Pfarre

Karnburg

Symposium 3. Teil

  • Fortsetzung von: Ivana Bogdanovic

Diese Daten veranschaulichen, dass die Säkularisierung in Deutschland weit fortgeschritten ist, besonders in den Gebieten, die früher zur DDR gehörten. Dort hat der „staatlich geförderte Atheismus“ nachhaltige Auswirkungen gezeitigt, die bis heute sichtbar sind. Ähnliche Trends sind auch in Österreich und der Schweiz beobachtbar: In Österreich haben sich die religiösen Überzeugungen und die Zahl der Atheisten in den letzten Jahren ebenfalls stark verändert. Laut der Statistiken aus dem Jahr 2021:

Religiös: Etwa 55% der Bevölkerung in Österreich identifizieren sich als römisch-katholisch, was einem Rückgang von 74% Ende des 20. Jahrhunderts entspricht. Die Zahl der Protestanten liegt bei etwa 3,8%.

Arreligiös: Ungefähr 22,4% der Bevölkerung gibt an, keiner Religion anzugehören​ (https://www.austria.org/religion)​​ (World Population Review)​.

Diese Zahlen zeigen, dass der Trend zu einer säkulareren Gesellschaft hin in vielen Teilen Europas, einschließlich Österreich und der Schweiz, weiter anhält, ähnlich wie es bereits für Deutschland festgestellt wurde.[Quelle:ChatGPT]

Was Faber sich fragt und wir mit ihm, ist nun, was unterscheidet letztere von ersteren und wie differieren die überzeugten Atheisten noch einmal untereinander? Woher und weshalb haben sie ihre jeweiligen Überzeugungen gewonnen? Welchen geistes- bzw. kulturgeschichtlichen Realtypen von Atheismus sind sie zuzuordnen? (Faber 2006: 9). Aber diese Fragen könnte nur eine empirische Untersuchung beantworten und wir sind hier auf dem Feld der Theorie – da Draußen, aber steht es um den Atheismus gut – er floriert.

Im bereits erwähnten Sammelband zum Atheismus von Faber und Lanwerd (Hg.) aus 2006 gibt es einen sehr aufschlussreichen Beitrag von Andreas Urs Sommer zu „Gottes Tod“ von Nietzsche (S. 75-90). Dort sagt er, dass kaum ein anderer Text Nietzsches so eingehend und kontrovers diskutiert wurde wie Abschnitt 125 aus „Die fröhliche Wissenschaft“, welcher die Erzählung vom „tollen Menschen“ enthält. Dieser Mensch, ähnlich wie einst Diogenes von Sinope nach dem Bericht des Diogenes Laertius, zündet am hellen Vormittag eine Laterne an, läuft auf den Markt und ruft unaufhörlich: „Ich suche Gott, ich suche Gott!“. Diogenes von Sinope hatte mit seiner Laterne nach einem Menschen Ausschau gehalten und Nietzsches toller Mensch sucht mit seiner Laterne nach Gott.

Hierbei ist er dem Gelächter der zuschauenden Marktmenge ausgesetzt und ihrem Spott, ob sein Gott sich wohl verlaufen habe oder was sonst mit ihm geschah. Für die pathetische Antwort, so Urs Sommer, die Menschen hätten ihn getötet und seien seine Mörder, antworteten sie mit einer Rückfrage, wie man diese ungeheure Tat hätte vollbringen können, durch die diese Erde von ihrer Sonne losgekettet würde. Der tolle Mensch, so Urs Sommer, erntet betretenes Schweigen, worauf er seine Laterne auf den Boden schmettert und von sich sagt, er komme zu früh, habe doch die Kunde vom Gottesmord die Menschen noch nicht erreicht. Weiter fragt sich Nietzsche, warum diese Tat den Menschen immer noch ferner als die fernsten Gestirne erscheine, hätten sie dieselbe doch längst vollbracht.

Dennoch seien die Menschen, denen der tolle Mensch auf dem Markt begegnete, keine Gläubigen, so Sommer, die zum ersten Mal vom Tod Gottes hörten, sondern es sind ausdrücklich solche, welche nicht an Gott glauben würden. Was ihnen fehlt, ist das Bewusstsein der Tragweite jenes scheinbar simplen Fakts: „Gott ist tot, Gott bleibt tot.“ Die bequemen Ungläubigen, die sich auf dem Markt tummeln, haben sich nicht bewusst gemacht, dass sie eine völlig neue Bürde von da an zu schultern haben, wenn sie all jenes auf sich nehmen müssen, was bisher Gott ihnen abnahm. Der Gott, um den es hier geht, ist gleichermaßen die oberste Instanz der jüdisch-christlichen Offenbarungsreligion, wie die höchste Idee, auf die die rationale Metaphysik des Abendlands verwiesen hat. (b. s. Sommer 2006: passim. [75-90])

Folgt man dieser Prämisse in der Ausführung Sommers, die nicht so abwegig zu sein scheint und auch bei anderen Autoren anzutreffen ist, hat sich die Menschheit also einmal der Götter entledigt. Der Atheismus sei so die Verabschiedung Gottes wegen erwiesener Nichtexistenz oder erwiesener Ermordung durch das Schwert metaphysischer Redlichkeit (Zit. n. Sommer). Dieser Atheismus wäre dann im Sinne Nietzsches der Anfang einer ganz neuen Form von Menschsein oder gar Menschlichkeit, eines Menschseins, dem nichts mehr als gesichert gilt, das keine festen Werte mehr hat, sondern sich in vollem Bewusstsein um die Bodenlosigkeit des Daseins zurückgeworfen sieht. Für Sommer ist es ein Einlassen auf das Dasein als Experiment mit höchst ungewissem Ausgang – eine Art Existenzialismus und auch Vitalismus also. Darunter ist auch einen ernstzunehmender Hinweis von Sommer, dass die Versuchung nämlich groß sei, Nietzsche mit jenem tollen Menschen zu identifizieren, der die Kunde von der Ermordung Gottes auf den Markt trägt. Dabei wäre Nietzsche bloß Schöpfer literarischer Kunstfiguren im Sinne seiner “Experimentalphilosophie in der Praxis” (vgl. Sommer: 76-80). Genauso verfahren auch die Schriftsteller, von denen wir hier einige zitiert haben bzw. werden.

Es folgen ein paar Zitate aus Nietzsches Der Wille zur Macht, wo über den europäischen Nihilismus viel berichtet wird und welche hier als Folie vorausgeschickt seien, bevor wir zu Dostojewskis Dämonen übergehen: (/Max Brahn, Aphorismus 24 + 31/1917)

§3.

Denn man vergreife sich nicht über den Sinn des Titels, mit dem dies Zukunftsevangelium benannt sein will. „Der Wille zur Macht. Versuch einer Umwertung aller Werte“ – mit dieser Formel ist eine Gegenbewegung zum Ausdruck gebracht in Absicht auf Prinzip und Aufgabe; eine Bewegung, welche in irgendeiner Zukunft jenen vollkommenen Nihilismus ablösen wird, welche ihn aber voraussetzt, logisch und psychologisch, welche schlechterdings nur auf ihn und aus ihm kommen kann. Denn warum ist die Heraufkunft des Nihilismus nunmehr notwendig? Weil unsre bisherigen Werte selbst es sind, die in ihm ihre letzte Folgerung ziehen, weil der Nihilismus die zu Ende gedachte Logik unsrer großen Werte und Ideale ist, – weil wir den Nihilismus erst erleben müssen, um dahinter zu kommen, was eigentlich der Wert dieser „Werte“ war.... Wir haben, irgendwann, neue Werte nötig....

§24.

Der radikale Nihilismus ist die Überzeugung einer absoluten Unhaltbarkeit des Daseins, wenn es sich um die höchsten Werte, die man anerkennt, handelt;

§31.

Der philosophische Nihilist ist der Überzeugung, daß alles Geschehen sinnlos und umsonstig ist; und es sollte kein sinnloses und umsonstiges Sein geben. Aber woher dieses: Es sollte nicht? Aber woher nimmt man diesen „Sinn“, dieses Maß? – Der Nihilist meint im Grunde, der Hinblick auf ein solches ödes, nutzloses Sein wirke auf einen Philosophen unbefriedigend, öde, verzweifelt. Eine solche Einsicht widerspricht unserer feineren Sensibilität als Philosophen. Es läuft auf die absurde Wertung hinaus: der Charakter des Daseins müßte dem Philosophen Vergnügen machen, wenn anders es zu Recht bestehen soll....

