Der neue Franziskusbote August 2024 ist da!
Von der Lieblosigkeit
Liebe Geschwister, liebe Freunde des hl. Franziskus!
Wir befinden uns mitten im Sommer. Der August ist die Zeit des Portiunkulafestes, des Festes der hl. Klara von Assisi und des Hochfestes „der Aufnahme Mariens in den Himmel“ in der Mitte des Monats. Es ist ein heller, leuchtender Monat der Freude und der Liebe.
Und diese Liebe zu Gott und zum Nächsten fällt uns Menschen oft nicht so leicht. Das liegt in unserer Natur. Wir sind oft viel schneller und genauer im Urteilen über andere als im Nachdenken über uns selbst. Und genau diese menschliche Schwäche hindert uns oft im Fortschreiten in der Liebe, die unseren geistlichen Weg aber bestimmt.
Lieblosigkeit
Was für ein Wort! Wir hören es im Alltag heute wenig. Wir neigen dazu, liebloses Verhalten zu entschuldigen, schnell zu erklären und das oft auch psychologisch. Auf unserem Glaubensweg hilft uns das nicht. Da bleiben wir stehen und entwickeln uns nicht weiter. Da hilft der klare Blick eines guten Beichtvaters, dieses Thema anzugehen.
In der heutigen Zeit reden wir gerne über die Liebe und verstehen alles Mögliche darunter, nur nicht die christliche Nächstenliebe, die unser Ideal sein soll. Und so nehmen wir die Lieblosigkeit oft gar nicht wahr.
In den alten franziskanischen Drittordensbüchern, in diesen „Schatzkisten des Glaubens“, ist das nicht so. Da wird die Lieblosigkeit klar benannt und an der Wurzel gepackt.
Und das wollen wir heute kurz tun.
Der Geist der Lieblosigkeit
Laut dem „Hausbuch des Dritten Ordens“ ist der Geist der Lieblosigkeit die Sucht, über den Mitmenschen „schief zu denken“, seine Handlungen übel auszulegen und seine Handlungen in Wort und Tat zu verurteilen. Dieses Verhalten ist der Glaubenstiefe hinderlich und widerspricht völlig dem Geist der christlichen Religion, so auch die Autoren des Buches, P. Norbert Stock und P. Franz Tischler.
Ja, es gibt sehr strenge, bittere Menschen, die vielleicht auch viele schlechte Erfahrungen gemacht haben und „die diese Strenge auf alles und jedes übertragen“, wie auch der hl. Franz von Sales meint.
Dennoch wurzelt dieser Geist der Lieblosigkeit zumeist im eigenen Stolz, einem Mangel an Selbstkritik und der Haltung, alles und jeden Menschen unbarmherzig zu beurteilen. Das kann zu einer inneren Haltung werden, der man nur in der regelmäßigen Beichte entgegenwirken kann. Mit der Hilfe Gottes, eines guten Beichtvaters, eines tiefen Gebetslebens und einer bewusst liebevollen Zuwendung zu den Mitmenschen kann da in uns viel verändert werden.
Der Zeitgeist
Sehr häufig ist es auch der Zeitgeist, der zur Haltung eines solchen lieblosen Umganges mit den Mitmenschen viel beiträgt. Das war schon in früheren Jahrhunderten so, aber besonders auch in unserer Gegenwart.
Je mehr wir unser Leben nach dem Weltgeist ausrichten, uns von oberflächlichen Medien beeinflussen lassen, die uns falsche Ideale vorspiegeln, die von Materialismus, einer allumfassenden Sexualisierung und einer gedankenlosen Ausrichtung auf Genuss und Vergnügen geprägt sind, umso egoistischer und liebloser werden wir.
Unsere Berufung in den Dritten Orden ist ein unschätzbares Geschenk. Unsere Regel, das Leben nach dem Evangelium, ist die wichtigste Richtlinie, um der Gefahr der Lieblosigkeit nicht zu verfallen. Leben wir ihr gemäß, lieben wir unsere Ordensregel, die uns vor so vielem bewahrt.
Seien wir vorsichtig in den Gesprächen mit anderen, lassen wir uns nicht in das Verurteilen und Herabsetzen unserer Mitmenschen hineinziehen, das so schnell geschieht. Oft auch, indem wir schweigend zustimmen, wenn verurteilt wird.
Wenn wir ein wirkliches Vergehen wahrnehmen, dürfen wir den Bruder/die Schwester unter vier Augen darauf ansprechen. Der Richter über menschliches Fehlverhalten ist Gott, der auch uns richten wird.
Denken wir gut über andere! Jeder ist von Gott geliebt! Wohlwollende Gedanken und Worte über andere sind ein Zeichen von Demut, ein Zeichen, dass man den Mitmenschen achtet und schätzt und ein friedfertiges „Kind Gottes“ ist. Friedfertigkeit ist eine der wichtigsten Eigenschaften der Franziskaner. Streben wir danach immer wieder neu! Suchen wir nicht nach Fehlern, seien wir milde im Urteil, aber nicht blind gegen das Böse!
Der überaus liebevolle Bruder
Nun möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen aus dem Leben des hl. Franziskus und seinen ersten Brüdern. Bruder Leo, der „Sekretär“ des hl. Franziskus und ihm besonders nahe, soll einmal folgende Erscheinung gehabt haben:
Er sah eine lange Reihe von Minderbrüdern in wunderschönem Glanz und einen darunter, dessen Schimmer und Glänzen alle anderen Brüder übertraf. Ihn konnte er fast gar nicht anschauen, weil er gar so leuchtete. Bruder Leo musste den Blick von ihm immer wieder abwenden. Auf seine Frage, wer denn dieser überaus glänzende Bruder sei, wurde ihm mitgeteilt, dies sei Bernhard von Quintavalle, der erste Gefährte des hl. Franziskus.
Bruder Leo fragte, warum dieser denn gar so leuchte, mehr als alle anderen Brüder in der Reihe. Es wurde ihm geantwortet: „Bruder Bernhard strahlt so, weil er in seinem Leben alles, was er an anderen bemerkt hat, gut ausgelegt hat. Er hat sie immer für besser gehalten als sich selbst.“
Liebe Geschwister, liebe Freunde des hl. Franziskus, möge uns das Beispiel des Bruders Bernhard von Quintavalle ins Herz leuchten und es erhellen, wenn uns wieder einmal der Sinn nach verurteilenden Worten steht. Unsere Zunge kann ein sehr liebevolles Sprechorgan sein oder ein verletzendes. Wir können mit unseren Worten ganz viel Gutes bewirken und mit unserem Nicht-Sprechen. Auch unser Hinschauen auf den Mitmenschen ist wichtig. Wie der hl. Franz von Sales sagt: „Wenn ein Werk des Nächsten hundert Seiten hat, muss man es allzeit von der besseren Seite ansehen!“
Euch allen einen gesegneten, gnadenreichen Monat August voll Freude und Liebe, das wünscht euch eure
Sr. Klara / Christine Walder
Pace e bene!