Dekanat

Dekanat St. Andrä im Lavanttal

Wozu bist du gekommen?

Gedanken zum 3. Sonntag im Jahreskreis von Dechant P. Gerfried Sitar

Wozu bist du gekommen?

Berufung ist untrennbar mit Zweifel verbunden. Im Zweifeln und im täglichen Ringen reift die Berufung und kann schließlich tragfähig und lebenstauglich werden. Nicht anders wird es auch den Aposteln gegangen sein, die nach dem Ruf Jesu alles liegen und stehen ließen. Haben sie ihre Entscheidung jemals bereut? Gewiss das eine oder andere Mal, als sie ihn nicht verstehen konnten oder sich nicht verstanden gefühlt haben. Die Nachfolge ist kein Nebenjob, den man im Vorbeigehen erledigen kann, sondern sie fordert den Menschen zu 100%. Das klingt sehr dramatisch und ausschließlich und macht mitunter Angst.

Berufung ist aber keineswegs der Feind der Lebensfreude, sondern sollte dazu dienen, Gefallen am Dasein zu haben und Erfüllung zu finden.

Alles andere wäre verkehrt und würde auch wenig Sinn machen. Der heilige Benedikt wandelt die Frage Jesu an Judas „Freund, wozu bist du gekommen?“ (Mt 26,50) in ein Hinterfragen der Berufung um. Was ist das Ziel der Berufung? Wohl kaum der Selbstzweck, der aus Egoismus geboren ist, sondern die Freude an der Gemeinschaft und das gemeinsame Suchen. Das ist allerdings nicht so einfach, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint. Denn auch die Berufung kennt das Scheitern, den Neubeginn, aber ebenso die Aufgabe und die Resignation. Auch Judas war berufen - nicht anders als Petrus und Andreas. Judas scheiterte an seiner Berufung, weil er andere Vorstellungen hatte und diese schließlich in den Mittelpunkt seines Strebens rückte.

Dieser Judas wird dadurch für uns immer wieder zum Sinnbild des Verrates. Ist diese Gestalt des Judas aber nicht vielmehr das Symbol unseres eigenen Scheiterns? Wir ertappen uns immer wieder dabei, wie wir unzufrieden sind, weil wir nach Mehr streben und uns ein besseres Leben wünschen, weil sich unsere beruflichen Träume nicht erfüllt haben und wir unglücklich in dem sind, was wir tun. Wir sind unzufrieden in Freundschaften und Partnerschaften, weil das Gegenüber nicht liniendeckend unser Wunschbild nachzuzeichnen vermag und die Vorstellungen von gutem Leben nicht selten divergieren. Wir fühlen uns in Gemeinschaften nicht aufgehoben, weil wir zu wenig Wertschätzung erfahren oder uns in unseren Idealen verraten fühlen. Wir resignieren am Arbeitsplatz, weil wir unseren Idealismus verloren haben und mit der Realität nicht umgehen können. Viele Momente in unserem täglichen Leben lassen uns an den vielfältigen Berufungen, die es gibt, zweifeln und uns in Resignation und Selbstmitleid schlittern. Nicht selten werden wir zum „Judas“, der sich verbittert abwendet. In der Basilika von Vézelay (Burgund) gibt es ein Kapitell auf dem der erhängte Judas zu sehen ist – wenn man das Kapitell von einer anderen Seite betrachtet, erkennt man Jesus, den guten Hirten, der anstatt des Lammes Judas auf seinen Schultern trägt. Dieses Bild entspricht so ganz dem, was wir unter dem barmherzigen Gott verstehen, meint der Jesuitenpater Christoph Wrembeck in seinem 2017 erschienen Buch „Judas, der Freund“.

Gescheiterte Berufungen dürfen nicht der Anlass für Verurteilung und Verstoßung sein, sondern jener für das volle Maß an Barmherzigkeit und die damit verbundene Aufmunterung zum Neubeginn.

Nur aus diesem Blickwinkel kann Berufung letztlich auch gelingen, weil sie uns den Druck des Perfektionismus nimmt, der jede Berufung zur Verbitterung verkommen lässt. Wo Berufung menschliche Züge voll Sympathie und Wohlwollen zeigt, da trägt sie den Menschen und macht ihn schließlich glücklich.

Ich wünsche Euch immer neue Erfahrungen mit Euren Berufungen.

Herzlich, Euer P. Gerfried Sitar