Nun ist leicht zu begreifen, daß Vergnügen und Unlust innerhalb des Geschehens nur den Sinn von Mitteln haben können: es bliebe übrig, zu fragen, ob wir den „Sinn“, „Zweck“ überhaupt sehen könnten, ob nicht die Frage der Sinnlosigkeit oder ihres Gegenteils für uns unlösbar ist. –

In einem solchen ‚Teufelskreis‘ der Gedanken, zwischen Ziellosigkeit und Verneinung, sind auch die Gedanken der Figuren in Dostojewskijs Dämonen gefangen, dabei wagen oder rufen diese gerade aus einem solche Geisteszustand die Devise der Tat aus /den Schritt zur Tat:

„Dass der Nihilismus letztendlich nicht nur in das Nichts führt, wie es bereits sein lateinischer Ursprung andeutet, sondern auch in Bedeutungslosigkeit und Niederträchtigkeit, hat Dostojewski in seinen biblisch inspirierten 'Dämonen' (1872) darzustellen versucht. (Zit. nach Grossman 1974: 424, vgl. a. Bogdanović, A. 2020: passim). [...] Zahlreiche Unstimmigkeiten und Lücken in diesen Charakteren, insbesondere des Selbstmörders Kirillov, sowie das mehr als spürbare irrationale Element in ihrem Denken und Handeln bleiben dem (gesunden) Menschenverstand unzugänglich und schwer nachvollziehbar. Hier werden wir dennoch versuchen, einen analytischen Einblick in ihre, sozusagen, Philosophie vorzunehmen. Die angedeutete Unzugänglichkeit in Verbindung mit (auto)destruktiven Momenten wäre ihrem Wesen nach dem Nihilismus verwandt, denn wir bei Nietzsche kennengelernt haben:

§29.

Der Nihilismus ist nicht nur eine Betrachtsamkeit über das „Umsonst!“ und nicht nur der Glaube, daß alles wert ist, zugrunde zu gehen (vgl. Mefist-Zitat): man legt Hand an, man richtet zugrunde.... Das ist, wenn man will, unlogisch: aber der Nihilist glaubt nicht an die Nötigung, logisch zu sein.... Es ist der Zustand starker Geister und Willen: und solchen ist es nicht möglich, bei dem Nein „des Urteils“ stehen zu bleiben: – das Nein der Tat kommt aus ihrer Natur. Der Vernichtsung durch das Urteil sekundiert die Vernichtsung durch die Hand.

Der irrationale Überschuss der Nihilisten auch bei Dostojewskij – könnte teilweise als Pathologie rubriziert werden, was auch Nietzsche tut:

Der Nihilismus stellt einen pathologischen Zwischenzustand dar (pathologisch ist die ungeheure Verallgemeinerung, der Schluß auf gar keinen Sinn): sei es, daß die produktiven Kräfte noch nicht stark genug sind, – sei es, daß die décadence noch zögert und ihre Hilfsmittel noch nicht erfunden hat.

Voraussetzung dieser Hypothese: – Daß es keine Wahrheit gibt; (A 27).

Im Hinblick auf den Nihilismus, wird sich zeigen, dass eine strikte Trennung von Psychologie und Philosophie, wie es auch grundsätzlich für das Denken von Dostojewskij und Nietzsche gilt, erzwungen und ungeeignet wäre.

Die Handlung für seine Abrechnung mit dem Nihilismus schöpft Dostojewskij fast wortwörtlich aus den aktuellen politischen Ereignissen, genauer gesagt aus dem Prozess gegen die sogenannten Nechajevisten (vgl. Grossman 1974: 427). Trotz Grossmans Ansicht wird Dostojewski diese lebhaften Persönlichkeiten jedoch nicht einfach auf Papier kopieren, sondern sie seiner Poetik und seinem persönlichen Erleben der Problematik des Nihilismus unterziehen, andernfalls wäre es ausreichend, die Gerichtsprotokolle und Zeitungsartikel über den Prozess nachzudrucken (vgl. Bogdanović, A. 2020: passim)

….

Der Roman "Die Dämonen" enthält eine regelrechte Ansammlung von Nihilisten. Ein Dreigestirn ist besonders wichtig in seiner Folgerichtigkeit – da es als Sprachrohr des nihilistischen Prinzips agiert und vollkommen seitens dessen Konsequenz ereilt wird. Es sind zwei Selbstmörder und ein und heuchlerischer Salonrevolutionär, der Blut an seinen Händen trägt. Von diesen drei Figuren – Петар Степанович Верховенски, Николај Всеволдович Ставрогин und Алексеј Нилича Кирилов, wird hier nur der letzte für uns interessant, weil er in seiner seitens Dostojewski mit schroffem Zynismus dargestellten Tragik und seinem Konsequentsein eigentlich den atheistischen Gedanken aufgreift: „Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt bzw. dann muss der Mensch Gott werden – der Menschgott im Gegensatz zum Gottmenschen Christus“ und ihn zu Ende bringt. Gottsein wird zur emanzipatorischen Hauptaufgabe und in erschreckender Konsequenz durch Selbstdestruktion vollzogen.

Weil uns vor diesem Hintergrund nicht mehr als eine Miniatur gegönnt ist, zitiere ich hier einen Auszug aus dem Dialog zwischen Piotr Stepanowitsch und Kirilov [Böse Geister: Der Selbsmord Kirillows; Abschnitte aus "Böse Geister" von Fjodor Dostojewskij, übersetzt von Swetlana Geier (1998), die den Selbstmord von Kirillow betreffen, basierend auf den Seiten 845–866 …hier aus dem Projekt Gutenberg zitiert: III. Buch, 6. Kapitel, 2. Teil: https://www.projekt-gutenberg.org/dostojew/daemone2/chap011.html]:

»Indessen,« rief plötzlich Piotr Stepanowitsch, ohne jedoch mit dem Essen aufzuhören, »indessen wollen wir aber auch zur Sache kommen? Also wir treten nicht zurück, wie? Und das Schriftstück?« […] »Ja, auch darüber. Ich werde es Ihnen übrigens diktieren. Ihnen dürfte es ja schließlich ganz gleichgültig sein. Oder könnte Sie in einem solchen Augenblick der Inhalt wirklich irgendwie beunruhigen?«[…]» […] Übrigens handelt es sich nur um ein paar Zeilen des Inhalts, daß Sie mit Schatow Flugblätter verbreitet haben, unter anderem auch mit Beihilfe Fedkas […]

»Mit Schatow? Was soll denn Schatow hiermit zu tun haben? Über Schatow schreibe ich unter keinen Umständen etwas.«

»Seine Frau ist zu ihm gekommen. Sie ist vorhin erwacht und sandte zu mir, um zu fragen, wo er sei.«

»Schatow wird nicht kommen. Und Sie werden schreiben, daß Sie mit ihm wegen seines Verrats und seiner Denunziation in Streit geraten wären ... heute abend ... und daß Sie an seinem Tode schuld seien.«

»Er ist gestorben!« rief Kirillow und sprang vom Sofa auf.

»Heute um acht Uhr abends oder besser gesagt, gestern um acht Uhr abends, da es jetzt schon ein Uhr ist.«

»Du, du hast ihn ermordet! ... Und ich habe das gestern schon geahnt!«

Piotr Stepanowitsch hatte sich sehr in Eifer geredet, aber Kirillow hörte ihm schon längst nicht mehr zu. In seine eigenen Gedanken versunken ging er wie vorhin auf und ab durch das Zimmer.

»Mir tut Schatow leid«, sagte er, indem er wieder vor Piotr Stepanowitsch stehenblieb.

»Er tut ja auch mir vielleicht leid, und ist denn wirklich ...«

»Schweig, du Schuft!« brüllte Kirillow und machte eine furchtbare und unzweideutige Bewegung. »Ich schlage dich tot!«

»Na, na, na, ich gebe zu, ich habe gelogen, er tut mir gar nicht leid, nun lassen Sie es gut sein, genug, genug!« rief Piotr Stepanowitsch, indem er ängstlich aufsprang und, wie um sich zu schützen, die Hand vorstreckte.

Kirillow wurde plötzlich wieder ganz ruhig und begann von neuem, auf und ab zu gehen.

