Das Wort zur Schrift
vom Dechant KR Mag. Ernst Windbichler - Stadtpfarrer von Spittal/Drau
Die Kraft der Barmherzigkeit
Wer weiß, ob Paulus sie gekannt hat, die Parabel vom barmherzigen Vater und dem wiedergefundenen Sohn, die Evangelien sind ja zum Teil erst nach seinen Briefen entstanden. Aber er hat dieses Gottesbild sicher verinnerlicht, weil er es am eigenen Leib erfahren hat. Sein Weg vom „Saulus zum Paulus“ ist eigentlich ein Auferstehungserlebnis, wie damals zu Ostern sich die Jesusfreunde von hoffnungslosen Jämmerlingen zu freudigen Verkündern der Heilsbotschaft gewandelt haben. Nicht eigene intellektuelle Forschungsarbeit lässt diese Überzeugung in ihm wachsen, auch nicht Leistung und Opfer, es ist pure himmlische Gnade und unverdientes göttliches Entgegenkommen. Dass ausgerechnet ein fanatischer und hasserfüllter Verfolger zum auserwählten Werkzeug wird, ist für mich Trost und Anspruch zugleich. Trotz all unserer Schwächen gibt es Hoffnung und Neubeginn. Manchmal bete ich deshalb vor der Kommunion nicht: „Herr, ich bin nicht würdig…“, sondern zuversichtlich: „Herr, ich bin bedürftig, dass du eingehst unter mein Dach…“. Freilich, manchmal wünschte ich mir auch, wie bei Paulus, so ein Licht vom Himmel, das nicht nur meine Schwäche aufdeckt, sondern auch mein ganzes schlummerndes Potenzial weckt. Aber ich bin auch zufrieden mit kleineren Lichtblicken und möchte sie nicht übersehen und dafür offen und dankbar sein.
Das Wort zum Sonntag:
Erster Brief an Timotheus 1, 12-17
Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat: Christus Jesus, unserem Herrn. Er hat mich für treu gehalten und in seinen Dienst genommen, obwohl ich früher ein Lästerer, Verfolger und Frevler war. Aber ich habe Erbarmen gefunden, denn ich wusste in meinem Unglauben nicht, was ich tat. Doch über alle Maßen groß war die Gnade unseres Herrn, die mir in Christus Jesus den Glauben und die Liebe schenkte. Das Wort ist glaubwürdig und wert, dass man es beherzigt: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Von ihnen bin ich der Erste. Aber ich habe gerade darum Erbarmen gefunden, damit Christus Jesus an mir als Erstem seine ganze Langmut erweisen konnte, zum Vorbild für alle, die in Zukunft an ihn glauben, um das ewige Leben zu erlangen. Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren und einzigen Gott sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen.