Von der Begräbnisbruderschaft zum modernen Verein
125 Jahre St. Josefbruderschaft St. Paul im Gailtal
Schon im Mittelalter schlossen sich Berufsgruppen, Zünfte, Bürger von Städten usw. zu Sterbevereinen oder Begräbnisbruderschaften zusammen, um in einer Zeit, in der es noch kein kommunales Bestattungswesen gab, Vorsorge für das eigene Begräbnis zu treffen. Diese Vorsorge betraf sowohl den geistlichen Aspekt (Gebete und Messen für das Seelenheil), aber auch die Organisation von Begräbnissen (z. B. Sargträger, Kerzen, Aufbahrung).
In Kärnten entstanden von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die St. Josefbruderschaften für Männer und die Bruderschaften der heiligen Ursula für den weiblichen Teil der Bevölkerung. Die Mitglieder zahlten einen Jahresbeitrag und waren verpflichtet, jeden Tag bestimmte Gebete für die lebenden und verstorbenen Brüder oder Schwestern der Bruderschaft zu verrichten, an den Totenwachen und Begräbnissen der verstorbenen Mitglieder teilzunehmen, den Sarg zu tragen, Kerzen und Leuchter beizustellen, sowie bei den Messen (z.B. 30-Tage-Verrichtungen, Jahresmessen) anwesend zu sein. Mitglied konnte jede (r) werden, der (die) das 15. Lebensjahr vollendet hatte, in der Pfarre oder Nachbarpfarre wohnte, und einen untadeligen Ruf hatte. Bei den Männern fällt auf, dass fast nur Besitzer und deren Söhne Mitglieder waren, bei den Frauen waren es fallweise auch Mägde und Dienstboten.
In St. Paul wurde bereits 1866 die „Bruderschaft der heiligen Ursula – Bratovščina svete Uršule“ gegründet und vom damaligen Pfarrer Lovrenc Sever kirchlich bestätigt. 1894 schließlich erfolgte auch die Gründung der „St. Josefbruderschaft – Bratovščina svetega Jožefa“. Die treibende Kraft für diese Gründung war der damalige Messner und Organist Vincenc Jank, vlg. „Bošt“ (1859 – 1934). Er war der Vater des nachmaligen Radsberger Pfarrers Ludwig Jank.
Der erste Obmann war der Karnitzner Schuhmacher Jurij Blüml, vlg. „Klemenč“ (1858 – 1933), der Vater des bekannten Prälaten DDr. Rudolf Blüml. Als erster Kassier fungierte Florian Hebein, vlg. „Graci“. Kirchenrechtlich bestätigt wurde die St. Josefbruderschaft 1895 vom damaligen St. Pauler Pfarrer Anton Žak.
Die St. Josefbruderschaft nahm von Anfang an einen kräftigen Aufschwung und zählte im Jahre 1900 bereits 150 (!) Mitglieder. Im Jahre 1934 hatte sie 220 Mitglieder. Die Zeit des Nationalsozialismus unterbrach die Tätigkeit aller religiösen Vereine. Die St. Josefbruderschaft war von diesem Verbot gleich doppelt betroffen, einmal als religiöser Verein, und dann wegen ihrer bis dahin slowenischen Ausrichtung. 1946 registrieren wir wieder ein Aufleben der Bruderschaft und es werden auch wieder neue Mitglieder aufgenommen. Ab diesem Jahr werden alle schriftlichen Aufzeichnungen in deutscher Sprache geführt.
Die Chronik und die Listen über die lebenden und verstorbenen Mitglieder der St. Josefbruderschaft St. Paul gewähren interessante Einblicke in die damalige soziale Dorfstruktur und sind eine verlässliche Quelle für die Vulgonamen der Häuser. Hier scheinen auch Häuser und Vulgonamen auf, die es in der Pfarre St. Paul heute nicht mehr gibt. Die Jahresrechnungen wiederum geben Zeugnis vom Wechsel der Währungen (bis 1900 Gulden und Kreuzer, ab 1901 Kronen und Heller, ab 1925 Schilling und Groschen, ab 2002 Euro und Cent), und sie widerspiegeln auch die ungeheure und rasende Inflation der 1920er Jahre, als die Menschen in kürzester Zeit riesige Vermögen und alle ihre Ersparnisse verloren. Für eine heilige Messe bezahlte die St. Josefbruderschaft im Jahre 1920 acht Kronen, 1924 hingegen 30.000 Kronen (1892 waren 30.000 Kronen über 300.000 Euro wert, 1908 waren das umgerechnet etwa 150.000 Euro, und 1918 hatte man mit 30.000 Kronen umgerechnet noch immer ein Vermögen von ca. 60.000 Euro!).
