Eindringlich aber nicht aufdringlich: der Hl. Geist hält keinen Abstand!
Predigt von Stadtpfarrer Ernst Windbichler am 6. Sonntag der Osterzeit (Joh 14, 15-21)
Ich lasse euch nicht als Waisen zurück- dieser Satz ist als erstes bei mir hängen geblieben. Diese geradezu mütterlich tröstenden Worte sagt Jesus seinen Freunden, die es nicht begreifen können, dass sie nun in eine Zukunft ohne seine persönliche Anwesenheit gehen. Es sind Worte voller Zärtlichkeit, eine Sprache, die uns umarmt mit jedem Wort. Ich lasse euch nicht als Waisen zurück, ich will, dass ihr lebt und nicht nur überlebt, ihr seid in mir und ich in euch. Niemals seid ihr arme Waisenkinder.
Aus meiner Jugendzeit ist mir immer noch ein besonders schlimmer Unfall in unserer Nachbarschaft in Erinnerung: ein Bergbauer mit seiner Frau kommen auf tragische Art ums Leben. Die beiden hinterlassen 10 Kinder, die so plötzlich zu Vollwaisen werden. Die Familie wird zerrissen und alle werden sie auf verschiedene Verwandte aufgeteilt, nichts ist mehr wie es einmal war. Jesus will uns so ein schmerzliches Schicksal ersparen.
Heute ist eine andere Art von Waisenkindern stark im Wachsen: es sind die Scheidungswaisen. Geschieden ist bald und jedes Mal geht es leichter, aber es hinterlässt doch immer Wunden. Liebchen ade - Scheiden tut weh, v.a. den Kindern. Oft sehen sie den weggezogenen Elternteil wenigstens regelmäßig, am Wochenende vielleicht oder einmal im Monat, oft aber gar nicht mehr.
Dann gibt es auch noch die Kriegswaisen und die Aidswaisen und die, die irgendwo in ein Heim gesteckt werden. Waisenkinder haben es schwer, denn sie verlieren ganz oder zum Teil den nötigen Schutz und Beistand.
Deshalb heißt es jetzt weiter in dieser einfühlsamen Abschiedsrede aus dem Mund Jesu: ich sende euch den Helfer, den Beistand, den Hl. Geist.
Den Beistand, den kennen wir von der Hochzeit: da hat er nicht viel zu tun. Ein paar Unterschriften, vielleicht wird er finanziell ein wenig zur Kasse gebeten und muss auf die Braut aufpassen, damit sie ihm nicht gestohlen wird. Wenn dann die Hochzeit vorbei ist, ist auch die Aufgabe des Beistandes beendet.
Der Beistand aber, den uns Jesus verheißt, der Hl. Geist, der ist kein flüchtiger Gast mit einem kurzen Auftritt, nein, der bleibt uns erhalten und ist auf jeden Fall immer schwer beschäftigt. Für ihn gibt es nicht einmal Kurzarbeit. In meinem Herzen hat er immer sein Home-Office. Er steht uns wirklich bei, er steht uns zur Seite in Höhen und Tiefen, in hellen und dunklen Zeiten und auch in den ganz normalen Zeiten. Er gibt uns Orientierung, denn er ist der Geist der Wahrheit inmitten aller Lüge und Orientierungslosigkeit. Immer und in allen Lagen, so verheißt Jesus, bleibt er bei uns.
Nun aber kommt ein anderer Ton in diese Trostrede: wenn ihr mich liebt, wenn ihr wirklich an mich glaubt und auf mich vertraut, dann werdet ihr auch meine Gebote halten. Passt das denn zusammen: Liebe und Gebote? Müssen wir uns diese göttliche Zuneigung erst verdienen durch moralische Leistung und religiösen Einsatz? So kann es doch nicht gemeint sein. Nehmen wir ein Beispiel: nennen wir ihn Martin.
