Kirche Radweg
Die Pfarrkirche Hl. Radegund liegt auf dem Radweger Hügel am Südrand des Feldkirchener Beckens.
Sie gehört dem Feldkirchener Pfarrverband an. Urkundlich ist sie 1136 als Filiale von Tigring, spätestens 1251 als eigene Pfarre erwähnt. 1303 wird erstmals ein Pfarrer „Nicla von Rädwich“ genannt.
Der spitzgiebelige, im Erdgeschoss nach drei Seiten geöffnete Turm wurde 1897 im Anschluss an den westlichen Zubau von Graf Zeno Goess errichtet. Bis dahin existierte ein Chorturm des 14. Jahrhunderts über dem romanischen Chorquadrat. Die Schallöffnungen sind als zweibogige Fenster (Biforen) gebildet. Man betritt das Langhaus unter der Holzempore des 1897 verlängerten Zubaus. Von hier schweift der Blick über die rundbogigen Fenster der Südwand zum rundbogigen Triumphbogen und ins romanische Gewölbe (12. Jh.) des ersten Chorjochs. Die Kanten des romanischen Triumphbogens sind in der Gotik gegen das Langhaus zu „abgefast“, das heißt abgeschrägt worden.
An der flachen Langhausdecke sind von den 1838 geschaffenen Bildern des Franziskus Haferl (Pfingstszene und die vier Evangelisten) nur mehr die gemalten Rahmen erhalten. Die Nordwand trägt die gotischen Standbilder der heiligen Radegundis, Lucia und Apollonia. Sie wurden in der „Baierberger Werkstatt“ (südlich von Augsburg) geschaffen. Rechts hängt ein Bild der hl. Radegund.
Radegund, eine thüringische Prinzessin, wurde von den Franken geraubt und zur Ehe mit einem brutalen Merowingerkönig gezwungen. Sie führte ein Leben des Gebets, der Armenfürsorge und Krankenpflege, wurde Äbtissin des von ihr gegründeten Klosters Sainte-Radégonde bei Poitiers in Südfrankreich, wo sie auch begraben ist. Das Lied „Pange lingua gloriosi“ ihres Biographen Venantius Fortunatus wird noch heute gesungen. Der von Pfarrer Mag. Engelbert Hofer einge-weihte Millenniumsbrunnen auf dem Radweger Kirchenplatz ist ihrem Andenken gewidmet. Apollonia lebte während der Christenverfolgung in Alexandrien. Wegen ihrer Treue zu Christus wurden ihr die Zähne ausgeschlagen. Sie wird mit Zange und Zahn abgebildet und als Patronin der Zahnärzte verehrt. Lucia wurde in Syrakus von ihrem Verlobten als Christin verraten, geblendet und hingerichtet. Ihr verlorenes Augenlicht hat viele Künstler zu verschiedenen Darstellungsweisen angeregt.
Einen nachhaltigen Eindruck erwecken die gotischen Fresken der Langhaus- und der Triumphbogenwand. Die flächenfüllenden Freskenfragmente des Dreikönigszuges der nördlichen Langhaus-wand (15. Jh.) wurden vom Restaurator Walter Campidell 1983 freigelegt und konserviert. Die fragmentarischen Bilder des Triumphbogens (aus 1430) stellen, umgeben von einer Faltband-bordüre, das Jüngste Gericht und die Kreuzigung dar. Sie wurden 1946 entdeckt und durch den Kirchenrestaurator Lukas Arnold von entstellender Übermalung befreit. In der Kreuzigungsszene sind Maria und Johannes erkennbar. Im erhaltenen Bildteil des Jüngsten Gerichts wird den Seligen von Engeln unter der weisenden Hand Gottes das Himmelreich aufgeschlossen.
In die Laibung des halbkreisförmigen Triumphbogens ist (in Secco-Malerei) ein ornamental gerahmtes Sakramentshäuschen (15. Jh.) gemalt. Ein prächtiger Glasluster der Empirezeit fügt sich mit seinen bunten Glaselementen harmonisch in die umgebende Malerei und Architektur.
Der quadratische Chor ist mit den Resträndern abgeschlagener romanischer Rippen überwölbt, der Chorschluss mit spitzgratigen Stichkappen gedeckt. Gegen Osten wird er durch drei Wandflächen eines Achtecks geschlossen. Aus der Barockzeit (1716) stammt die dem hl. Sebastian gewidmete Votivstatue der Chorwand. Der Hochaltar wurde in der Zeit des Historismus (2. Hälfte 19. Jh.) in der ornamentalen Stilart des Barocks ausgebildet. Das Altarbild der hl. Lucia stammt aus dem 20. Jahrhundert.
Bis 1390 war die Kirche dem heiligen Vinzenz geweiht. Er fiel als junger Diakon der diokletianischen Christenverfolgung (Anfang 4. Jh.) zum Opfer und wird als Patron der Dachdecker, Töpfer, Winzer und Ziegelmacher verehrt. Radegundis von Thüringen ist die Patronin der Töpfer und Weber und hilft gegen Fieber bei Kindern und Wassergefahr.
Dr. Hans Neuhold