Organisation

Katholisches Bildungswerk

Bildungsarbeit in der Justizanstalt Klagenfurt

„Welt, ich komme (zurück)!“

Viel zu selten bedenken BeamtInnen, Politik und Gesellschaft, dass InsassInnen nach der Haft wieder in die Gesellschaft zurückkehren. Allein diese Tatsache sollte jenen bewusst gemacht werden, die sich dagegen verwehren, dass RechtsbrecherInnen nicht nur weggesperrt werden, sondern auch Aus- und Weiterbildung bekommen, um nach der Entlassung nicht wieder dort anknüpfen zu müssen, wo sie vor der Inhaftierung aufgehört haben.
Bildungsarbeit in der Justizanstalt geht weit über Freizeitbeschäftigung hinaus, als die sie von Kritikerinnen immer wieder bezeichnet wird. Sie ermöglicht InsassInnen (oft erstmals in ihrem Leben) Erfolgserlebnisse und unterstützt sie dabei neue Lebensperspektiven zu entwickeln.

Seit 2002 bietet das Katholische Bildungswerk den InsassInnen der Justizanstalt Klagenfurt Bildungsangebote zu den verschiedensten Themenbereichen an: Kreativität, Kunst & Kultur, Musik, Basisbildung, Persönlichkeitsbildung, Umweltbewusstsein sowie politische, gesellschaftliche, soziale und religiöse Bildung.
2012 erhielt das KBW dafür sogar den Preis der Kärntner Erwachsenenbildung.

Doch warum überhaupt Bildung in der Justizanstalt?

Christine Schicho, Sozialpädagogin in der Jugendabteilung der Justizanstalt Klagenfurt und Susanne Axmann, KBW-Koordinatorin für die Bildungsarbeit in der Justizanstalt Klagenfurt geben Antwort auf diese Frage:

Sozialpädagogin Christine Schicho,<br />
Foto: Artatsch
Sozialpädagogin Christine Schicho,
Foto: Artatsch

Schicho: Häufig sind in den Justizanstalten sogenannte bildungsferne Personen zu finden. Teils weil sie schlechte Erfahrungen mit den verschiedensten Bildungseinrichtungen gemacht haben, teils weil sie aus vielerlei Gründen keinen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten hatten.
Aufbauend auf dem Bildungsverständnis, dass jedem Menschen zu jeder Zeit eine Chance für seine individuelle Weiterentwicklung gegeben werden soll, ist Bildung in diesem Fall ein essentieller und wertvoller Beitrag dieses Manko auszugleichen.
Der Bildungsbegriff in den Justizanstalten ist aber nicht nur ein rein auf schulischem Lernen aufgebauter Begriff, sondern ein umfassender. Das heißt, dass Wissen in unterschiedlichsten Bereichen vermittelt wird, um aktuelle politische, gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge zu erkennen und auch dementsprechend handeln zu können.

<em>Susanne Axmann, KBW-Koordinatorin für die Bildungsarbeit in der Justizanstalt Klagenfurt</em>
Susanne Axmann, KBW-Koordinatorin für die Bildungsarbeit in der Justizanstalt Klagenfurt

Axmann: Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung. Bildung öffnet die Herzen, die Augen, oft Türen. Bildung bringt Farbe ins Leben. Bildung ist gerade für Menschen in der Situation Straffälligkeit und Freiheitsentzug ein wichtiges Instrument.
Denn gebildete Menschen sind neugierige Menschen, sind auf der Suche nach anderen Wegen, neuen Antworten. Gebildete Menschen können nachdenken, frei und mutig entscheiden und dabei eingefahrene Muster verlassen. Sie hinterfragen, bilden sich eine eigene Meinung und können sich von Gruppenzwängen befreien.
Bildung stärkt die Persönlichkeit und das Selbstwertgefühl und damit die Fähigkeit sich selbst kritisch zu reflektieren. Körperliche Unfreiheit kann hier genützt werden, um mehr geistige und seelische Freiheit zu erlangen, um mit neuen Perspektiven zurück in die Gesellschaft zu kommen. Genau diese Stärkungen benötigen die InsassInnen, unsere StudentInnen.