Martin mag keine Hamster, interessiert sich nicht für Pferde, er kann Harry Potter nicht ausstehen, er isst weder Spinat noch Suppe. Aber irgendwie wird mit der Zeit alles anders. Er wird zum Tierfreund, weiß Bescheid über Hamster und Pferde, und liest sogar manchmal in einem der dicken Harry Potter Schmöker, hie und da löffelt er sogar seine Suppe vollständig aus und meckert nicht mehr, wenn wieder einmal Spinat am Tisch steht. Seine Mutter versteht die Welt nicht mehr, der Vater aber zwinkert ihr zu und flüstert: Vielleicht hat es etwas mit Sabine zu tun, seiner neuen Freundin. Und tatsächlich, so ist es, ihr hat Martin, ob er es zugibt oder nicht, diese wunderbare Wandlung zu verdanken, denn sie mag all diese Sachen, die Martin vorher nicht ausstehen konnte.
Wer mich liebt, wird – nicht soll!- meine Gebote halten: jetzt verstehen wir es leichter. Gebote sind nicht lästige Pflicht, heroische Leistung, himmlisches Diktat oder Diktatur mit erhobenem Zeigefinger, zu erfüllen aus Angst vor Strafe, „sonst kommst du in die Hölle“, oder sonst bist du nicht kirchlich, christlich oder katholisch. Nein, viel einfacher: sie entstehen und wachsen ganz von selbst aus Liebe zu diesem Jesus: wer ihn kennt und schätzt und ernst nimmt, der tut auch, was ihm wichtig ist, weil er weiß: er will nur das Beste für uns. Und auch umgekehrt: wer seine Gebote als Angebote versteht und sie erfüllt, so recht und schlecht es ihm halt möglich ist, der zeigt, dass er ihn schätzt und ernst nimmt.
Liebe zu Gott ist also nicht nur ein schönes Gefühl und eine feierliche Stimmung oder eine unbestimmte Sehnsucht, sie hat auch diese handfeste Seite: die Gebote zu kennen, zu schätzen und zu halten.
Und damit sind nicht nur die 10 Gebote gemeint, die ja noch irgendwie einleuchten, sondern Jesus sagt ausdrücklich: meine Gebote sollt ihr halten. Das heißt also noch mehr, z.B. auch das Gebot der Vergebung, oder dass man sein Herz nicht an den Reichtum hängen soll, das Gebot der Nächstenliebe bis hin zur Feindesliebe. Das alles kann manchmal schwer sein, ja sogar unmöglich. Aber eben dafür haben wir ja auch den Beistand, den Hl. Geist.
Wenn irgendein Mensch das verlangt, hat das immer einen negativen Beigeschmack. Ein Bekannter erzählt dazu eine humorvolle Geschichte: Er zieht als Student in eine fremde Stadt, in eine Wohngemeinschaft mit drei anderen Kollegen, die er noch nicht kennt. Wie werden sie wohl sein?- fragt er sich. Als er in das leere Zimmer mit den drei Betten kommt, findet er auf seinem Bett einen Zettel: „Herzlich willkommen in unserer Wohngemeinschaft, wir halten uns hier an das Bibelwort: Joh 14,15.“ Oh, das sind aber fromme Leute, denkt er sich und schaut gleich in der Bibel nach. Da steht das Wort aus unserem Evangelium: „hr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“.
Es ist dann doch nicht ganz so schlimm geworden, aber wir merken: Menschen können nicht Gebote und Liebe fordern und schenken, nur Gott allein kann das, weil Jesus am Beginn eben den schönen Satz gesagt hat: Ich lebe und auch ihr sollt leben, hoch leben und erfüllt leben. Auch wenn es oft so ausschaut, als ob die, die ihren Egoismus pflegen, die über Leichen gehen und alle Hintertürchen ausnützen, als ob die ein besseres Leben hätten, erfüllter und sinnvoller ist dieses Leben sicher nicht und schon gar nicht ewiger. Das ist wie fast food: man wird davon zwar voll, aber auf die Dauer auch krank.
Mögen wir in die kommende Woche gehen in dem Bewusstsein: niemals sind wir von Gott und der Welt und allen guten Geistern verlassen, Gottes Geist richtet uns auf und hilft uns, die Gebote Jesu zu halten, damit wir leben, jetzt schon und einmal für immer.