Inklusion: ein Lebens-wichtiges Fremdwort
Exklusivität ist "in". Aber manchen verwehrt sie die Teilnahme am Leben.
Inklusion ist gesetzlich festgeschrieben. Dennoch wissen viele nicht, was Inklusion bedeutet, sie wird auch nicht wirklich umgesetzt. Die "Inclusia" zeigt, was alles möglich ist, und die Politik signalisiert, das Anliegen als Auftrag anzunehmen.
![Ob bei dieser Wallfahrt am Hemmaberg oder bei baulichen Barrieren: Inklusion ist möglich. (© Foto: Haab. Grafik: Whitehotaru) Ob bei dieser Wallfahrt am Hemmaberg oder bei baulichen Barrieren: Inklusion ist möglich. (© Foto: Haab. Grafik: Whitehotaru)](/images/uploads/02_mg_8893_www_small.jpg)
„Werde ich auch im Himmel mein Chromosom zu viel haben?“, fragt das Mädchen mit Down-Syndrom. – Der Vater erzählt von seinen Überlegungen: Bisher habe er immer gehofft, dass seine Tochter im Himmel „normal“ sei, nicht mehr ausgegrenzt werde. Aber allmählich gehe ihm auf, dass er sich wohl eine falsche Vorstellung vom Paradies gemacht habe: Thomas, dem Zweifler, habe sich Jesus mit seinen Wunden gezeigt. Ja, an den Wundmalen habe er ihn erkannt, aber sie bedeuteten kein Leiden mehr. Vielleicht sei das auch mit seiner Tochter so – dass ihr Down-Syndrom im Paradies keine negative Bedeutung mehr habe ...
Trisomie und Beeinträchtigungen verschiedener Art bedeuten auch heute noch Ausgrenzung und Nachteile für den Menschen selbst und seine Angehörigen. Weshalb machen viele lieber einen Bogen um sie, als mit ihnen zu reden? Weshalb keine oder halbherzige politische Antworten auf die gesetzliche Verpflichtung, Barrieren in Köpfen und Gebäuden zu beseitigen und die volle Inklusion von behinderten Menschen zu ermöglichen?
Sprachlosigkeit und Unsicherheit
„Ich habe nicht gewusst, wie ich mich verhalten soll, wir waren alle sehr aufgeregt und unsicher“, erzählt Elisabeth Sila, Schülerin im Bachmanngymnasium, von ihrer ersten Begegnung mit behinderten Schülerinnen und Schülern der Sonderschule für Schwerstbehinderte in Villach. Diese erste Begegnung, die im Rahmen der von Dieter Klammer initiierten „Inclusia“ stattfand, liegt mittlerweile vier Jahre zurück. In der Zwischenzeit gab es nicht nur weitere jährliche Begegnungen bei der „Inclusia“, es sind sogar Freundschaften gewachsen. Die damals ängstlichen Schülerinnen wagen sich heute, auf einer Pressekonferenz offen für das Thema Inklusion einzutreten – diese Jugendlichen sind auf einem zukunftsweisenden Weg.
Dieter Klammer: Menschen mit Behinderung sind wertvolle und gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft.
Die im vergangenen Jahr geplante Auflösung der Klagenfurter Gutenbergschule war zweispältig: Zu sehr lastete der Verdacht darauf, das Interesse der Politik gälte nicht dem Wohl der behinderten Menschen, sondern dem Grundstück neben dem Landeskrankenhaus – als Baugrund für das Prestigeprojekt einer privaten Medizinuniversität. Beate Prettner, neue Soziallandesrätin, möchte einen anderen Weg einschlagen: Die Gutenbergschule und das benachbarte Berufsförderungszentrum BFZ sollen erhalten bleiben. Möglichkeiten der Dezentralisierung im Sinne der Inklusion werden zusätzlich angeboten. „Inklusion, wie sie die UN-Konvention vorsieht, kann nur unter Einbeziehung der Betroffenen, ihrer Familien und der Pädagogen geschehen“, fasst sie ihre Absichten zusammen. Es sei nötig, die Forderung vieler Eltern wahrzunehmen und Wahlmöglichkeiten zu schaffen: Während den einen mit einer kleinen dezentralen Einrichtung in Heimatnähe besser gedient ist, brauchen andere das Know-How eines Zentrums wie des jetzigen, um ihre Fähigkeiten zu entfalten.
Probleme verstehen
Statt dass solidarische Hilfe selbstverständlich wäre, müssen viele Familien um Unterstützung kämpfen.Ein Beispiel: Familien, die kranke oder behinderte Angehörige zu Hause pflegen, bekommen zwar Pflegegeld oder Tagsätze, die grundlegende Dinge abgelten. Aber was bedeutet es, wenn jemand dafür jahrelang auf Berufstätigkeit verzichtet? Sie (meistens sind ja Frauen die Pflegenden) hat für diese Zeit keine eigene Versicherung und erwirbt keinen Pensionsanspruch, obwohl diese Tätigkeit der Allgemeinheit große Kosten erspart. Dass es auch anders geht, zeigen Länder wie z. B. Schweden. Sie nehme diese Probleme als Auftrag in die begonnene Legislaturperiode mit, verspricht Beate Prettner.
In Anlehnung an die Überlegungen des eingangs zitierten Vaters könnte Inklusion bedeuten: Wir können Beeinträchtigungen oft nicht aufheben, können aber ihre negative Bedeutung aufheben. Ist das nicht ein kleines Stück Reich Gottes auf dieser Welt? Anlässe, wie sie Dieter Klammer mit der „Inclusia“ schafft, sind großartige Gelegenheiten dazu. Oder „Move“, ein internationales Treffen mit Menschen mit Behinderung, das zu Pfingsten in Tainach stattfindet. Oder wenn Bernarda Fink und Daniela Ivanova Menschen mit Behinderung ihre Stimme bzw. ihre Viola leihen (siehe oben rechts, Benefizkonzert).