Wieso werden die einzelnen Angebote des KBW unterstützt, was sind eure Überlegungen dazu? Warum gibt es Kreativkurse? Warum politische Bildung?

Schicho: Jegliche Bildungsangebote - dazu zählen diverse Workshops, sämtliche Kreativangebote - dienen immer dazu, den Menschen in seiner gesamten Persönlichkeit zu erreichen und zu erfassen. Ziel ist es, die kognitiven, motorischen und affektiven Fähigkeiten gleichermaßen aufzuspüren und zu fördern. Die Sensibilisierung aller Sinne, die Förderung der eigenen Kreativität und Begabungen sowie des sozialen Lernens stehen dabei immer im Fokus.
Wir versuchen mit allen unseren Angeboten Wissen und Kenntnisse zu vermitteln, die jeden befähigen durch verantwortungsbewusstes Handeln an der Gestaltung der Gesellschaft mitwirken zu wollen und auch zu können.

Gefangenenchor und Percussiongruppe der Justizanstalt Klagenfurt, Foto: KBW
Gefangenenchor und Percussiongruppe der Justizanstalt Klagenfurt, Foto: KBW


Axmann: Mit Kreativität können wir Gefühle ausdrücken, Neues schaffen, Spuren hinterlassen. Wir dürfen unbeschwert und fröhlich sein, Freude haben am ureigenen Tun, an unserem Produkt. "Ich kann das!" steigert das Selbstwertgefühl.
Kreatives Tun lässt uns - ohne Drogen - in den Flow kommen und äußere Umstände vergessen. Es lehrt uns aber auch, dass Durchhalten Sinn macht, wir Techniken erlernen müssen um nicht zu dilettieren.
In kreativen Gruppen, in denen konzentriert gearbeitet wird, spüren alle diese ganz besondere Atmosphäre, eine spezielle Spiritualität, die uns mit einem Etwas, weit außerhalb von uns, verbindet. Es heißt aber auch, Kritik auszuhalten, zu korrigieren. Das erfordert Mut und Selbstbewusstsein. Das gemeinsame Arbeiten fördert gegenseitige Anerkennung, Hilfsbereitschaft und Kooperation.

Rap "warte-auf-mich" - entstanden im Rahmen eines Bildungsangebot in der JA Klagenfurt.mp3

In der Reihe "Politische Bildung" lernen die InsassInnen das System unserer Demokratie und der Rechtsprechung (wieder) kennen. Menschenwürde, Religionsfreiheit, das soziale Gefüge und welche Verantwortung jede/r Einzelne dafür trägt. Diskussionen, praktische Tipps und Übungen geben den InsassInnen die Möglichkeit, auf Augenhöhe mit den ReferentInnen zu sprechen und zu profitieren. Menschen werden hinter den "Personen der Öffentlichkeit" spürbar, andere Lebensentwürfe nehmen Gestalt an.

Was bewirken die Angebote? Was bemerkt Ihr bei den Insassen?

Schicho: Wenn die Hemmschwelle der meist mangelnden Motivation und auch die Angst sich bloßzustellen einmal überwunden sind, dann ist bei den meisten TeilnehmerInnen der diversen Aus- und Weiterbildungsprogramme oftmals eine deutlich spürbare Aufwertung ihres Selbst zu erkennen. Jede/r kann sich aus dem vielfältigen Bildungsangebot das herauspicken was ihm/ihr gefällt, oder er/sie eben gut kann. Alle Angebote bieten einen Raum, in dem gelobt werden darf und auch wird, wo jede/r ihre/seine Stärken hervorkehren kann und jede/r für sich als Mensch wahrgenommen wird, wo für kurze Zeit alle strengen Formalismen des Gefängnisalltages ein wenig in den Hintergrund treten.

Und das sagen die InsassInnen zu den Bildungsangeboten:

"Als Musiker bin ich wer, eine Stunde ohne Paragraphen und Schlüsselrasseln, einfach nur Mensch"

"Hier darf ich zeigen, was ich kann!"

"Hier sind alle gleich, egal woher sie kommen. Es ist wichtig, einander zu respektieren."

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich das kann!"

„So stell´ ich mir Resozialisierung vor!" – Feedback von Insasse zum Theaterworkshop