Erste Lesung vom Sonntag, 12.5.2024 Apostelgeschichte 1,15-17.20a.20c-26. In jenen Tagen erhob sich Petrus im Kreis der Brüder - etwa hundertzwanzig waren zusammengekommen - und sagte: Brüder! Es musste sich das Schriftwort erfüllen, das der Heilige Geist durch den Mund Davids im Voraus über Judas gesprochen hat. Judas wurde zum Anführer derer, die Jesus gefangen nahmen. Er wurde zu uns gezählt und hatte Anteil am gleichen Dienst. Denn es steht im Buch der Psalmen: Sein Amt soll ein anderer erhalten! Einer von den Männern, die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und in den Himmel aufgenommen wurde, - einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein. Und sie stellten zwei Männer auf: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias. Dann beteten sie: Herr, du kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast, diesen Dienst und dieses Apostelamt zu übernehmen. Denn Judas hat es verlassen und ist an den Ort gegangen, der ihm bestimmt war. Dann gaben sie ihnen Lose; das Los fiel auf Matthias, und er wurde den elf Aposteln zugerechnet. Versuch einer Auslegung: I. Ich lese die Bibel, ich denke über das gelesene Wort nach. Die Wahl des Matthias in den Kreis der Zwölf, von der die heutige Lesung berichtet, hat stattgefunden, nachdem Jesus vor den Augen der Apostel in den Himmel emporgehoben wurde. Von da an verharrten die Jünger gemeinsam in Gebet, bis zum Pfingstereignis, als sie mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden. Als Brüder werden im Neuen Testament oft die Jünger Christi bezeichnet, die wie er den Willen des Vaters tun. Die Aussage „sein Amt soll ein anderer erhalten“ bezieht sich auf den Psalm 109, in dem es um einen zu Unrecht Angeklagten und Verurteilten geht. Die Jünger haben in ihm das Schicksal Jesu erkannt. Die heute zitierte Bibelstelle ist der erste Beleg für die Weitergabe des Apostelamtes. Bis heute gelten die Bischöfe als Nachfolger der Apostel, da deren Amt und ihre Lehre in der katholischen Kirche seit zweitausend Jahren kontinuierlich weitergegeben wird. 1. Was lerne ich über Gott? In dieser schwierigen Zeit – Jesus wurde ermordet, ihr Freund und Bruder Judas wurde zum Verräter und hat sich selbst gerichtet – halten die Jünger an Gott, an Jesus, fest. Sie erkennen, dass Gott durch seinen Heiligen Geist immer wieder zu den Menschen spricht. Der zitierte Psalm stammt vom König David, der ca. 1000 vor Christus gelebt hat. Tausend Jahre später geben die Worte den Jüngern Orientierung. Die Zeiten und die Umstände ändern sich, aber das Wort Gottes ist zeitlos, es verliert nie seine Gültigkeit. 2. Wie hilft mir das Gelesene, mich und meine Beziehungen zu verstehen? Aus all den Jüngern, die Jesus folgten, hat er zwölf auserwählt, die er ständig bei sich haben wollte, die er aussenden wollte, um das Reich Gottes zu verkünden. Unter ihnen war auch Judas, auch er war ein Auserwählter. Doch er hat sich nicht ganz auf die Beziehung zu Jesus eingelassen, er hat nicht vollkommen vertraut. Vielleicht wollte er durch seinen Verrat Jesus dazu bringen, endlich seine ganze Macht zu zeigen, um das Ansehen, das ihm und damit auch seinen Jüngern gebührte, zu erlangen. Auch als ihm die Tragweite seines Handelns bewusst wurde, vertraute er nicht auf Jesu verzeihende Güte, sondern nahm sich selbst das Leben. Ich denke, in mir, und wahrscheinlich in vielen von uns steckt etwas von Judas. Wie sehr wünschen wir uns Beweise, machtvolle Wunder, die uns und allen anderen beweisen, dass das, woran wir glauben, Realität ist. Doch eigentlich ist dieser Wunsch nach Beweisen ein Mangel an Vertrauen. 3. Woran kann ich mir ein Beispiel nehmen? Ich stelle mir vor, wie traurig die Jünger waren, wie einsam, weil Jesus nicht mehr in ihrer Mitte war, wie fassungslos über den Verrat durch Judas. Wir Menschen neigen dazu, in solchen Situationen in Zerstreuung und Ablenkung Trost zu suchen. Die Jünger haben jedoch im Gebet Trost gefunden, sie haben am Glauben festgehalten und sich gegenseitig gestärkt. 4. Was soll mich ermutigen? Wir lesen in der Apostelgeschichte von den Anfängen unserer Kirche, von Vertrauen und von Zweifeln, von Wundern und von Verfolgung. Allen Widerständen zum Trotz ist diese Kirche heute weltumspannend und sie ist Zufluchtsort und Hoffnung für unzählige Menschen. 5. Was soll mich warnen? Wir erfahren aus den Medien immer wieder von Fehlverhalten, ja sogar von Verbrechen, begangen durch Priester. Das Einfachste wäre es, „die Kirche“ zu verurteilen und sich von ihr abzuwenden. Doch das Beispiel des Judas zeigt uns, dass eine Berufung zur Nachfolge Christi nicht bedeutet, dass einem Menschen der freie Wille genommen wird, oder dass er unfehlbar ist. Dass einer der Zwölf zum Verräter wurde, ist kein Grund, auch die anderen zu verurteilen oder an ihrem Glauben zu zweifeln. Genauso wenig sollte man aufgrund des Verhaltens einzelner Priester die gesamte Kirche verurteilen. 6.Was muss ich bei mir verändern? Darüber denke ich allein in Stille nach. II. Mit Gott alles besprechen. 1. Wofür kann ich danken? Durch die Weitergabe des Apostelamtes über zweitausend Jahre sind uns die Lehre Jesu Christi sowie die von ihm eingesetzten Sakramente bis heute erhalten geblieben. 2. Was muss ich bekennen? Es musste sich das Schriftwort erfüllen – bei diesen Worten habe ich Mitleid mit Judas. Es klingt so, als wäre Judas dazu verurteilt, zum Verräter zu werden, damit sich das Schriftwort erfüllen kann. Tatsächlich dürfte es wohl eher so sein, dass Judas sich frei entschieden hat, sein Verhalten aber von David in einer Vision vorausgesehen wurde. 3. Wofür will ich beten? Ich bete dafür, dass viele junge Männer die Berufung verspüren, Jesus nachzufolgen und den Priesterberuf zu ergreifen, so dass der Fortbestand der Kirche auch in Zukunft gesichert ist. Was möchte ich jemandem mitteilen? Diese Zeit, nachdem Jesus fortgegangen war und bevor sie zu Pfingsten den Heiligen Geist empfingen, war für die Apostel eine Zeit des Wartens, des Hoffens, der Unsicherheit. Wir alle kennen solche Zeiten, wo wir irgendwie aus der Bahn geworfen werden, nicht wissen, wie es weitergehen soll. Gerade in den letzten Jahren wurde uns durch eine Pandemie, durch schreckliche Kriege, das spürbar werden des sich verändernden Klimas und Flüchtlingsströme, die uns überfordern, gezeigt, dass vieles nicht so sicher ist, wie wir geglaubt haben. Doch, so wie die Kirche in ihren Anfängen, ist sie bis heute eine Fortsetzung der Beziehung zu Jesus. Wer in dieser Beziehung fest verankert ist, der kann vieles überstehen, ohne daran zu zerbrechen. Rosalinde Kagerl, 12. Mai 2024