»Ich werde es nicht aufschieben; gerade jetzt will ich mich töten: alle sind Schufte!«

»Na, sehen Sie, das ist ein Gedanke! Natürlich sind alle Schufte, und da es für einen ordentlichen Menschen ekelhaft sein muß, auf der Welt zu leben, so ...«

»Kirillow, ich habe es nie begreifen können, weshalb Sie sich töten wollen. Ich weiß nur, daß es bei Ihnen einer Überzeugung entspringt ... einer festen Überzeugung. Wenn Sie aber das Bedürfnis fühlen, sozusagen Ihr Inneres auszuschütten, so stehe ich gern zu Ihren Diensten ... Wir müssen nur die Zeit nicht aus den Augen lassen ...«

»Ich erinnere mich, daß es etwas mit Gott war ... Sie haben mir das bereits einmal erklärt, zweimal sogar ... Wenn Sie sich erschießen, so werden Sie ein Gott werden, so war es doch, glaube ich?«

»Ja, ich werde ein Gott sein.«

Piotr Stepanowitsch antwortete mit fast natürlicher Offenherzigkeit und Einfalt:

»Na, mag ich auch so ein Lump sein, aber ist Ihnen das in den letzten Augenblicken wirklich nicht ganz gleichgültig, Kirillow? Weswegen zanken wir uns eigentlich, sagen Sie selbst? Sie sind ein Mensch von einer Art, und ich von einer anderen. Was ist denn schon dabei? Überdies sind wir alle beide ...«

»Schufte.«

»Ja, vielleicht auch das. Sie wissen ja, daß es nur Worte sind.«

»Ich habe mein ganzes Leben lang nicht gewollt, daß es nur Worte seien. Ich habe nur deshalb gelebt, weil ich das immer nicht wollte. Auch jetzt will ich noch jeden Tag, daß es nicht nur Worte seien!«

»Nun, ein jeder sucht eben nach einem Ort, wo er es am besten hat. Der Fisch ... das heißt, ein jeder sucht sich seine Art von Komfort; und weiter nichts. Das ist schon seit jeher bekannt.«

»Komfort, sagst du?«

»Na, wir wollen uns doch der Worte wegen nicht streiten.«

»Nein, das hast du gut gesagt; bleiben wir beim ›Komfort‹. Gott ist unbedingt notwendig, und darum muß er sein.«

»Na ja, ausgezeichnet.«

»Aber ich weiß, daß es keinen Gott gibt und keinen geben kann.«

»Das ist noch richtiger.«

»Verstehst du denn nicht, daß ein Mensch mit diesen zwei Gedanken nebeneinander nicht unter den Lebenden bleiben kann?«

»Soll er sich also erschießen, wie?«

»Schreiben Sie noch: Vive la république! und genug!«

Mit diesem Zynismus Dostojewskijs gehen wir über zu Bulgakow – hier finden wir dasselbe Motiv vom Teufel, einmal von Goethe abgewandelt und einmal von Dostojewskij, der Roman der unter der Herrschaft Lenjins und Staljins entstand – Meister und Margarita, Ich muss hier auf eine Kontextualisierung verzichten, lade Sie aber herzlich dazu ein, sich den Roman anzutun, wenn Sie das nicht bereits getan haben und werde hier, wie bereits angedeutet, bei einer Miniatur verbleiben:

Reden Sie nie mit Unbekannten * Kommentar: [(Absonderlichkeiten)]

„Das gibt es nicht!…“, dachte er sichtlich irritiert.

Doch leider gab es das sehr wohl. Und der lange durchschimmernde Kerl vor ihm baumelte freischwebend hin und her.

– Pfui, Teufel, rief der Redakteur (Michail Alexandrowitsch Berlioz)

[…] – Tja dann – und setzte die vom Brausetrinken unterbrochene Rede fort. Diese Rede handelt (wie sich später herausstellen sollte) von Jesus Christus. Der Redakteur hatte nämlich beim Dichter für die nächste Buchedition seiner Zeitschrift ein großes antireligiöses Poem in Auftrag gegeben. Ein solches Poem hatte Iwan Nikolajewitsch (Besdomny) dann auch geschrieben, sogar in Rekordzeit, nur dass es den Redakteur überhaupt nicht zufriedenstellte. Die Hauptperson des Poems, nämlich Jesus, war von Besdomny in sehr dunklen Farben gezeichnet worden, und dennoch musste nach Meinung des Redakteurs das gesamte Werk neu geschrieben werden. Und so hielt nun der Redakteur dem Dichter eine Art Vorlesung über Jesus, um den grundsätzlichen Fehler des Dichters aufzuzeigen.

– […] sein Jesus wirkte quicklebendig, ganz und gar existent, wenn auch versehen mit allen möglichen schlechten Charakterzügen. Jetzt wollte Berlioz dem Dichter klarmachen: Es kommt nicht darauf an, wie Jesus als Mensch ist, böse oder gut, sondern einzig darauf, dass es ihn als Person überhaupt nicht gibt (Präsens!).

…und just in dem Augenblick in dem Michael Alexanderwitsch dem Dichter über Vitzliputzli erzählte und wie dieser von den Azteken aus Teig geknetet worden war, zeigte sich in der Allee der erste Mensch.

…Alles in allem: ein Ausländer. …auf einmal erhob sich der Fremde und schritt geradewegs auf die Schriftsteller zu. Sie schauten verwundert. ‚Darf ich Platz nehmen?‘ – fragte höflich der Fremde und die Freunde rückten irgendwie unwillkürlich auseinander. Der Fremde setzte sich geschickt zwischen die beiden und beteiligte sich sogleich an deren Gespräch:

‚Habe ich richtig gehört, Sie behaupten, dass Jesus nicht existierte?‘ – erkundigte sich der Fremde und richtete auf Berlioz sein linkes grünes Auge? – … ‚Und Sie sind mit Ihrem Gesprächspartner einer Meinung?‘ … ‚Das ist entzückend!‘ rief der unbekannte Gast aus, blickte sich weiß Gott weshalb verstohlen um… ‚Entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit, doch ich habe verstanden, Sie glauben darüber hinaus auch nicht an Gott?‘ Er machte erschrockene Augen und fügte hinzu: ‚Ich schwöre, ich werde es niemandem weitererzählen.‘

‚Ganz recht, wir glauben nicht an Gott…‘

Der Ausländer lehnte sich auf der Bank zurück und fragte … ‚Dann sind Sie wohl …Atheisten?!‘

‚Ja, wir sind Atheisten…‘

… der Professor jedoch winkte sie näher, und als sich die beiden zu ihm beugten, flüsterte er

… (Woland) ‚Sie sollten wissen: Jesus hat sehr wohl existiert‘… (Bulgakow: 24)

------ Hier würde ich die Diskussion gerne ohne Conclusio eröffnen…

Angedeutet und anstatt der verschriftlichten Concusio, aus dem vor Ort abschließend Zur-Sprache- Gebrachtem:

1. Bulgakows "Meister und Margarita": Analyse des Werkes und der darin enthaltenen Darstellung von Gott und Teufel.

2. Goethes "Faust": Fortsetzung der Analyse (komparatistisch) mit einem Blick auf Mephisto und Gott, wie sie in Goethes Werk dargestellt werden.

3. Zusammenfassung der Miniaturen: in 5-6 Sätzen, um den Kreis zu schließen.

4. Conclusio: Abschluss mit einer Reflexion über die Dialektik des Nichts und was sie uns über die Freiheit der Gedanken im schillerischen Sinne und die ‚freiheitsdemokratische‘ Natur Gottes sagt. Die Schlussfolgerung läuft darauf hinaus, dass Gott bibeltextintern nicht als Diktator verstanden werden will/als ein solcher aus der Darstellung hervorgeht, sondern als etwas, das über Sprache hinausgeht und mit dem Nichts als Leerstelle zusammenfällt, was definitionsmäßig absolute Möglichkeit und uneingeschränkte Gültigkeit bedeuten kann, und prinzipiell inkommensurabel bleibt, wenn man Schriftsteller, wie Goethe, Dostojewskij und Bulgakow liest.

Literaturliste

Bogdanović, A. (2020). "Prvi nihilisti u vodu se bacaju" ili: Između filozofije i patologije – Aspekti nihilizma u romanu Nečiste sile F. M. Dostojevskog.

Bulgakow, M. (2012). Meister und Margarita (Neu übers. v. A. Nitzberg). Galiani.

