Informationen zu EHENICHTIGKEIT und EHEAUFLÖSUNG
Worum geht es hier?
Von seinem Wesen her ist der Mensch auf Beziehung und Partnerschaft angelegt. Männer und Frauen sehnen sich danach, zu lieben und geliebt zu werden und mit einem geliebten Menschen gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Die Ehe – ob standesamtlich oder kirchlich geschlossen – bietet der Liebe von Mann und Frau den rechtlichen Schutz. Ein Ehepaar kann auf die vorbehaltlose Liebe und unbedingte Verlässlichkeit, mit der man sich gegenseitig und auch die Kinder annimmt, hoffen und vertrauen. Dies sollte in allen Lebenslagen, auch in Unglück und Not, in Alter und Krankheit der Fall sein.
Leider ist in unserer Gesellschaft die Trennung von Ehepartnern und das Scheitern von Ehen ein zunehmendes und oft mit persönlichen Leid verbundenes Phänomen. Nach einer gescheiterten Ehe geht aber der Wunsch und das Bedürfnis nach Partnerschaft häufig nicht verloren und in einer neuen Beziehung kann neues Glück erfahrbar sein. Oft entsteht der Wunsch nach einer „zweiten Chance", einer zweiten Ehe, die die Katholische Kirche aus theologischen Gründen nicht legitimieren kann.
Die katholische Ehelehre
Wenn sich ein Paar entschließt, nach der standesamtlichen Eheschließung auch kirchlich zu heiraten, dann sollte man sich bewusst sein, dass dahinter mehr steht als der Brauch, in Weiß und in festlich geschmückter Kirche bei schöner Orgelmusik den Tag zu verbringen. Eine kirchliche Hochzeit ist auch kein Garantie-Schein gegen das Scheitern der Ehe. Mann und Frau geben sich bei der kirchlichen Eheschließung gegenseitig das Ja-Wort zu einem gemeinsamen Leben in Liebe und Treue und in dem Bewusstsein, offen für das Wachsen zu einer Familie zu sein.
Die Ehe ist der von Gott gewollte Bund von Mann und Frau, der Abbild und Vergegenwärtigung des Bundes Christi mit seiner Kirche ist (vgl. Epheserbrief 5,32) – unter Getauften hat Christus die Ehe zum Sakrament, zum Zeichen der Nähe Gottes, erhoben.
Durch ihr Ja-Wort bilden Mann und Frau eine neue Einheit, sie werden „ein Fleisch" (vgl. Matthäusevangelium 19,6) und begründen ein unwiderrufliches Einverständnis über ein gegenseitiges Schenken und Annehmen in ihrem Leben. Die Individualität des Einzelnen wird nicht aufgehoben, vielmehr entsteht aus dieser Einheit der totalen Annahme ohne Einschränkungen, der unbedingten Liebe zueinander, die Unauflöslichkeit der Ehe.
Unsere Lebenswirklichkeit
Betrachtet man die statistischen Zahlen im Land Kärnten, so ist es doch verwunderlich, dass es geschichtlich niemals zuvor so viel Geld, so viel Freizeit, so wenige Kinder, so viel Wohnraum und so viel Freiheit bei der Partnerwahl für Mann und Frau gab. Die Rahmenbedingungen für Ehe und
Partnerschaft sind geradezu paradiesisch. Trotzdem hat es in der Geschichte der Ehen und Familien auch noch nie eine so hohe Zahl an Scheidungen gegeben.
Statistische Daten für Kärnten – Jahr 2014:
Standesamtliche Eheschließungen: 2.349
Kirchliche Trauungen: 918
Ehescheidungen: 986
Quelle: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/scheidungen/index.html / 12.07.2016
Für die katholische Kirche besteht hier ein grundlegendes Problem: Die Partner eines ehelichen Bundes sind nicht austauschbar! Auch in der Vergangenheit haben Ehen nicht länger gedauert, wurden sogar weit häufiger als heute „vorzeitig" gelöst, allerdings durch den Tod eines Partners und nicht durch die mehr oder weniger frei gewählte Scheidung. Durch das Ableben des Ehepartners wird das Eheband gelöst, sowohl das zivile als auch das kirchliche. Hingegen bleibt auch nach einer Scheidung das kirchliche Eheband zwischen den Eheleuten bestehen und solange niemand dies für seine Ehe infrage stellt, wird die Gültigkeit der Ehe vermutet. Die Trennung der Eheleute oder ihre zivile Scheidung beeinträchtigen das Bestehen des einmal geschlossenen Ehebundes in seiner religiösen Dimension nicht.
Überprüfung der Gültigkeit – Das Ehenichtigkeitsverfahren
Da dem Brautpaar der rechte Ehewille bei ihrer Eheschließung unterstellt wird – Grundlage ist für die katholische Ehelehre die Schöpfungsordnung, wonach Mann und Frau sich dauerhaft aneinander binden –, wird bei einem kirchlichen Verfahren die Möglichkeit geboten, diese Annahme zu überprüfen. Bei diesem Verfahren geht es nicht darum, warum oder woran die Ehe zerbrochen ist, sondern ob beide Ehepartner bei der Heirat die Voraussetzungen erfüllten, eine rechtsgültige und der religiösen Dimension entsprechende Ehe zu schließen. Diese Prüfung erfolgt in einem so genannten Ehenichtigkeitsverfahren oder Annullierungsverfahren.
