Lingua - sprachlos
Die Installation zur "Kunst im Dom 2023" von Ina Loitzl
Video zu Kunst im Dom 2023 mit der Künstlerin Ina Loitzl und Dompfarrer Peter Allmaier
In den romanischen Sprachen, so auch im Italienischen, bezeichnet der Begriff „Zunge“ nicht nur das Organ des Sprechens und des Schmeckens, sondern auch die Sprache als Instrument der Verständigung sowie die Sprache als Kennzeichen der kulturellen Einbettung. Im religiösen Kontext hat die Zunge eine besondere Bedeutung. Unabhängig davon, ob jemand mit spitzer oder loser Zunge spricht, immer erzeugt das menschliche Sprechorgan jede Laute, die die Voraussetzung dafür sind, dass der Glaube vom Hören kommen kann. Mit der Zunge werden jene Laute geformt, die wir als Wort oder Satz bezeichnen, sinntragende bzw. bedeutungsvermittelnde akkustische Gebilde. Doch in Zeiten von Fake News kann man auch der Zunge nicht mehr trauen, denn der Wahrheitsgehalt des Gesagten ist ungewiss. Und dort, wo die Wahrheit gesprochen wird, geht diese leicht in der Unmenge der Worte unter. In einer Gesellschaft, in der offenbar mehr geredet als gesagt wird, lässt der inflationäre Gebrauch der Worte das Kleingeld an Sinn bedeutungslos erscheinen.
Die Zunge ist auch jenes Organ, das mittels der Geschmacksrezeptoren Süßes und Salziges, Saures und Bitteres wahrnehmen kann. Vermutlich nimmt die Zunge noch deutlich mehr wahr, aber darüber weiß die Wissenschaft noch zu wenig. Man weiß aber um die Notwendigkeit, diesen Geschmackssinn zu trainieren, da alles im Leben gelernt sein will. Für allerlei Getränke oder Speisen gibt es mittlerweile Expert*innen, die gelernt haben und lehren, wie man die feinsten Geschmacksnuancen unterscheiden kann.
In der österlichen Bußzeit wird die Arbeitsplatzbeschreibung der Zunge stark verkürzt. Quantitativ wie qualitativ wird ihr weniger geboten, so dass sie sich erholen oder mit noch größerer Freude auf den österlichen Geschmackszunami freuen kann. Und selbst das Sprechen kann vom Ballast des Überflüssigen befreit werden, damit die Wortdiarrhoe kuriert wird. Dem Un- und Übermaß wird die Zunge gezeigt. Das ist im gesellschaftlich Diskurs zwar verboten, doch das jugendkulturelle Durchbrechen der bürgerlichen Konvention ist eine geeignete Maßnahme, sich gegen die eigenen fehlgeleiteten Gewohnheiten zu stellen.
Dieselbe Zunge wird in der österlichen Zeit dann wieder einen guten Geschmack wahrnehmen und ihn von billigen Geschmacksverstärkern unterscheiden können. Die Zunge wird dann im Zugehen auf das Pfingstfest ein Stück weit die biblische Zungenrede erlernen - ein von Gott geführtes Sprechen, das weniger den menschlichen Absichten als den himmlischen Zielen dient. Der Mensch ist sprachlos, so lange das Bild des Auferstandenen im Symbol des Altares verdeckt ist, und dennoch erinnert ihn seine Zunge an die eigentliche Mission, ein Sprechender, besser eine Kündender zu sein.
Peter Allmaier
Die Zunge als Mittel des individuellen, kulturellen und sprachlichen Ausdrucks
Die Zunge spielt als das Sinnesorgan für Geschmack und Austauschmedium eine unentbehrliche Rolle in unserem Leben.
Sie ist Mittel des individuellen, kulturellen und sprachlichen Ausdrucks. Ebenso ein Symbol für Einhaltung und Brüche gesellschaftlicher Konventionen. So gilt das Ausstrecken der Zunge im Kindesalter als ein Zeichen schlechter Manieren, während diese Geste in der Jugend, als bewusstes eingesetztes Zeichen der Rebellion verstanden wird.
Zeitgerecht zur Fastenzeit wird eine feuerrote Textilzunge – gefertigt von der in Wien lebenden bildenden Kärntner Künstlerin Ina Loitzl – überdimensional als abstrahiertes Fastentuch aus Lackgewebe und zweiseitig zentral über dem Altar des Klagenfurter Doms installiert. Dieses organische Objekt hinterfragt unsere sozial–körperlichen und religiös konnotierten Tabus. Im Rahmen ihres „anatomischen Zyklus“ zeigt sich Loitzl vom Muskelkörper Zunge, „der Genuss und gleichzeitig Ekel in sich birgt“, fasziniert.