Dostojewskij, F. (1998). Böse Geister (Übers. v. S. Geiser). Ammann Verlag.

Faber, R., & Lanwerd, S. (2006). Einleitung. In R. Faber & S. Lanwerd (Hrsg.), Atheismus: Ideologie, Philosophie oder Mentalität (S. 7–14). Königshausen & Neumann.

Grosman, L. P. (1974). Dostojevski (Übers. von L. Subotin). Srpska književna zadruga.

Kuhn, E. (1992). Friedrich Nietzsches Philosophie des europäischen Nihilismus. De Gruyter.

Ponomaev, A. (2010). Der Nihilismus und seine Erfahrung in der Romantik. Tectum.

Sommer, A.-U. (2006). In R. Faber & S. Lanwerd (Hrsg.), Atheismus: Ideologie, Philosophie oder Mentalität (S. 75–90). Königshausen & Neumann.

Goethe, J. W. von. Faust. Eine Tragödie. Erster Teil. Studierzimmer I. Projekt Gutenberg. https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/faust1/chap005.html

Dostojewski, F. Böse Geister. Zweiter Teil. Sechstes Kapitel: Die Nacht voller Mühe. Projekt Gutenberg. https://www.projekt-gutenberg.org/dostojew/daemone2/chap011.html

Dostojewski, F. M. (n.d.). Der Großinquisitor (R. Kassner, Übers.). Insel-Verlag. Projekt Gutenberg. https://www.gutenberg.org/cache/epub/38336/pg38336-images.html

Nietzsche, F. (1917). Der europäische Nihilismus. In Der Wille zur Macht: Eine Auslegung alles Geschehens (M. Brahn, Hrsg.) (S. 1-45). Alfred Kröner Verlag. https://www.gutenberg.org/files/60360/60360-h/60360-h.htm

  • Florian Zambrano:

Was? wenn nichts wird aus mir.

figuren: Alayna
ort: Stadt, ein Hauch von Paris zeit: vorbei, aber nicht endlos

1
nimm einmal an, Du würdest mir nichts schulden.

Alayna.
ich sollte hier warten. aber wo doch jeder weisz, dass man nicht warten sollte. einen nie einer warten lassen sollte. lässt man Dich warten, dann geh bevor er kommt. wer kommt. wer kommt? schwer zu sagen.

ich kann mich in die Deine Angst verwandeln. das wovor Du Angst hast, das bin ich. leicht gesagt. ich hab es getan.

weshalb ich immer noch warte? möchte wissen wie es sich anfühlt.

solange wir warten ist alles möglich. verstehst Du.
da kann ich Dir ja erzählen, was es so mit mir auf sich hat. es ist nicht weiter kompliziert.

irgendwann habe ich bemerkt, dass alles, was ich so tagein und die Tage auch hinaus, so vor mich her gelogen und verbogen habe, tatsächlich auch wahr wurde. und alles sich genauso zugetragen hatte, wie ich meinte es erfunden zu haben.

das geht ja jedem so? bestimmt.

ich warte auf einen Anruf. ich warte auf den Anruf.

ich warte bis sie mir über das Telefon den Tod, den eigenen, verkünden. jeden Moment, sollte der Anruf kommen, um zu erklären mir, wie er von statten ging, der meine so herbeigelogene Tod, der meine.

auch den Tod, den eigenen, den habe ich erfunden. solange habe ich von ihm geredet, bis irgendwann er dann eingetreten ist in mich und mein Leben. oh, tritt ein, Tür auf, herein. zu. aus. tot.

weil ich aber, doch so aus einem Unmut so heraus, vermute und aus einer Ahnungslosigkeit heraus mich verahne, dass da so allein ich nicht Schuld sein kann an dem meinen eigenen Tod. bin ich auf der Suche nach einem Schuldigen, also in erster Linie, nach einer Schuld im Allgemeinen. denn eine Schuld kann immer nur Allgemein gehalten werden. für eine Schuld muss in erster Linie einmal die Allgemeinheit herhalten, dieser ausrangierte Watschenbaum, die Allgemeinheit.

ich lerne nichts.
also nichts dazu. oder nur ungern.

ist da was vor einiger Zeit stehen geblieben in mir. man soll sich ja nicht alles gefallen lassen, von einem selbst. sagen die Leute. wer genau? weisz ich nicht. aber es stellt sich die Frage; soll ich mir alles gefallen lassen? von mir?
ich kann mir ungefähr einiges gefallen lassen. so ungefähr einiges. alles nicht. bin ich stehen geblieben dem Anschein nach und der scheint aber so schön herein bei mir ins Hirnkastl. seit dem geht nichts mehr weiter. oder nur minimal und dann ein falscher Gedanke und alles ist wieder weg. und Denken in die falsche Richtung ist keine Lapalie. nicht.

fliegt hundert Jahre oder so einer gleich wieder zurück in Körper und Raum und hab ich bei einer solchen Reise mich mit mir selbst verwechselt und mich dann sogleich auf dem Gewissen gehabt. mich aus dem Weg geräumt also. mit reinem Gewissen. aber auf dem Gewissen hatte ich mich trotzdem.

so ist es also passiert. so ungefähr. ganz genau kann man das schwer sagen. selbst Schuld, wirst Du jetzt sagen.
aber wieso habe ich dann vorher gesagt, dass ich mir den eigenen Tod erdacht habe? wie erdenkt einen Tod man sich? erfindet man den Tod den eigenen? wo man den findet sich so schön, den Tod den eigenen? sich für die Sammlung im Küchenregal eine sich den finden kann, zum Anstarren, den werten Freund und Verfolger. sich diesen so prägenden Freund und Helfer neben den Kardamon ins Küchenregal stellt.

ihr versteht schon, ich koche auch gerne. das bleibt mir jetzt erspart. ich hätte vermutet, dass es mir schwerer fallen würde. aber auch das kann man fallen lassen. so vor die Füsze fallen lassen, wie das angebrannte Stück Fleisch. bumm.

ich habe ihn mir also erfunden und dann wurde er ausgeführt an mir ganz anders, als ich es erdacht hab. erfunden so eigentlich, dass ich wollte, dass wenn ich angebe damit, dass ich ihn mir herbeisehne, dass dann einer kommen wird und brav loben wird mich einmal. brav, lieb, gutes Hunderl. fein. oh. gutes Schwein.

soll ich Euch erzählen davon? was man da so sieht.

nimm einmal an, Du würdest mir nichts schulden. schön oder? oder nicht? seh ich Dich dann nie wieder?
eine Schuld ist ja in erster Linie ein Versprechen. ein Versprechen, dass die Welt einen nicht vergessen wird.

um mehr geht es nicht. schlag ich Dich; steh ich in der Deinen Schuld drinn da förmlich, bis zu den Knieen drinn; vergisst Du mich nicht mehr.

betrüg ich Dich; stell ich eine Narbe in Dich hinein, die ein Jucken macht in der Deinen Lunge und Du immer so nervös husteln musst, wenn der Schleim wieder hochkommt; unvergesslich.

nehm ich das Deine Geld, dann wird das ein Teil werden von mir, den ich irgendwo im Körper muss zwischenlagern und Du sorgst dafür, dass ein Vergessen unmöglich wird. und um zu sorgen, dass ich auch nirgendwo eine Vergessene werde oder mich gar selbst vergess, da und liegen lass so unverholfen.

geben auch meist die unseren Eltern eine Schuld in uns hinein, aus der allergröszten Führsorglichkeit einen dicken Brocken an der unschuldigst anmutenden Lieblings- Verschuldung, die unser eins dann glaubt in ein das eigen seine Gedächtnis hineinrufen zu müssen, aus stolzer Ergebenheit, versteht sich. um so den andern im Glauben zu lassen, er wird da schon nicht so leicht vergessen, wird da einander was versprochen. dann hält bald keiner mehr was davon und am Ende hält sich keiner mehr an irgendwas. aber vergessen fühlt sich keiner. deshalb haben den Negern da unten wir so konsequent und mit allerliebevollster Gewalt eine Schuld hineingestochen in die Herzen, zur Wiederbelebung sozusagen, damit sie ganz genau wissen, dass sie nicht vergessen werden und in der Vergesslichkeit dahin vegetieren müssen. ist ja kein Leben nicht. so erinnert sie die monatliche Zinserhögung und Steigerung der Schuld ins Unendliche, dass eines garantiert ist; nämlich, dass auch in 20000 Jahren sie nicht werden vergessen werden worden sein. das versichtert uns die Kalkulation, die eine Proportion hat zu der unseren immer gröszer werdenden Führsorge und unserem endlos scheinenden Mitleid und gigantischem Herzen.

