Klösterlicher Lebenswandel - Teil 3 der Reihe Benediktinische Lebensimpulse
Eine Serie von P. Maximilian Krenn OSB, Administrator des Stiftes St. Paul
Man konnte es eingangs der Coronakrise als guten Ratschlag von Promis, Politikern und Psychologen immer wieder hören: geben sie ihrem Alltag Rituale und Struktur, damit sie nicht in ein Loch fallen oder in eine Depression rutschen. Gerade wenn der gewohnte Rhythmus wegfällt, stellt sich die Frage, wonach ich meinen Tag eigentlich ausrichte: nach der Sonne, dem Caféautomaten oder einfach nach meinem Magen?
Der Hl. Benedikt hat dieser Frage im Mönchtum eine so große Bedeutung gegeben, dass er sie in den drei Gelübden berücksichtigt hat: klösterlicher Lebenswandel oder conversatio morum (lateinisch) sagen wir dazu. Er gibt dem Eintrittswilligen zu bedenken, dass er mit seinem Entschluss eine Ordnung auf sich nimmt, die ihn sein Leben lang begleiten wird. Er braucht seinen Alltag ab diesem Zeitpunkt im Wesentlichen keine Ordnung mehr zu geben, sondern er soll lernen, sie einzuüben und anzunehmen. Der Tag beginnt und endet mit dem Gebet, die klösterlichen Mauern stecken ein Gebiet ab, das ihm Zuhause ist. Zeiten der Stille prägen seinen Alltag, das gemeinsame Mahl ist selbstverständlich, die ihm zugewiesen Arbeit und die tägliche Lesung sind weitere Fixpunkte.
Ordnung kann fad, abstoßend und anziehend wirken, einengend oder eben befreiend. Benedikt weiß um beide Dimensionen Bescheid. Sie wirkt unterjochend, wenn ich als Individuum, als Person darin nicht mehr vorkomme. Dann ist es höchste Zeit, mich in einer solchen Lebensform zu hinterfragen.
Auf der anderen Seite läuft der Mensch ohne eine Ordnung, die ihm - auch privat - gegeben ist, in Gefahr, in ein Burnout zu rutschen, weil er meint, er müsse die Grundkomponenten seines Lebens selbst erfinden. Dazu gehören Fragen nach dem eigenen Geschlecht, ob es einen Gott gibt oder schlicht die Sinnfrage. Der benediktinische Zugang dazu ist, dass wir nicht die Welt und unser Leben erfinden müssen, sondern, dass wir Suchende sind; das bedeutet, dass wir daran glauben, dass alles da ist und zwar zu unserem Wohl. Suchende sein, heißt, im Vertrauen und nicht in der Hybris (Selbstüberschätzung) zu leben; heißt, dass wir zwar zuweilen auch schmerzvoll Fragende sind, aber mehr noch Gefundene. Eine Lebensordnung, der ich von Herzen folgen kann, macht mich für diese Suche frei, weil sie mich von einer Grundlast des Lebens befreit und damit zum Leben ermutigt. - Die Ordnung, die du hältst, hält dich, hat mir einmal ein Mitbruder gesagt.
Die allermeisten Gäste unserer Klöster schätzen paradoxerweise genau diesen Raum: endlich nicht ständig darüber nachdenken müssen, was als nächstes kommt, um einer neuen Freiheit Luft zum Atmen zu geben.
Fragen
- Gibt es in meinem persönlichen Alltag fixe Zeiten, Rituale, die mir Freiheit vermitteln?
- Worauf sollte ich diesbezüglich wieder achten?
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Regeltext
Kapitel 48, 1-6: Die Ordnung für Handarbeit und Lesung
Müßiggang ist der Seele Feind. Deshalb sollen die Brüder zu bestimmten Zeiten mit Handarbeit, zu bestimmten Stunden mit heiliger Lesung beschäftigt sein.
Und so meinen wir, durch folgende Verfügung die Zeit für beides ordnen zu können:
Von Ostern bis zum 1. Oktober verrichten sie morgens nach der Prim bis ungefähr zur vierten Stunde die notwendigen Arbeiten.
Von der vierten Stunde aber bis zur Sext sollen sie frei sein für die Lesung. Nach der Sext und der Mahlzeit sollen sie unter völligem Schweigen auf ihren Betten ruhen. Will aber einer für sich lesen, dann lese er so, dass er keinen anderen stört.
Die Non werde früher gehalten, zur Mitte der achten Stunde; dann gehen sie bis
zur Vesper wieder an die Arbeit.