Barmherzig wie der Vater
Predigtvorschlag und Fürbitten zum 4. Sonntag in der Fastenzeit (Lesejahr C) - von Dr. Anna Hennersperger
Evangelium: Lk 15,1-3.11-32
PREDIGT:
Das Evangelium im Evangelium
„Das Evangelium im Evangelium“: So wird das Gleichnis vom barmherzigen Vater bisweilen auch bezeichnet. Das hört sich an wie eine Steigerung oder Zuspitzung. Die frohe Botschaft in der frohen Botschaft: Der zentrale Punkt also?
Die Parabel macht eine Bühne sichtbar, auf der das Handeln der beteiligten Personen mitzuverfolgen ist. Neben den drei Hauptpersonen gibt es noch einige Nebendarsteller und wechselnde Bühnenbilder. Den Hintergrund bildet das Verhalten Jesu, sich allen Menschen zuzuwenden, niemanden auszugrenzen und mit allen Sündern und Zöllnern Umgang zu pflegen: Mit ihnen zu sprechen und Mahl zu halten. Dies provoziert die Frommen – die Pharisäer und Schriftgelehrten, die ihren Lebensstil streng nach dem Gesetz des Mose und den überlieferten religiösen Traditionen ausrichten. Die Auseinandersetzung mit ihnen ist der Anlass für das Gleichnis, das Jesus erzählt.
Der Ausreißer
Im Mittelpunkt stehen drei Männer: zwei Brüder und ein Vater. Ein Männerhaushalt also. Lange und ausführlich befindet sich der jüngere Sohn im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Erzählung Jesu. Alle Höhen und Tiefen seines Ringes um Unabhängigkeit und seines Tanzes in die Freiheit werden beleuchtet. Seine Erfahrungen in der Fremde und sein Weg zurück beschreiben einen dichten Spannungsbogen.
Der Daheimgebliebene
Als sich die Erzählung bereits im Finale befindet tritt der ältere Sohn auf die Bühne des Geschehens. Den daheimgebliebenen Sohn lockt nicht die Weite. Vielmehr hat ihn das Leben am Hof eng gemacht. Sein Lebenshorizont sind die kleinen Felder seiner täglichen Mühen. Darüber hinaus geht sein Blick nicht mehr. Sein Maßstab ist Neid und Bitterkeit. So präsentiert er eine Redlichkeit, die aus tiefer Unzufriedenheit gespeist ist. Der berechenbare, ewig gleiche Tagesablauf hat ihn zu einem pedantischen Rechner und Aufrechner gemacht. Er gönnt sich und damit auch anderen nichts.
Das Verhalten beider Söhne ist allzu menschlich. Was sie uns zeigen, findet sich als Stoff in großen Romanen, ebenso wie in Filmen und Theaterstücken aber auch im ganz normalen Alltag. Jedem der Beiden könnte man den Namen von Menschen aus dem eigenen Umkreis geben und sich selbst dabei nicht ausnehmen.
Das Erbarmen des Vaters
Ganz anders die Handlungsweise des Vaters. Was mag wohl in ihm vorgehen? Das Gleichnis Jesu offenbart, dass beide Söhne sich von ihm verabschiedet haben, der eine äußerlich, der andere innerlich.
Ist er naiv oder einfach nur zu weich und nachgiebig, dass er dem Heimkehrenden entgegenläuft ohne Wenn und Aber? Normal wäre doch, mit ihm erst einmal ein klärendes Gespräch zu führen, Bedingungen für die Heimkehr auszuhandeln und ihm das Versprechen abzunehmen, dass so etwas nie wieder vorkommt. Ist er taub für die verletzenden Vorwürfe des Daheimgebliebenen, der sich wie ein Knecht vorkommt und sich ungerecht behandelt fühlt? Würde nicht ihm, dem älteren Bruder, wegen seines Wohlverhaltens das Mastkalb gebühren?
Der Vater hat andere Maßstäbe – so das Gleichnis. Das Rechnen und Messen, das gesetzliche Denken entspricht nicht seinen Grundsätzen. Seine Großmut beim Auszahlen des Erbes war kein Zeichen von Schwäche. Seine Bereitschaft den Sohn in Freiheit ziehen zu lassen, resultierte nicht aus Ohnmacht gegenüber den Plänen seines Jüngsten. Und sein zugewandtes und verständnisvolles Eingehen auf den Zorn und die Verhärtung seines älteren Sohnes entspringt nicht einer Abhängigkeit von den Leistungen des Hoferben und dessen Wohlwollen.
Wie der Vater werden
Der Kern des Gleichnisses heißt: So, wie der Vater, so ist Gott. Er bewegt sich nicht in den herkömmlichen, für von uns relevanten Kategorien von Lohn und Strafe, Tat und Urteil und dem Eintreiben offener Rechnungen.
Gott ist Liebe ohne Nachtragen und pures Entgegenkommen. Er ist uneingeschränkte Zuwendung, vorbehaltloses und herzliches Willkommen gegenüber jedem und jeder, die oder der zu ihm heimkehrt. Er kleidet uns in die besten Gewänder seiner Freude und schmückt uns mit Ringen des Willkommens. Er öffnet alle Türen und lädt ein in das festliche und fröhliche Leuchten des Zuhauses bei ihm. Seine Liebe hat offene Arme. Er durchkreuzt all unsere Vorstellungen. Darin eingeschlossen auch die herkömmlichen Rollenmuster vom Verhalten eines Vaters und einer Mutter.
Ob er damit unser Herz berührt und uns bewegt, sich vertrauensvoll in sein großes Verzeihen hineinzubegeben? Und ob er bei uns erreicht, dass am Ende auch wir selbst wie der Vater werden?
FÜRBITTEN:
Zu Gott dürfen wir kommen mit allem, was uns bewegt. Wir bitten:
Für die Verantwortlichen in Politik und Kirche, die sich für ein friedliches Zusammenleben in Vielfalt einsetzen, für alle, die einen Beitrag zur Versöhnung von Völkern und Nationen leisten und für alle, die Frieden stiften. Du barmherziger Vater
Gemeinde: Wir bitten dich, erhöre uns.
Für alle Menschen die sich nach Freiheit und Unabhängigkeit sehnen, für die Abenteurer und für alle, die ihre Möglichkeiten nicht realistisch einschätzen können. Du barmherziger Vater
Gemeinde: Wir bitten dich, erhöre uns.
Für die Menschen, die hart und unnachsichtig zu sich und anderen sind, für alle, die andere durch harte Urteil verletzen. Du barmherziger Vater
Gemeinde: Wir bitten dich, erhöre uns.
Für alle, die Tag für Tag zuverlässig ihren Dienst verrichten, für alle, die einen festen Rahmen und Kontinuität brauchen. Du barmherziger Vater
Gemeinde: Wir bitten dich, erhöre uns.
Für unsere lieben Verstorbenen, denen Gott zu Fest der Heimkehr die Türen in sein Haus geöffnet hat. Du barmherziger Vater
Gemeinde: Wir bitten dich, erhöre uns.
Du kennst die Wege der Menschen. Wir danken dir und loben dich, heute und in Ewigkeit.
Gemeinde: Amen.
- Dr. Anna Hennersperger ist Direktorin des Bischöflichen Seelsorgeamtes der Katholischen Kirche Kärnten in Klagenfurt.