na ja, um wieder zu mir zu kommen. komm zu mir hier her, brav!
Du darfst Dich nie abschrecken lassen. nicht einmal durch den Tod. Tod hin oder her, am Ende muss ein Opfer gebracht werden. oh, prachtvoll. bring her.
die Schuld, der Spruch, das Opfer. schön gesprochen. und an einer Schuld da verdrehen sich einem die Mägen so gern. dreht sich der Magen so von der Schuld weg manchmal und dann zum Übergeben, zum Entleeren dann halt zum Boden hin.

eigentlich hat alles begonnen, als ich bemerkte, dass ich auch eventuell sterben könnte.

das gab den Ausschlag. einen Ausschlag da auf der Nase. denn ich war davon ausgegangen,

dass ich nicht sterben würde. ich nicht. das war von mir recht früh so geplant worden. aber dadurch, dass ich dann wusste, dass ein Sterben einmal anstehen würde, habe ich dann

beschlossen, dass ich das schnell erledigt haben möchte, also gleich hinter mich gebracht haben wollte, damit getan einmal ist, was ohnehin getan werden wird müssen und ich dem Wesentlichen mich widmen kann. die Erkenntnis, dass ein Tod einmal ins Haus stehen würde machte mich ganz verlegen. fühlte ich mich gleich schuldig, also dass ich da was auszuliefern hätte, was abzuliefern. und eine Schuld die macht verlegen. denn die verlegt man ja auch so gern. lässt links liegen man dann. und da ich ja nichts verlegt haben möchte, weil ich gerne eine Ordnung hab und eine Hausaufgabe gleich erledig, bevor ich spielen geh. wollte ich gleich tilgen, was ohnehin bezahlt gehört.

eine Schuld ist ja dann auch ein Geschäft, das es zu verrichten gilt. Gewinn hin oder her.
und eben ein Versprechen, wie schon gesagt. spricht sich schnell herum so was. versprochen.

wie es dann weiter ging? es ging zumindest einmal weiter. davon ist auszugehen. gehen wir davon einmal aus, dass was weiter ging. geht es ja immer weiter.

vom Anfühlen her ist es nicht anders als das Leben selbst. auch das Totsein tut weh. anders halt. es tut richtig weh. weisz ich jetzt erst, was es heiszt, wenn was richtig weh tut.
die Zeit? Zeit wird hier keine verschwendet. auch hier hat alles seine Struktur. sonst würden hier alle ineinanderrennen oder übereinander. obwohl eigentlich.. na ja. es ist halt, empfindlich sind sie die Toten, muss man aufpassen. aber auch hier fehlt es an Zeit. fehlt mir die Zeit. an Fleisch fehlt es auch nicht hier. tot ist nicht die Abwesehenheit von Fleisch, im Gegenteil. auch hier nimmt das Fleisch zu viel Platz ein. es ist so, dass uns hier der Platz ausgeht. zum Atmen fehlt es an Luft, an geschmackvoller. hier glaubt eine zu ersticken an der faden Luft. und trotzdem bleibt das Gefühl, dass die Lebenden den Toten den Platz weg nehmen. die sind erst zufrieden, wenn alles nach ihrer Lebendigkeit stinkt. die sind wie die Götter; eingebildet, egoistisch, arrogant und wollen alles vögeln, was rumläuft. und wir Tote sollen dann alles wieder grad biegen. na ja, aber wie erklär ich das. also da wo man schlecht behandelt wird, da zieht es eine hin, oder? aus Mitleid mit dem, der Dich schlecht behandelt?

aber um zu erklären, also, dass auch Ihr versteht, was genau. sterben ist dann jener Moment, kurz bevor ich das Haus verlasse.

bevor Ich das Haus verlasse. muss bei Dir ja nicht so sein, automatisch. hat ein jeder ein anderes Leben sich ja gerne aufgehalst.
aber jedes Mal, wenn ich diesen HöllenRitt antrete und mich der so böse gesinnten Wildnis ausliefere, bereite ich mich vor auf den Tod. schau ich nach, ob alles hübsch und ordentlich ist. Tote haben es gern ordentlich.

wenn Du also gerne Ordnung hast, bist vermutlich tot auch schon. Ordnung muss schon sein, sonst könnt man ja noch auf den Gedanken kommen, der so schleimigen Lebendigkeit nach zu trauern. Leben ist bloßer Schleim. in jedem Loch blubbert was, aus jeder Pore trieft was. bist den Schleim los, kannst endlich wieder frei durchatmen.

nur ob viel freier eine ist hier in den toten Winkeln. in den toten Winkeln der Geschäftigen, der Welt der ach so Geschäftigen und Beschäftigten? vermutlich nicht. wir sind halt ein toter Winkel, sind wir. bin ich. gerade so jenes, das nicht mehr so recht reinpasst in den SeitenSpiegel. das man beim Überholen gerne mal übersieht. fetzt man vorbei an uns, weil wir uns nicht recht aufgeplustert haben. und bleibt nicht einmal ein Fleck ein echter übrig, wenn drüber gefahren wird über uns. sogar der Bussard, der vom PickUp niedergemäht wird, hinterlässt einen Abdruck, weil er die so flotte krawattentragende Schnittigkeit mit einem Regenwurm verwechselt hat, die er wollt sich reinempfehlen. Empfehlung des Tages, so empfiehlt es das Haus. oh, LockVogel. PutPut. Auto drüber, tot, aus. Maus. Mäusebussard.

eine Autobahn ist eine Regel. auch der Bussard wird sich an Regeln halten müssen, wenn er nicht Teil meiner Ordentlichkeit werden will. ausgestopft in meinem Wohnzimmer. hätt er halt sein Haus nicht verlassen. oder sein HeimatLand. ein Kontinent ist ja nicht umsonst ein

Kontinent. ein Bussard hat ja nicht umsonst Flügel. in der Natur hat immer alles seinen Sinn und Zweck. auch eine jede Hautfarbe.

2
aber wo eine Regel verläuft, da ist auch Blut

bemerkt, dass vielleicht auch ein anderer mir einen Tod will, hab ich, als ich begann den Menschen zu erzählen, wie sie es doch bitte richtig machen könnten. ich hatte es wirklich gut gemeint. schon bald war keiner mehr mir gut gesinnt.

es ist dann schon schnell einmal da ein Konflikt da.
es ist dann schon schnell einmal ein Konflikt da.
es ist dann schon schnell einmal ein Konflikt da, wenn man bemerkt, dass das eigene RICHTIG doch wirklich um einiges richtiger ist, als das der andern, und, obwohl sie soviel gleich besser wissen, alle auf einmal, obwohl sie so schnell alles gleich besser wissen wollen, ist es halt dann doch meist so, dass sie obwohl da manchmal ein zustimmendes Nicken sich durchringt durch ihre HalsStarre, dass da sie in Wirklichkeit überhaubt keine Ahnung von irgendwas, geschweige denn von irgendeiner Richtigkeit haben wollen. aber wo eine Regel verläuft, da ist auch Blut. das weiß eine jede Hausfrau.
richtig?
richtig.
wie kann also an meiner Richtigkeit gezweifelt werden? ich kenn eine jede Richtung und wenn ich richten muss, dann richte ich. es geht ja auch so schnell was kaputt. ein Mensch zum Beispiel. geht recht schnell kaputt. ist nicht für den Ernstfall gebaut. ein Fahrrad. geht recht schnell kaputt. ein Panzer und schon ist alles verbogen. ein Traum. geht recht schnell kaputt. eine Liebe. geht recht schnell kaputt.

es sehen bei Euch die meisten Dinge so leicht aus. aber das zählt nicht wirklich. ihr seid.. na ja, wie soll ich sagen? recht einfach gestrickt, würde ich jetzt einmal sagen. bei den dummen Leuten geht alles so unkompliziert. ohne jemandem zu nahe kommen zu wollen. Eure Nähe will ich gerade nicht. nicht allzu gern.

