Organisation

Referat für Spiritualität

Lesung - Teil 11 der Reihe Benediktinische Lebensimpulse

Eine Serie von P. Maximilian Krenn OSB, Administrator des Stiftes St. Paul im Lavanttal

Foto: Stift St. Paul i. Lavanttal
Foto: Stift St. Paul i. Lavanttal

Mehrere Stunden reserviert Benedikt täglich für die Lesung des Mönches. Die Kirchenväter haben sie die „Kommunion des Wortes“ genannt und damit ihre hohe Bedeutung für das geistliche Leben unterstrichen.

Im klösterlichen Universum schafft Benedikt tatsächlich andere Lebensbedingungen als sie die Umwelt seiner Zeit vorgegeben hat. Der antike Mensch galt noch vielmehr heute als kleines Rad im großen Getriebe seiner Zeit und musste für das tägliche Überleben einen anderen Aufwand betreiben, als wir das kennen. Daher galt die persönliche Bildung oder das Freisein für Lesung als Luxusgut.

Benedikt sieht die Würde des Menschen eben nicht allein im Broterwerb erschöpft, so wichtig der für Leib und Seele auch ist. Der Mensch ist eben mehr, er hat einen Geist, der täglich angesprochen und geachtet werden muss. Das Getriebe der Welt hat das Potential, den Menschen ganz in sich hineinzuziehen und ihn glauben zu lassen, dass das schon alles gewesen wäre. Daher verpflichtet der Hl. Benedikt alle Mönche, egal welcher Herkunft, neben Handarbeit auch zu täglicher Lesung. Das bedeutet, dass er sich bewusst und regelmäßig seines Geistes bedienen soll, der ihm ermöglicht, eine Nahrung zu sich zu nehmen, die aus der persönlichen Hinwendung zum Wort Gottes und seiner Auslegung erwächst. Jetzt erst ist es dem einzelnen möglich, die Ereignisse und Dinge des Alltags im richtigen Licht zu sehen und vom Getriebensein zum Leben zu gelangen. Er wird nicht mehr gelebt, sondern erfährt sich als ein Subjekt, das von Gott - auch in den kleinen Dingen des Lebens - angesprochen und durch sie hindurch geliebt wird.

Dass wir auch heute der Gefahr des Getriebenseins durch den Mangel an persönlicher Beschäftigung mit einem guten Buch oder dem Wort Gottes ausgesetzt sind, ist kein Geheimnis. Die Fülle an Daten und oberflächlichen Informationen, die täglich an unser Ohr dringen, geben dabei nur vor, uns bilden zu wollen. Echte Bildung geht allerdings in die Tiefe, sie dringt in mein persönliches Nachdenken und in die Bewegungen meines Geistes und Gemütes ein und erfrischt mich von Innen her.


Fragen:

  • Lese ich regelmäßig ein qualitätsvolles Buch?
  • Setze ich mich zuweilen dem kargen Wort Gottes aus?
  • Kann ich meinen Medienkonsum reduzieren?

Geben Sie ein Feedback, schreiben Sie bitte per E-Mail an P. Maximilian Krenn OSB

Regeltext

Kapitel 48: Die Ordnung für Handarbeit und Lesung

Müßiggang ist der Seele Feind. Deshalb sollen die Brüder zu bestimmten Zeiten mit Handarbeit, zu bestimmten Stunden mit heiliger Lesung beschäftigt sein. Und so meinen wir, durch folgende Verfügung die Zeit für beides ordnen zu können:

Von Ostern bis zum 1. Oktober verrichten sie morgens nach der Prim bis ungefähr zur vierten Stunde die notwendigen Arbeiten. Von der vierten Stunde aber bis zur Sext sollen sie frei sein für die Lesung. Nach der Sext und der Mahlzeit sollen sie unter völligem Schweigen auf ihren Betten ruhen. Will aber einer für sich lesen, dann lese er so, dass er keinen anderen stört. Die Non werde früher gehalten, zur Mitte der achten Stunde; dann gehen sie bis zur Vesper wieder an die Arbeit. Wenn es die Ortsverhältnisse oder die Armut fordern, dass sie die Ernte selber einbringen, sollen sie nicht traurig sein. Sie sind dann wirklich Mönche, wenn sie wie unsere Väter und die Apostel von ihrer Hände Arbeit leben. Alles aber geschehe der Kleinmütigen wegen maßvoll.
Vom 1. Oktober bis zum Beginn der Fastenzeit sollen sie bis zum Ende der zweiten Stunde für die Lesung frei sein. Zur zweiten Stunde werde die Terz gehalten. Bis zur neunten Stunde verrichten alle die Arbeit, die ihnen aufgetragen ist. Beim ersten Zeichen zur Non breche jeder seine Arbeit ab, um bereit zu sein, wenn das zweite Zeichen gegeben wird. Nach dem Essen sollen sie für die Lesung oder für die Psalmen frei sein.
In den Tagen der Fastenzeit aber sollen sie vom Morgen bis zum Ende der dritten Stunde für die Lesung frei sein. Dann verrichten sie bis zum Ende der zehnten Stunde, was ihnen aufgetragen wird.