Auffallend bei der St. Josefbruderschaft St. Paul ist die Kontinuität und die lange Funktionsdauer der Amtsträger. Vinzenz Jank, vlg. „Bošt“ (1859 – 1934) war über 50 Jahre lang Messner und Organist in St. Paul und 36 Jahre lang Schriftführer der St. Josefbruderschaft. Lorenz Tschabuschnig sen., vlg. „Blekar“(1896 – 1980) war über 50 Jahre lang Messner in St.Paul und 60 Jahre lang Schriftführer der St. Josefbruderschaft. Sein Sohn Lorenz Tschabuschnig jun. (1928 – 2006) war 32 Jahre lang Kassier und 25 Jahre lang Obmann der St. Josefbruderschaft. Dessen Sohn Walter Tschabuschnig ist seit 2006 Obmann der St. Josefbruderschaft. Stefan Pirker, vlg. „Bošt“, dem wir eine ausführliche, gedruckte Chronik der Pfarre St. Paul verdanken, war über 20 Jahre lang Schriftführer der St. Josefbruderschaft. Der Autor dieses Beitrages ist also erst der vierte Schriftführer in der 125-jährigen Geschichte der St. Josefbruderschaft St. Paul!
Heute zählt die St. Josefbruderschaft St. Paul etwas über 50 Mitglieder aller Alterstufen, die aus den verschiedensten Berufen, sozialen Schichten und politischen Lagern kommen. Sie alle wollen die Tradition und die Werte der St. Josefbruderschaft weiterführen. Für die Mitglieder ist sie aber auch ein Ort der Begegnung und Ausdruck dörflicher Identität und Gemeinschaft. Rechtlich gesehen ist sie ein Verein mit einem Vorstand und Mitgliedern und unterliegt dem Kirchenrecht, nicht aber dem staatlichen Vereinsrecht. Die alten Statuten haben nach wie vor ihre Gültigkeit, darüber hinaus aber versucht man den Wirkungskreis zu erweitern und sinnvoll an die jetzige Zeit anzupassen. Es werden Wallfahrten und Ausflüge veranstaltet, und in der Pfarre bringt sich die St. Josefbruderschaft bei der Organisation von Feiern und Festen ein und unterstützt mit ihren bescheidenen Mitteln auch verschiedene Vorhaben in der Kirche. Nach wie vor aber vermittelt sie den Mitgliedern ein Gefühl der Verbundenheit, Solidarität und Zuwendung, das auch über das Lebensende hinaus reicht.
Die Jahreshauptversammlung der St. Josefbruderschaft St. Paul findet am Sonntag, den 07. April 2019 nach der heiligen Messe im Feuerwehrhaus in St. Paul statt.
St. Paul, Feber 2019
Hermann Fritz
Zum Gedenken an Pfarrer Anton Matzneller
Am 28.3.2020 ist unser ehemaliger Pfarrer, Kons. Rat Anton Matzneller, in seiner Südtiroler Heimat an den Folgen des Coronavirus gestorben. Er war damit der vierte der Südtiroler Priester, die innerhalb von zwei Wochen an dieser Seuche gestorben sind.
Pfarrer Matzneller wurde 1933 in Südtirol geboren. Nach der Priesterweihe 1961 kam er nach Kärnten und war da in zahlreichen Pfarren im Möll-, Drau-, Lesach-, Gitsch- und Gailtal tätig. 1997 wurde er Pfarrer von Saak, und nach dem Tod des Pfarrers Johann Schmid betreute er vom Jahre 2000 bis 2007 auch die Pfarre St.Paul im Gailtal. Er wird uns als freundlicher, gütiger, frommer und sehr bescheidener Mensch und Priester in Erinnerung bleiben. In seine Zeit fällt u.a. die Renovierung der schönen und wertvollen Grafenauer - Orgel. Im Jahre 2007 kehrte er in seine Südtiroler Heimat zurück, um dort den Ruhestand anzutreten, wie er sagte. In Wirklichkeit war er dort weiterhin unermüdlich in drei Pfarren tätig, wie sich St.Pauler Pfarrangehörige überzeugen konnten, die ihn besuchten und von ihm großzügig bewirtet wurden.
Nun ist sein arbeitsreiches und erfülltes Leben im 86. Lebensjahr zu Ende gegangen. Möge er in Gottes Frieden und Gnade ruhen!