ich hab versprochen Euch ja zu erzählen, was man da so sieht. was seh ich hier?
also gesehen hab ich, dass hier die Menschen über allem drüberstehen wollen. die wollen, dass ihnen nichts was anhaben kann mehr. dass wenn jemand stirbt, dass das weh tun nicht mehr muss. dass wenn der eine, einen nicht liebt, dass das nicht mehr wichtig ist. das ist interessant. sie nennen das Klarheit. man muss nur klar sagen, was man will oder nicht mehr will und schon tut sich nichts mehr. oder einfach alles wollen, dann tut auch nichts mehr weh.

der Schock, dass alles, was ausgedacht ich hab, zu der einen Realität wird, ist nicht zu unterschätzen.

drüben und da; es gibt da Unterschiede. es gibt einiges zu unterscheiden. nur ich unterscheide mich nicht. von mir selbst, unterscheide ich mich nicht. ich erkenne kaum Unterschied zu mir selbst. nur so schön wie dort ist es nicht. bin ich nicht.

wie das mit den Sprachen aussieht? die Sprache ist eine andere. verstehe ich kaum etwas. aber darauf lege ich auch nicht viel wert. auch sonst kaum jemand. das mit dem Lügen fällt hier einfacher, weil da der Unterschied auch nicht allzu groß. zwischen dem, das gelogen & dem, das wahr ist. genaugenommen ist es das Gleiche. wie auf der anderen Seite es ja auch nicht anders ist. kaum.

also ich lerne schon. ich lerne schnell. nur kann ich es niemandem sagen.

man könnte es Erklärungsnot nennen. ich habe mehr Not mich zu erklären, als dass ich was erklären kann. so lass ich mich tragen. so kann ich gut und gerne es lassen. dachte ich.

wild, würde ich sagen, dass ich schon immer war. das Einzige, das immer den richtigen Takt mir gibt, ist mein Herz mein Wildes. das haben sie auch verwechselt, dem Schein nach. mit der Leber, der meinen und haben sie nach Paris verkauft. das Herz das meine, also meine Leber eigentlich. die italienische Mafia hat aufgegriffen mich, hat sich vergriffen an mir und in mich hinein. sie ist da schon anders, als als Kind sich eine Mafia man vorstellt. die sind wie die Verkaeuferinnen aus dem Supermarkt, nur dass die nicht im Einkaufssack herumwuehlen, sondern in mir. mein Herz war dann doch zu wild ohne eine Leber weiter zu machen. ich sprang also durch meine Rippen heraus aus mir. mein letzter Sprung, mit dem Körper, dem meinen, war aus den Rippen heraus. zu mir her, da. der meinen Leber nach, die in den Körper den anderen hier gebaut wurde und die in der Stadt der Liebe nicht ohne Herz bleiben wollte. eine Herzensangelegenheit. und legt man sich einmal an mit so einem Herzen, dann kann da schon schnell eindringen in eine solche Welt, jemand. eine Welt, die da so aussieht, wie eine Marzipan-Burg; voll mit rosaroten Vorkammern & Herzklappen. ich hab das Herz massiert mir auch gleich, vor und zurück. war aber zu machen nichts mehr. den Rhythmus brachte ich so nicht mehr hin. nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft. also da, wo ich so richtig glaubte in die Gegenwärtigkeit gekommen zu sein, da war ich dann tot.

wie das riecht das Totsein? schwer zu sagen. metallisch, irgendwie.so wie ich immer vermutete, dass eine echte Zivilisation muss riechen. ich, die eine von den Wilden ich bin. mein Großvater sagte immer, die riechen wie kaltes Blut. ich merke nur, dass die ziemlich stinken, nach Schweiß, nach Kuh- und Hühnermist, nach Hundeatem.

wir von den Wilden, wir können alles riechen. gegen den Wind schon. einen Tropfen Blut, den riech ich auf 5km Entfernung. aber hier stinkt es so, dass das Riechen einem vergeht. bei uns wird gesagt, dass es der Schmetterling ist, der von den Tieren am besten riechen kann. bei uns sind die Schmetterlinge so groß, dass es weh tut im Ohr, wenn sie schlagen mit ihren

Flügeln. der Schmetterling der verlegt so seinen Schlauch in alles hinein & der zieht mir dann die dreckigen Gedanken heraus. hier in Paris da gibt es wenige Schmetterlinge. er dem die Leber, die meine gegeben wurde, er ist ein seltsamer Vogel, aber Schmetterling ist er keiner.

vom Anfühlen her ist das TotSein nicht anders als das Leben selbst. gut?

Du kannst mir folgen. glaubte ich ja, dass jene, die sterben nicht recht haben. sie konnten ja nichts wissen. weil sie ja drauf gingen. dem Tod auf den Leim gingen, sozusagen. sich verführen liesen.

3

gummibären

er hier ist Philip. Philip malt wie ein Stier. ihm wurde meine Leber gegeben. in ihn hinein wurde meine Leber verlegt. er hat Beziehungen, hat er erklaert. hat er am Anfang gleich geklaert. sonst kommst an so ein Organ nicht ran, hat er erklaert. er ist ein erfolgreicher Kuenstler, sagt er. in Dubai. in Miami.

lass Dich nicht täuschen vom Erfolg, hat er mir gesagt. der Erfolg hat niemals recht, der Erfolg gibt keinem Recht.

und nach dem er den ersten Schock hatte überwunden, den tiefen, nachdem ich ihm sagte, dass ich hier bin, der Geist seiner Leber. seit dem sagt er immer, wenn er eine sogenannte InspirationsKrise hat, sagt er immer: fick mich Engel, fick meine Seele. und dann streckt er sich und grinst so zufrieden.

und braucht dann keine Gummibären mehr, er. keinen Wein mehr, er. keine blöden Witze mehr, er. reibt sich die Brust und beginnt zu malen.

und dann hat er begonnen zu fragen, so wie Ihr. ob das stimme, dass wenn tot man ist, dass man lernt die Wahrheit zu sagen. wie die aussieht die eine Wahrheit?

auch nicht viel anders. das einzige, was ich sagen kann; ich bin die reine Wahrheit. haha. und dann sagte er; das Sterben das lernt & übt man das ganze Leben.

ich hab erklärt ihm dann, dass das Sterben an einem Tag erlernt wird. das ist nicht weiter kompliziert.

dass einem dort die endlose Freiheit erwartet, eher nicht. das ist da, dort ist dort und da ist dort nicht anders. hier läuft das Spiel, das Gleiche. spielen wir was. schön. gern geschehen.

Danke. ist hier die Freiheit gröszer? Freiheit gibt es nur dort. hier stellt sich die Frage nach der Freiheit nicht. hier werden auch generell wenig Fragen gestellt. aber fest steht auch hier, dass alles, was man nicht an einem Tag erlernen kann, wertlos ist.

und dann glasig wurden seine Augen und sagte noch: Und was ist, wenn uns wer sieht? und ich sagte, aber wer sollte? und, mich sieht man nicht!

und dann noch, warum ich immer widersprechen muesste. kindisch, waere das.

und bestieg den Stuhl, auf dem er mich glaubte und draengelte sich in mich & das Luftschloss, das ich verkörpere, dessen Luft ich zum Körper bin, für ihn. und bekam so ein MutterGefühl. und glaubte fuer einen Moment ich, dass Haut ich hätte. eine Haut ich wäre, die ich als Geist mir aus dem Hut mir zaubern hab dürfen. und sasz ich da und schwitzte er. still war er wie ein Toter. und fühlt ich, wie seinen Drang, sein Drängeln er überall in mir verteilte.

wollte er noch wissen was. "frag nicht. frag nicht"
und schlief ein, dann, schlief. [sie deckt ihn zu]

4
unter den Oberflaechen [leise]

aber ertraeumt hatte ich mir das schon immer, das Leben an der Oberfläche vorbei. vorbei an all der Hemmung. vorbei an all dem Geheule. und keiner fragt warum. warum heute und wohin? kein Gebettel, kein Geflehe.

woher ich das mit den Hemmungen habe, in meinem Alter? ist nichts fuer mein Alter? gut.

auszerdem, hier an der Oberflaeche vorbei, da muss eine dann auch nicht mehr genau eine selbst sein.

denn so wirklich ich, wollte ich oft gar nicht sein.
wolltest Du schon mal ich sein? wollte er schon einmal ich sein? mehrmals.

mehrmals täglich. sag ich Dir.

lass Dich nicht abschrecken durch den Tod.
seh ich so schrecklich aus? der Tod ist nicht weiter relevant.

bei mir ist alles von Dauer. von Dauer muss alles sein. seine Dauer, meine Dauer. es überdauert. und das dauert dann.

