Organisation

Bischöfliches Seelsorgeamt

Himmelsgeschenke an die Welt von heute machen

Paul Michael Zulehner referierte im Klagenfurter Diözesanhaus unter dem Thema ZEITENWENDE über Aufgaben und Chancen kirchlicher Strukturreformen

„Wir Christen sind nicht (nur) dazu auf Erden, um einst in den Himmel zu kommen, sondern dass der Himmel schon jetzt zu uns kommt.“ Dieses Zitat des verstorbenen Aachener Bischofs Klaus Hemmerle stellt Prof. DDr. Paul Michael Zulehner an den Beginn seines Vortrages, den er am 29. November im vollen Festsaal des Klagenfurter Diözeanhauses gehalten hat. Es ging dabei um die kirchliche „Zeitenwende“ und die Aufgaben und Chancen kirchlicher Strukturreformen. Der Katholische Akademikerverband Kärnten, das Bischöfliche Seelsorgeamt und das Referat für Priester in der Diözese Gurk hatten dazu eingeladen, und viele - unter ihnen auch Bischof Dr. Josef Marketz sind gekommen, um zu hören und mitzudiskutieren.

Noch bevor der international renommierte Pastoraltheologe und Religionssoziologe auf die derzeit in fast allen Diözesen stattfindenden Reform- und Entwicklungsprojekte zu sprechen kam, spannte er einen weiten Bogen, in dem sogenannte „Himmelsgeschenke an die Welt von heute“ auch im Blick auf die Verkündigung von Papst Franziskus eindringlich ins Gedächtnis gerufen wurden.

Es gäbe eine „tiefe Einheit im Sein (chain of being)“, die die Umwelt zur „Mitwelt“ mache. Darin sei auch die unantastbare Würde sowie Gleichheit aller (vgl. Gal 3,28) festzumachen, sagte Zulehner. Aus dieser Einheit im Sein folge konsequenterweise eine „universelle Solidarität“. Es dürfe nämlich keine Teilung der Welt in arm und reich geben. Nur Gerechtigkeit schaffe Frieden. Und Zulehner schloss seine inhaltsschweren Vorbemerkungen mit einem Plädoyer für eine „Kultur des Vertrauens“, denn Glaube könne eine Gegenkraft gegen die sich ausbreitende Angst sein.

Videomitschnitt - Vortrag Zulehner - 29. November 2024

https://youtu.be/FKO3s8Igtps

Zeitenwende: Aufgaben und Chancen kirchlicher Strukturreformen

Im Hauptteil seiner Ausführungen nahm Zulehner die Themen der Kirchenentwicklungsprozesse in österreichischen Diözesen in den Blick. Dabei stützte er sich auf repräsentative Online-Umfragen. Von entscheidender Bedeutung bei der Bewertung von kirchlichen Strukturreformen seien auch die latenten Kirchenbilder der Befragten. Und da stehe dem Kirchenbild des Ersten Vatikanums (Priesterkirche) die sog. Taufberufungskirche des Zweiten Vatikanums gegenüber. In der Priesterkirche werde die Pfarrgemeinde vom Priester her gedacht, in der Taufberufungskirche vom Volk Gottes her, von den Getauften, die ihre Taufberufung angenommen haben, sagte Zulehner.

Ein weiteres Bild von Kirche neben den Vatikanischen Kirchenbildern ist die Dienstleistungs- und Servicekirche. In Form einer modernisierten Priesterkirche zeigt sie sich als eine sog. „Expertenkirche“. Dienstleistung in einer Taufberufungskirche wird konkret in sozialen Diensten, die die Gemeinschaft der Getauften leistet. Die Amtskultur in diesen unterschiedlichen Konzeptionen von Kirche ist höchst unterschiedlich: Die Priester- bzw. Expertenkirche wird von Hauptamtlichen „betrieben“, führte der Referent anschaulich aus, während die Taufberufungskirche vom Engagement vieler Ehrenamtlicher lebt.

Die vorgestellten Kirchenbilder sind gleichzeitig präsent. Dadurch komme es zu vielen Polarisierungen in den Gemeinden. Die von Zulehner vorgestellten Studien zeigen, dass Vertreter der Priesterkirche gegenüber Strukturreformen weitaus resistenter seien als Christen, die sich für eine Taufberufungskirche einsetzen. So könnten Strukturreformen den Übergang zu einer zukunftsfähigeren Taufberufungskirche beschleunigen, meint Zulehner.

Ein weiteres Thema war eine „neue Ehrenamtskultur“. Auch ehrenamtliche pastorale Tätigkeit soll „professionell“ geschehen. Und dafür ist der Support von hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeitern notwendig, sagte Zulehner, um schließlich noch ausführlicher auf die „Raumgerechtigkeit“ von Strukturreformen zu sprechen zu kommen. Seine Faustregel diesbezüglich lautet: „Je mehr regional, desto mehr lokal“. Regional wird in Projekten gearbeitet, auch unter Einbeziehung von Hauptamtlichen; lokal hingegen findet das Leben von Gemeinschaften des Evangeliums statt.

Diskussion & Gespräch

Im Anschluss an den Vortrag von Paul Michael Zulehner stellten sich als weitere Diskussionspartner:innen noch die Direktorin des Bischöflichen Seelsorgeamtes, Mag. Elisabeth Schneider-Brandauer, die Leiterin der Abteilung JungeKirche, Mag. Irina Kolland, und der Villacher Stadtpfarrer Dr. Richard Pirker – er ist auch geistlicher Assistent des KAV – auf das Podium. In der von Dr. Karl-Heinz Kronawetter (KAV-Vorstandsmitglied und CR der Internetredaktion) geleiteten Diskussion, die auch dem zahlreich erschienenen Publikum ausreichend Gelegenheit bot, sich aktiv am Gespräch zu beteiligen, ging es dann um konkrete Kirchenerfahrungen.

Junge Menschen haben Fragen, und sie wollen Antworten haben, „die nicht aufgesetzt wirken“, betonte Irina Kolland. Zulehner stimmte dem voll zu und ergänzte, dass es jungen Menschen bei ihrem ehrenamtlichen Engagement vor allem um verstärkte Partizipation gehe.

Direktorin Schneider-Brandauer umschrieb den Status Quo des Kärntner Kirchenentwicklungsprozesses mit „mittendrin und auf dem Weg“. Sie blickte vor allem auf Orte und Ereignisse, die Mut machen, und betonte dabei ihre große Freude über das rege Interesse an dieser Veranstaltung.

Richard Pirker – er hatte die Idee, Professor Zulehner nach Klagenfurt einzuladen – erzählte von den Spannungen zwischen den verschiedenen Kirchenbildern, die auch auf seine Gemeinden zutreffen. Was (diözesane) Entwicklungsprozesse betrifft, wünsche er sich vor allem Transparenz. Das werde sich nämlich bezahlt machen und die Ehrlichkeit und die Freude am Evangelium.

Es wurden noch viele weitere Fragen, wie z. B. die Rolle der Frau in der Kirche oder das (mangelnde) politische Engagement der Kirchen, angesprochen und diskutiert.

Videomitschnitt - Podiumsgespräch und Publikumsdiskussion:

https://youtu.be/Lvc1zWY7ygE