruft, wir mögen es hören und mit Jesus Christus den Menschen nahe sein.