Pfarre

Pörtschach am Ulrichsberg

Wollt auch ihr weggehen?

Plädoyer eines Pfarrgemeinderatsobmannes für ein kritsch-loyales Mitleben und Mitgestalten kirchlicher Gemeinschaften

Nachdem sich viele, die ihm bisher nachgefolgt sind, von ihm abgewandt haben, fragt Jesus im Johannesevangelium seine Jünger: „Wollt auch Ihr weggehen?“ Petrus antwortet stellvertretend für die anderen Jünger: „Herr wohin sollen wir gehen? Du allein hast Worte ewigen Lebens.“ (Joh 6,68)

Die Pfarrkirche Pörtschach am Ulrichsberg (Foto: Nina Vasold / FB)
Die Pfarrkirche Pörtschach am Ulrichsberg (Foto: Nina Vasold / FB)

Im Jänner dieses Jahres haben sich 1200 KatholikInnen in Kärnten, um 150% mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, von der Kirche verabschiedet. Auch aus unserer Pfarre waren welche dabei.

Und im Blick auf das, was in den letzten Monaten und Wochen über weltweite aber auch österreichische und kärntnerische Vorgänge in der Kirche in den Medien berichtet wird, fällt es schwer, denen, die sich enttäuscht verabschieden, etwas entgegenzuhalten. Ja, es ist skandalös, was wir über Missbrauchsfälle in der Kirche hören und lesen und es ist auch zutiefst irritierend, was wir über die Vorgänge in der Kärntner Kirche hören, angefangen von fahrlässigem Umgang mit Kirchenvermögen, vermuteter Steuerhinterziehung und einem möglichen „Deal“ mit einem Waffenproduzenten.

Es ist zutiefst problematisch, was wir da alles lesen und hören. Und es gehört aufgeklärt. Weltweit und bei uns in Kärnten. Es ist nur zu hoffen, dass sich, was die weltweiten Vorgänge betrifft, Papst Franziskus in seinem Kurs für Aufklärung und Transparenz nicht beirren lässt. Weiters ist zu hoffen, dass die Apostolische Visitation in Kärnten der Öffentlichkeit nachvollziehbare Antworten auf die vielen offenen Fragen um den ehemaligen Diözesanbischof zu geben vermag. Persönlich bin ich von der Hoffnung getragen, dass beides gelingen kann.

Und allen, die sich mit dem Gedanken, von der Kirche wegzugehen, beschäftigen, möchte ich folgendes zu bedenken geben:
Vor kurzem waren meine Frau und ich in Laibach und haben dort u. a. auch das wirklich sehenswerte slowenische ethnographische Museum besucht. In einer Ausstellung unter dem Titel „Ich, Wir und Andere - Bilder meiner Welt“ sind wir auf grundlegende Fragen zum Zusammenleben von Menschen in kleinen und großen Gemeinschaften gestoßen. Fragen wie „Wer bin ich?“, „Woher komme ich?“ „Was prägt mich?“ „Was hält mich?“ „Was trägt mich?“. Fragen, wie sie auch der große Kardinal König immer wieder formuliert hat.

Ein jeder von uns hat seine eigene Geschichte. Und diese Geschichte ist bei vielen von uns (noch) mit der Kirche, vielleicht sogar mit einer konkreten Pfarrgemeinde verwoben. Begonnen hat es meistens mit der Taufe, manche haben ministriert, fast alle wurden noch gefirmt, viele haben kirchlich geheiratet, haben ihre Kinder taufen lassen, mussten ihre Lieben, oft auf Friedhöfen, die sich wie ein Kranz um die Kirchen legen, beerdigen. Viele haben gute Erinnerungen und Erfahrungen, manche gewiss auch schlechte, wenn sie an ihre eigene Geschichte mit der Kirche denken. Und viele finden immer wieder einmal, und, sei es auch nur zu Allerheiligen, zu Weihnachten oder zu Ostern den Weg in unsere Kirche.

Die Gesellschaft verändert sich rasch, manchmal rascher als uns lieb ist. Zurück bleiben oft Verunsicherung, eine ungewisse Angst vor der Zukunft und oft auch, wenn man älter geworden ist, Vereinsamung und Isolation. Es gibt, auch in unserem Pfarrbereich immer weniger Gasthäuser, wo man sich treffen kann, es gibt keine Post mehr, die Briefträger haben kaum noch Zeit für ein kurzes Gespräch, unter dem großen Druck des Alltags bleibt kaum Zeit für Kinder und auch für alte Menschen … .

Was bleibt übrig und wer hält dagegen?

Ich bin überzeugt, dass unsere Pfarren so etwas wie letzte Nahversorger sein können, die den Grundwasserspiegel der Mitmenschlichkeit wenigstens in Ansätzen aufrecht erhalten können. Etwa, dass beim sonntäglichen Gottesdienstbesuch durch die Erfahrung von Gemeinschaft die Isolation des Alltags durchbrochen wird, in unserem Leben durch das Wort Gottes, vor allem aber durch die Feier von Tod und Auferstehung Jesu eine andere, tiefere Dimension erahnbar wird, und dass man von den Predigten unserer Seelsorger immer wieder einmal etwas Hilfreiches mit nach Hause nehmen kann. Sie versuchen uns, die Botschaft dessen, der von sich gesagt hat: „Ich will, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“, mit auf unserem Weg durch das Leben zu geben.

Zugegeben: Damit werden die aktuellen Missstände in der Kirche nicht bereinigt. Wir sollten aber nicht vergessen, dass Kirche nicht nur aus Papst, Bischöfen und Priestern besteht, sondern aus allen Getauften. Wir alle sind fehlerhafte Menschen. Aber wir alle können auch dazu beitragen, dass ihr verunreinigtes Antlitz wieder strahlender wird.

Und im Blick darauf, dass jede/jeder einzelne eine, oft auch positive, Geschichte mit der Kirche hat, meine ich, dass man sich nicht zu einfach und zu schnell von ihr trennen sollte. Vor allem sollte man sich die Frage stellen, die Petrus als Antwort auf die eingangs erwähnte Frage Jesu gegeben hat: „Wohin sollen wir gehen?“

Foto: Pressestelle der Diözese Gurk
Foto: Pressestelle der Diözese Gurk

Franz Zlanabitnig, der Autor dieses Fastenbriefes, ist Pfarrgemeinderatsobmann der (kleinen) Kärntner Pfarre Pörtschach am Ulrichsberg.