Organisation

Jahr der Barmherzigkeit 2015 - 2016

Barmherzigkeit in den Weltreligionen

Vortrag im Rahmen der ViDeo-Veranstaltungsreihe in Villach-St. Josef

 (© Foto: ZS)
(© Foto: ZS)

Über die Barmherzigkeit in den großen Religionen der Welt referierte Hochschulseelsorger Hans Peter Premur am 24. Mai um 19.30 Uhr im Pfarrsaal Villach-St. Josef. Wenn wir barmherzig handeln, wird die Welt besser, Armut wird weniger und der Frieden wird erreichbarer. Dazu sind besonders die Weltreligionen aufgerufen.

Judentum

Barmherzigkeit Gottes ist eine der herausragendsten Eigenschaften Gottes. Gott offenbart sich selbst als barmherziger und gnädiger Gott (Ex 34,6). Er ist treu und barmherzig. Er vergisst seine Kinder nie (Jesaja in 49,15-16). Er verzeiht ihnen. Er erbarmt sich ihrer. Selbst das hebräische Wort rachamim (wörtlich Gebärmutter) betont die Ausnahmestellung der Barmherzigkeit. Es drückt die Gefühle, die eine Mutter empfindet, wenn sie ihr Neugeborenes zum ersten Mal in Empfang nimmt, aus. Die Wichtigkeit der Barmherzigkeit im Judentum kommt besonders bei dem uralten Gebot den Fremden, den Heimatlosen aufzunehmen, zum Ausdruck.

Christentum

Jesus ist die ultimative Offenbarung der göttlichen Barmherzigkeit. Er bezeugt sie in seinem ganzem Leben, dem Auftreten und der Lehre. Wie er das barmherzige Handeln versteht, kann jeder in seinen Gleichnissen (z. B. barmherziger Samariter oder barmherziger Vater) sehen. Wie man mit dem Scheitern und den Umbrüchen im Leben umgehen soll, ist aus den Beispielen der Barmherzigkeit in den Evangelien, ersichtlich. Man könnte sagen: Jesu Botschaft ist eine Botschaft der Barmherzigkeit. Jesus will durch das barmherzige Tun und Lehren den Zugang zur Wirklichkeit Gottes eröffnen. Er will zeigen, wie Gott in seinem Wesen ist. Er will sie als Motivation für seine Jünger und Jüngerinnen verstanden wissen. In ihrer globalen geopolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimension ist die Barmherzigkeit für die Kirche der Antrieb für die Gestaltung der Wirklichkeit.

Islam

Die Bedeutung der Barmherzigkeit im Islam offenbart sich schon am Anfang des Korans. Der erste Vers der ersten Sure beginnt mit der Anrufung Gottes, als den Barmherzigen und den Erbarmer („Bismi Illahi l-rahmani l-rahim“ – Im Namen Gottes des Allerbarmers, des Allbarmherzigen). Alle anderen Suren, außer der neunten, beginnen auch mit der gleichen Bezeichnung. Zu den häufigsten Namen Gottes gehören Allerbarmer (Ar-Rahman) und Allbarmherziger (Ar-Rahim). Die Barmherzigkeit ist auch eine der fünf Säulen des Islam. Alle Muslime sind zur Barmherzigkeit verpflichtet, denn, wer nicht barmherzig sei, werde keine Barmherzigkeit erlangen.

Indische Religionen

In den indischen Religionen ist der Sinn des Lebens die Bestrebung nach der Befreiung aus dem beengten Zustand. Entgegen der gängigen Meinung, dass dies in diesen Religionen durch die Selbsterlösung erreichbar sei, geschieht die endgültige Erleuchtung und Vereinigung durch die göttliche Gnade. Gott selbst ist ein Ozean der Gnade und der Barmherzigkeit. Dadurch wird die Liebe in uns erwachen. Erlösung geschieht durch die guten Werke, die wiederum aus dem Mitgefühl der Schöpfung und den Menschen gegenüber erwächst. Das Mitgefühl ist das, was Barmherzigkeit genannt werden kann.

Buddhismus

Für den Buddhismus ist die Erleuchtung das fundamentale Ziel allen menschlichen Strebens. Sie ist eng verbunden mit dem barmherzigen Handeln. Buddha wollte nicht aus der Barmherzigkeit den Menschen gegenüber in das Nirwana. Die barmherzige Absicht ist auch im Bodhisattva-Gelübde enthalten, das zum Mitgefühl zum Wohle aller fühlenden Wesen motiviert. Mitgefühl bedeutet, aus dem Kreislauf des Leides herauszubrechen, frei vom Leid zu sein. Mitgefühl ist eines der vier himmlischen grenzenlosen Geisteszustände (Brahmaviharas). Die anderen drei sind Mitfreude, Gleichmut und Liebe.