[Alayna schlüpft in die Figur Philips. in erklärender Form]

es braucht die Welt da draußen er nicht. sagt er. als Künstler lebt man vorbei an dem Gehopse. eine Tatsächlichkeit ist man dann. und die Tatsächlichkeit braucht keine Entwicklung. er hatte vorher auch geglaubt, dass als Künstler eine Entwicklung man muss durchleben. aber dass das nichts als Getue und Gehopse ist, habe er früher erkannt als andere. meint er.

es lädt deshalb er immer ein sogenanntes Künstlerehepaar ein zu sich. nette Zeitgenossen, würdest Du sagen, aber als Künstler völlig unbrauchbar, sagt er.

manche Leute muss man hin zu etwas Brauchbarem zwingen, sagt er. anders lernen die nicht. nur der Eigensinn ist lebendig. weil die Leute, deren Lebenssinn dieses stetige Gehopse ist, es nicht anders wollen. weil sonst reicht ihnen eine jede Rechtfertigung aus, um mit ihrem Gelaber zu beginnen und dafür sich nach der Eröffnungsrede die Brötchen hinein zu stopfen. aus gutem Grund. wegen der Energieverschwendung.

höre ich also auf den Kopf mir zu zerbrechen, über das, was ich tue da und geb nur noch an mit mir und mir selbst. bin ich doch ein schönes Stück, genau. bestehe ich auch aus einigen schönen Stücken, kann man ein jedes einzeln herausschneiden und verkaufen. in Plastik verschweißt. und dann gehen wir in Serie. gehen wir in Serie da? bitteschön.

[Alayna wechselt in ihre ruhigere Art]

es zeichnet er Wirbelsäulen am liebsten. da sind die Dunkelheiten drinnen. sagt er. was die ganze Gesellschaft an Dunklem denkt, das bleibt in meiner Wirbelsäule stecken. vor allem in seiner, weil er ein sensibles Wesen ist. sagt er. es handle sich um unterbewusste Dimensionen, verspricht er, die wir ausdenken uns nicht können, die in einer Wirbel drinnen zu stecken vermögen. wenn ein Gedanke hinein taucht, gelangt er über die Wirbelsäule in die Erde, wirft seinen Schatten wie Durchfall in Grund und Boden, auch ohne Grund vielleicht.

meist auch einfach so ohne Grund. aber in einen Boden. und bodenlos der Kot, der zum Boden wird.

verletzlich ist so eine Wirbelsäule. zeig ich meinen Rücken, werde ich angreifbar. könnte sich wer vergreifen in mir.

es zeichnet er Wirbelsäulen am liebsten. da sind meine Dunkelheiten drinnen. sagt er. es hätte er schon auch gerne meine Wirbelsäule gezeichnet. wenn ich nur noch eine hätte, eines hätte, ein richtiges Rückgrat.

meine Wirbelsäule war da, wo es weh tut. jetzt noch. da tut es weh. obwohl nichts mehr ist. wie kann das sein? wenn nichts mehr ist, dass so weh es tut dann. hat wohl seine triefende Verletzung einen Schnitt bei mir gemacht. vielleicht gibt es ein Wort dafuer?

hatte ich die Vorahnung schon immer. die leise. dass das einzige, dass wirklich passt zu mir, die Unendlichkeit ist. war deshalb schon immer etwas langsam ich.

wenn für die Unendlichkeit entschieden hast, Dich, bist auf der sicheren Seite. dann ist die sichere Distanz gewahrt, weil keine Eifersucht mehr bleibt, dazwischen. nur der Abstand.

ich fing also an den Menschen im Schlaf zu erscheinen. all jenen, von denen ich wusste, dass sie das Geld hatten, das er brauchte.

dazu dachte ich mir Sprueche aus. damit das eindringt in die Menschen. wie Zaubersprueche. bei ihnen hinein:

[geflüstert; gehaucht]
mag sein was
ob was dran sein soll
mag was dran sein
mag was dran gewesen sein gewirkt hat es nicht

geholfen hat es nicht

wieso sollte es mir gut gehen, wenn es anderen nicht gut geht.

[wieder ruhiger]

zwei Tage spaeter standen sie meist schon vor seiner Tuer. kauften seine Bilder. es spielte der Preis keine Rolle. es spielte der Preis nur seine Rolle.

[wechselt Position]

das Sterben wollte erleben ich, weil ich es nicht im Weg haben wollte das Unerledigte. war zu neugierig ich, ob wahr es ist oder nicht. hätt klar ich nicht mehr denken können. ist nur

das Erledigte wahr. das Erlegte sozusagen. und wollt so gerne was erlegt ich sehen vor meinen Fueszen. bei uns gibt es Hirschen. so etwas haette ich gerne erlegt.

eigentlich wollte ich zeigen ja, dass sterben ich gar nicht kann, aber dann haette vielleicht ein anderer dran glauben muessen. aber einen anderen wollte ich nicht auf der Liste haben, die es zu erledigen gilt. die Liste jener, die es so schön zu erlegen gilt.

ERLEDIGT.ERLEGT. wenn Du so tot vor mir liegst, dann bist wahr Du erst für mich.

hab ich kurz mich hingelegt, um zu schauen, ob ich auch WAHR bin. wahr genug bin. auch was Wahres dran ist an mir.

dass ich nicht sterbe, wenn ich ein Buch fertig lese, war schon eine Erleichterung. ich versuchte es trotzdem kein zweites Mal. das war meine erste Erfahrung mit dem Tod.

5

was? wennS nichts wird.

es hätte etwas werden können aus Dir. es hätte etwas werden können aus mir. sagte mein Vater oft, wenn eine Verzweiflung auftat sich in ihm. dass ich all die Voraussetzungen haette, um was Groszes zu werden, eine Wirkung zu zeigen.

wenn nur die Welt eine andere waer, hat er dann oft gesagt.

aber, was? wenn nichts aus mir ich mache. wenn keiner bemerkt, was ich in die Welt hineinleiste und keiner mich heilig dafuer spricht.

war das keine leichte Aufgabe fuer mich.

ob ich etwas gegen mich habe? ich bin mir nicht sicher, ob ich ein Problem mit mir habe. schwer zu sagen. eher nicht.

vom Weinen wachsen keine Erdaepfel auf dem Feld. sagen die Groszmuetter. vermutlich sagen das alle Groszmuetter.

was ist, wenn ich keine Lust habe?
was ist, wenn nichts wird aus mir? wenn das, was ich tue mir reicht.

war ich natuerlich auch neugierig darauf, zu sehen was ist, wenn nichts ist. nichts also geworden ist aus mir.

hab ich nachgesehen.

und da hab ich bemerkt, dass da früher sich auch so oft gelegt hat was, auf die Brust. und so fest so gern ich mich gehalten hab, an dem Druck, weil ich auseinanderzubrechen sonst da drohte. war mein Schmerz, das einzige, das mich zusammenhielt? würde sonst in Luft und Wohlgefallen mich auflösen. und so aufgelöst hält auch keiner aus mich! weil ich dann so tröpfel und träufel. bei mir die Wut so raus da träufelt, überall hinein und hinaus sticht man mir ins Herz, so da rein, dann sprüh ich aus nach allen Seiten. pSSSSSSSSSSSSSS! und dann platsch, hau ich drauf, wie aufs volle SpeibSackerl.

ist das anders jetzt. bin ich ja jetzt was geworden. und bin ich jetzt mehr das, was der andere will, dass ich bin. ich bin nur das, was Du willst, das ich bin. oder was Du eben nicht willst.

mir ist die Welt so fern. bin ich so fern der Welt. verstehst Du? bin ich was die Welt gern hätt, das ich bin. fern. haha!

in der Welt da drauszen, haben alle unsere Taten einen Körper zur Folge. und für so einen Körper trägst Du die Verantwortung, trägst Du sie mit Dir herum. hier haben unsere Taten auch manchmal einen Körper zur Folge, aber nicht immer und anders. manchmal folgst Du einem Körper, folgt ein Körper Dir, lenkst Du einen Körper. das ist ganz einfach, man springt von einem zum anderen. könnt Ihr mir folgen?

ich baue an einem Körper hier auch. bau ich um ihn, einen Körper, meinen Körper, weiszt Du? lenke ihn steuere ihn ... gebe weiter ihn ...

und dann nehm ich mir etwas heraus. nehme heraus mir da etwas, wie aus dem gekochten Ei. mit dem Loeffel. vielleicht. mit dem Finger. vielleicht. wennS heisz ist und blubbert kannS zu Boden fallen. nehm es heraus da. ich. leg es neben mich. vielleicht. leg es unter mich. fahr tiefer ich. noch tiefer. mit den Fingern tief hinein. mit dem Loeffel tief hinein. unter die Kruste tief hinein. unter die Kruste, die der Koerper hier erlaubt.

und hol hervor was, aus meiner Wunde. aus meiner Ritze. ein Herz vielleicht. einen Anfang vielleicht. ein Ende vielleicht. mehr Raum vielleicht.

