Alles wird gut!
Gedanken zum Karfreitag von Dechant P. Gerfried Sitar
Nichts ist unfassbarer für den Menschen als der Tod. Unzählige Theologen, Philosophen, Poeten und Künstler haben sich Gedanken über den Tod gemacht und stießen doch immer an dieselbe Grenze: Die Tatsache, dass der Tod das beendet, was greifbar ist. Nun ist der Glaube gefragt! Der Tod wird totgeschwiegen, weil wir nichts Handfestes haben, um den Zustand danach zu beschreiben. Schon gar nicht ist er modern. En Vogue ist, was schön und makellos ist und nicht das geringste Anzeichen von Schwäche in sich trägt. Der Tod ist das Synonym für Schwäche – und gleichzeitig wird er durch den Glauben zu einem starken Moment. Vielleicht fürchten wir uns deshalb vor der Stunde der Wahrheit, weil sie so ungewiss und undefiniert ist, weil es keinen Leitfaden für das gute Sterben gibt und weil sich die Lebensratgeber und Coaches darüber ausschweigen.
„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich!“ sagt Jesus (Joh 14,5).
Leid und Tod gehen oft Hand in Hand. „Wie kann Gott so etwas zulassen?“ Das Bild vom „lieben Gott“ ist getrübt, wo der Mensch sich in die Niederungen hinabbeugt und das Leben mitunter zur Bürde wird. Selbst dem Überzeugten fällt es in solchen Momenten schwer, eine zufriedenstellende Antwort und Klarheit zu finden.
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22,2, Mt 27,46, Mk 15,34)
Die Schreie Jesu hallen über Golgotha. Sie stehen aber auch über dem vielen und vielfältigen Leid unserer Welt. Verlassenheit, die nur scheinbar ist. Sie drückt uns nieder und schafft den Schrei der Verzweiflung, weil wir nach menschlichem Ermessen am Ende sind. Der Mensch hat unsagbare Angst vor dem Tod, weil er loslassen muss, nicht mehr die Fäden in der Hand hat, sondern weil dieser Moment das bedingungslose Überantworten ist. Wo wir mit Franz von Assisi den Tod als Bruder in unserem Leben willkommen heißen, verliert er seinen Schrecken. Verlassenheit und Ängste gehören zum Leben, weil sie das Menschliche ausdrücken, Gelassenheit und Mut sind die Gegenpole, die ihre Wurzeln im Glauben und in der Zuversicht haben. Naturgemäß kommt es im Leben zu einem steten Ringen zwischen diesen Kräften und spätestens dann, wenn wir persönlich mit dem Sterben in Berührung kommen – sei es durch den Verlust eines lieben Menschen oder durch das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit – wird dieses Ringen auch uns ganz massiv erfassen. Auch Jesus war davor nicht gefeit und schreit diese menschliche Ohnmacht in den dunkel gewordenen Karfreitag. Er zeigt uns damit, dass er sich mit uns auch in die Todesängste unseres Lebens begibt und uns selbst dort nicht verlässt, wo wir uns allein und hilflos fühlen. Da trifft unser Blick den des Gekreuzigten.
„Ich bin immer bei euch bis ans Ende der Zeit!“ (Mt 28,20)
Unsere Welt braucht auch eine neue Kultur des Sterbens. Wäre der Tod nicht, würde es kein Ewiges Leben geben. Der Tod wird so also zu einem Tor, das uns neue Möglichkeiten erschließt und uns Weite zeigt, die wir allein durch die physikalischen Grenzen unseres Daseins nicht erreichen können. Das Leid ist nichts anderes, als das Instrument des Lebens, um uns diese Begrenztheit unseres Seins immer wieder bewusst vor Augen zu stellen. Es hat nichts mit Gottes Grausamkeit zu tun und auch nichts mit Ungerechtigkeit und am wenigsten mit Strafe für Lebensfehler. Es ist jener Teil des Lebens, der gerne ausgeblendet wird, weil er uns eben unserer Hinfälligkeit bewusst werden lässt. Der Blick auf den Karfreitag zeigt uns aber ebenso deutlich, dass das Leben nicht im Leid stehen bleibt. Der Schrei der Verlassenheit und der Verzweiflung und die unzähligen stummen Schreie dieser Welt sind nicht das letzte Wort.
„In deine Hände befehle ich meinen Geist!“ (Ps 31,6; Lk 23,46)
Die Hingabe in das Urvertrauen schafft schließlich die Gelassenheit des Todes. Es wird alles gut! Das mag naiv klingen und weltfremd, aber genau das ist es, was der Tod für unser Leben bedeutet: Es wird alles gut!
Ich wünsche Ihnen ein bewusstes Mitfeiern des Karfreitags und Trost in allen schweren Stunden des Lebens!
Herzlich, Ihr P. Gerfried Sitar