Besucher*innen können durch multilinguale Textzungen, ausgewählt oder selbst beschriftet - rechts vom Altar auf Tischen in den Sprachen Deutsch, Slowenisch, Italienisch und Englisch Begriffe in Form von Wünschen, Sorgen, Zielen und Nöten - ein Ventil für die krisenbedingte Sprachlosigkeit finden. Die interaktive Gemeinschaftsinstallation auf einer Plane mit Klettverschlüssen auf einem Gerüst – leicht und unkompliziert angebracht soll die Sorgen, Fragen und Sehnsüchte der Gemeinschaft widerspiegeln. Zweiteilig konzipiert – wird neben der symbolisch vielseitig interpretierbaren Kunstinstallation gleichzeitig während der Laufzeit ein interaktives Sprachenbild der Besucher*innen entstehen. So wird durch die Installation mit ihrer Interaktivität sowohl ein allgemeines Sinnbild als auch ein ganz individuelles und persönliches Seelenbild sichtbar.
Ina Loitzl
Über die Künstlerin
Die gebürtige Klagenfurterin Ina Loitzl hat an der Hochschule Mozarteum Grafik und Visuelle Medien sowie an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien studiert. Heute wohnt und arbeitet sie als freischaffende Künstlerin in Wien und in Kärnten. In ihrem künstlerischen Schaffen verbindet sie textile Arbeiten und Videokunst. Dabei steht der menschliche Körper im Zentrum ihres Interesses. Die Grenze zwischen Faszination und Ekel, zwischen Lust und Schmerz, zwischen Blühen und Vergänglichkeit wird in immer neuen Anläufen bearbeitet.
Neben zahlreichen nationalen und Internationalen Auszeichungen (Förderpreis des Landes Kärnten für Bildende Kunst; Fine Arts Award of Taichung - Taiwan; Theodor Körner Preis; ZIT Content Video Award Vienna...), vielen Einzelausstellungen (GEDOK Galerie München; Kunstfabrik Groß Siegharts; K3 Simbach am Inn; magdas Klagenfurt; Künstlerhaus Wien; DISTRICT 4art Wien; Radio Kulturhaus Wien...) ist sie auch fixer Bestandteil in mehreren Sammlungen und Museen (SIAF Salzburg, Viennafair, Grafische Sammlung Albertina Wien; Land Salzburg und Kärnten; Stadt Klagenfurt und Villach...)
Termine zur "Kunst im Dom"
- Aschermittwoch, 22. Februar, um 19.00 Uhr, Domkirche: Liturgie zum Aschermittwoch mit Bischof Josef Marketz. Musik: Igor Strawinsky „Missa brevis“ – Domchor unter der Leitung von Domkapellmeister Thomas Wasserfaller. Orgelimprovisationen mit Zungenregister von Domorganist Klaus Kuchling. Anschließend Agape im Franziskussaal – Lidmanskygasse 10, 4. Stock. Anmeldung erforderlich unter: office@dom-klagenfurt.at - Zur interaktiven Kunstinstallation sprechen Ina Loitzl und Dr. Peter Allmaier
- Künstlergespräch, Sonntag 26. Februar, 16.00 Uhr, Domkirche: „Was liegt uns auf der Zunge?“ Mit Ina Loitzl , Dr. Peter Allmaier und Mag.a Christine Wetzlinger-Grundnig und Prim. Dr. Herwig Oberlechner.
- Messe mit Literarischer Predigt, Sonntag 26. Februar, 19.00 Uhr, Domkirche: Dialog mit Katharina Ingrid Godler.
- Messe mit Literarischer Predigt, Sonntag 5. März, 19.00 Uhr, Domkirche: Dialog mit Gernot Ragger.
- Messe mit Literarischer Predigt, Sonntag 12. März, 19.00 Uhr, Domkirche: Dialog mit Karin Prucha.
- Messe mit Literarischer Predigt, Sonntag 19. März, 19.00 Uhr, Domkirche: Dialog mit Elisabeth Hafner.
- Passionskonzert, Sonntag, 2. April, 16.00 Uhr, Domkirche: Millstätter Passion von G. Mittergradnegger. Nähere Informationen zum Passionskonzert finden Sie HIER.
Sponsoren
Die Kunst im Dom wird von der Kulturabteilung der Stadt Klagenfurt sowie der Kulturabteilung vom Land Kärnten unterstützt. Wir danken für die langjährige Kooperation.