6
vom Verschwinden

an sich war fuer mich die Frage immer da schon, warum denn nicht einfach ein jeder geht, wenn die Zeit. wenn es die Zeit. wenn an der Zeit. wenn die Zeiten da, an Zeiten und Uhren und Jahren genuegend ich angesammelt habe. wieso gehe ich woanders hin nicht, wenn die Zeiten es so auslegen. warum da meinem Ziel ich immer folgen muss. ein Ziel vor Augen muss und hin da eile?

stehe ich im Wald ich. war davor etwas. gehe ich den Hügel hinauf. komme nicht wieder. so verschwind ich. wenn ich Lust hab. schon weg.

7
sagt er.

sagt er.
ich sehe die Welt nur aus der Sicht meines Gebrechens. muss immer fragen ich, gefaellt es meinem Schaden. wie gefaellt es meiner Wunde. wie sehe ich so eine Welt von der meinen innerlichen Verbogenheit aus. liebst Deine Wunde Du, wird alles gut. alles wird gut.

Alayna.
und das gefiel ihr. wollte sie mehr hoeren davon. wurden ihre Augen so. zitterten die Beine ihre. zitterten die ihren KünstlerEhePaarBeine und der Schweisz. dem ihren KuenstlerEhemann drueckte sie die Aufregung in die Oberschenkel. mit ihren FingerNaeglen. aufs Blut.

drueckte immer fester sie. bis alles klar wurde in ihrem Kopf. so ein Leuchten und sie wusste, sie holt sich, was sie braucht.

8
die Erde sich so dreht.

wenn so den Kopf auf den Boden, so. dann hoerst wie die Erde sich dreht. merkst Du es?

was haben wollen ist das worum es geht. lieber traeum ich von was, als es zu haben. dass sie ihn da haben will. passt doch so nicht in den Kram den meinen. passt das nicht in den Kram mir. in den Kragen nicht.

wenn ueber die Ufer was tritt, sollte da nicht das Wasser man zurueckschaufeln? das Wasser an einem zueruecklaufen.

9
ich lege jetzt was an den Tag.
[enthüllt mehrere Bilder und zerreiszt eines in Stuecke]

siehst Du, setz ich die Hand hier so her. ich lege jetzt etwas an den Tag. ... Tag und Blumen und so Sachen ....
muss meine Unabhaengigkeit beweisen. meine Unbaendigkeit beweisen. eine Unabhaengigkeit will bewiesen werden. haltlos, wie ich bin.

leg ich mich offen, ich. bin so offen ich.
au!
wenn Menschen so wehleidig tun wie ich, dann sind sie zu verachten.

und wehe es merkt wer, dass mir was gefaellt. und wehe es merkt wer, dass es mir gefaellt.

geht leicht von der Hand. geht so leichter von der Hand. es faellt. zu Boden. gefaellt. faellt leichter aus der Hand.

hab ich bekommen alles, was ich wollte. bin ich geworden was ertraeumt ich habe mir. wollt den Traum wahr haben ich?

es liegen da Gruende. da liegt was zu Grunde. von den Gruendern her liegt da schon was zu Grunde. Grund genung. an Grund hab ich, von Grund her hab ich genug.

und dann nenn ich beim Namen. nenn ich Euch beim Namen. damit Ihr ausbrecht, wie die Krankheit, die wenn den Namen sie hat, erst entsteht, wenn den Namen sie hat. der Ausschlag beginnt, wenn er beim Namen genannt wird, gefaehrlich zu werden. wenn einen

Namen er hat, denn dann kaempft mit aller Kraft um ein Ueberleben. frueher waere gegangen und geblieben, er der Ausschlag, wie er wollte. rufst Du beim Namen ihm, kommt er gelaufen wie ein Hunderl. na komm her! ja, komm! ja, so ein braves Hunderl! ja, gell! na! schau wie brav! das hast verdient Dir! so brav!

da kriegst ein Stueck von meiner Hand!!
will ich es nur schön haben. warum sollte ich es nicht schön haben?

siehst Du? siehst Du wie viel Gewicht ich brauche, um in der Welt da draußen anzukommen und zu bleiben. ungefähr soviel. [zeichnet eine Kugel mit den Händen]
wieso sollte ich es dann nicht schön haben auch?

zahlen wir zurück. lass es uns zurueckzahlen. zahl ich es Dir zurück.

gab es hier in der Stadt, hier. frueher ein Volk von Giganten, die konnten die Steine tanzen lassen. die lieszen die Steine tanzen und gehen. zu dieser Zeit gab es keine Gerechtigkeit und sie kannten keinen Gott.

er sagt, dass sie noch leben die Giganten. sie können Menschen und Tiere töten. in den Nächten nehmen sie die Gestalten der Verliebten an un paaren sich mit den Lebenden.
und ein manches Mal erscheinen sie als alte gebraechliche Maenner, einen Stock in der Hand. aber vorsicht. ihr Geist dringt in die Tiere und Menschen ein und saugt ihnen Stueck fuer Stueck die Seele heraus.

und ich?

aus der Lage heraus betrachtet. eine Lagebetrachtung. aus der Lage heraus. lege ich hier eine Betrachtung an. analysiere. analysiere ich zu Tode Dich. leg ich ab ein Urteil ueber Dich, was gleich kommt einem Tod. wenn ein Urteil und eine Meinung ich mir bilde ueber Dich, dann ist das das Ende unserer Freundschaft. dein Tod.

nur weil man es kann, heiszt nicht gleich, dass man tun es auch soll.
nur weil Du es mit einer Gewalt tust, glaubst, dass es besser ist als das, was ich tu?

gut dass es das Chaos gibt, das sagt mir, dass ich bleibe, weil ich ja zurückkommen muss, zum Aufräumen.

gut, dass endlich was Neues da ist, was, was noch nie da war. wer macht es denn, wenn ich selber es nicht mach?

mach ichS gleich, ist es erledigt auch schon. hab ich sie erledigt auch schon. hab ich sie erlegt auch schon.

10
vom Verloren gehen

und dann war weg sie auch schon. vom KuenstlerEhepaar die bessere Haelfte, war sie weg dann und er auch nur noch eine Haelfte. ob besser oder schlechter, war dann so bedeutend auch nicht mehr.

was meinst Du?

sollten wir mitnehmen doch, all unsere Geheimnisse. nehme ich mit all meine Geheimnisse. erst wenn ganz zum Geheimnis geworden bin ich. erst wenn ganz zum Geheimnis ich geworden bin. wenn ganz Geheimnis ich bin, ist geworden an mir, was sein haette sollen. schon immer sein haett sollen. bin ich geworden was.

(na komm, etwas Trinkgeld geht schon noch)

und jetzt. jetzt gehe ich verloren. wieder geht alles verloren. geht das VerlorenGehen von selbst. geh ich heute verloren. heute. soll kein Abdruck bleiben. geh verloren. ist der Mensch erst Mensch, wenn er verloren geht. wenn ein Verlust er ist. für wen auch immer. wann auch immer. woher auch immer. wie auch immer. wo auch immer.

hier also? oder? hier.

geh ich verloren.
jetzt.
geh ich verloren.
wo nie was war.
wo nie was wird.
geh ich verloren.
schon passiert.
so schnell geht das. schon verloren, ich.
so schoen verloren, ich. so schoen ich.

immer schoener.
ich.
wird das.
so verloren.
schon verloren, ich. verloren schon wieder. jetzt.

schon wieder. kein Abruck.

wieder.
schon verloren.

[]

Zum Symposium:

https://www.kath-kirche-kaernten.at/pfarren/detail/C3057/symposium-zum-thema-geheimnis-des-wortes