Jeder kirchlich gültig verheiratete Christ hat einen Rechtsanspruch darauf, die Gültigkeit seiner Ehe überprüfen zu lassen. Am Anfang eines Verfahrens steht immer die Behauptung eines der Ehepartner, dass aus bestimmten Gründen seine Ehe nicht gültig zustande gekommen ist. Im katholischen Kirchenrecht – dargelegt im Codex Iuris Canonici, kurz: CIC – werden zunächst zwei Gruppen von möglichen Nichtigkeitsgründen unterschieden: a) Gründe, die den Ehewillen der Brautleute betreffen („Willensmängel") und b) Gründe, die sich auf ihre Ehefähigkeit beziehen.
a) Zu den so genannten Willensmängeln, die das Eheversprechen selbst berühren, werden die Ablehnung der Unauflöslichkeit, der Treue oder der Vorbehalt gegen Kinder und die Ablehnung der Ehe selbst gezählt. Nicht gültig geschlossen sind auch Ehen, die unter Zwang,
unter Vortäuschen falscher Umstände, wegen eines schwerwiegenden Irrtums oder unter einer Bedingung eingegangen worden sind.
b) Da das Brautpaar in der Lage sein sollte, zu erkennen, welche Rechte und Pflichten beim Eingehen der Ehe auf sie warten, sind auch psychische Erkrankungen, Abhängigkeiten oder Schwächen in der Persönlichkeitsstruktur und Reifungsdefizite Gründe für etwaige Nichtigkeiten.
In einem Erstgespräch beim Diözesangericht werden mögliche Nichtigkeitsgründe zur aufgezeigten Ehe dargelegt. Diese Beratung bleibt vertraulich, gibt Aufschluss über die Möglichkeiten und Chancen eines Verfahrens und sollte wahrgenommen werden.
Der Ablauf eines kirchlichen Gerichtsverfahrens
Die Anforderungen an die Feststellung der Ehenichtigkeit sind hoch, nur so kann die katholische Kirche gewährleisten, dass Ehen nicht vorschnell und ohne gründliche Prüfung für ungültig erklärt werden. Auch wegen ihrer religiösen Bedeutung genießt die Institution Ehe besonderen Rechtsschutz: für die Richtigkeit des Nichtigkeitsgrundes muss vom Antragsteller ein entsprechender Nachweis erbracht werden.
Da es in diesem Verfahren auch nicht darum geht, die Schuld am Scheitern der Ehe zu klären, wird der Prozess nicht gegen den ehemaligen Ehepartner geführt (umgangssprachlich als der oder die „Ex" bezeichnet, im Verfahrenslauf „aufgerufene Partei" genannt), sondern versucht wahrheitsgemäß zu klären, ob besagte kirchlich geschlossene Ehe rechtlich gültig zustande gekommen ist. Dabei wird möglichst sachlich vorgegangen und der Blick aller Beteiligten an den Beginn der Partnerschaft gelenkt. Beide Ehepartner stehen im Verfahren auf einer Seite, ihnen gegenüber hat ein von Amts wegen bestellter Ehebandverteidiger alles das vorzubringen, was für die Gültigkeit der Ehe spricht.
Nach Annahme der Antragsschrift durch den Antragsteller beim Diözesangericht wird die aufgerufene Partei über den anstehenden Prozess informiert. Damit wird dem ehemaligen Partner die Möglichkeit geboten, selbst zur Sache Stellung zu nehmen und außerdem dient es der Objektivierung des Verfahrens, um den Verdacht der Vorteilsnahme auszuschließen. Eine Zustimmung zum Verfahren muss der frühere Partner allerdings nicht geben. Weigert sich die aufgerufene Partei am Verfahren mitzuwirken, kann dies zwar die Beweisführung erschweren, die Durchführung des Prozesses wird damit aber nicht verhindert.
Ein kirchliches Ehenichtigkeitsverfahren beruht auf dem Prinzip der Schriftlichkeit, d.h. wichtig für die Entscheidung der Richter ist, was im Prozessakt an Dokumenten festgehalten wird. Daher werden die Parteien im Verfahren einzeln vernommen und ihre Aussagen protokolliert – es kommt also beim Kirchengericht zu keinen Begegnungen zwischen den ehemaligen Partnern. Aufgrund der verschiedenen Rechtsbestimmungen haben staatliche Gerichte auch keine Handhabe, Aktenstücke
aus kirchlichen Verfahren anzufordern und diese zu verwenden. Das Nichtigkeitsverfahren ist unabhängig von einem staatlichen Scheidungsverfahren und unterliegt dem Kirchenrecht.
Da die Klagegründe einem Beweis bedürfen, hat der Antragsteller beim Einbringen der Antragsschrift mindestens zwei Zeugen zu benennen, die über genügend persönliches Wissen und Einblick zu besagter Ehe verfügen und bereit sind, eine Aussage vor Gericht zu tätigen. Als Beweismittel können auch Briefe, Gutachten, Tagebuchaufzeichnungen oder Bilder und digitale Medien zugelassen werden.
Alle Aussagen und Beweise werden im Prozessakt gesammelt und dem Ehebandverteidiger übergeben, der – ähnlich dem Staatsanwalt bei staatlichen Prozessen – aus dem Aktenmaterial die Argumente für das Bestehen der Ehe vorbringt. Bei der Akteneinsicht können dann die beteiligten Parteien nochmals Stellung nehmen und, wenn erforderlich, weitere Zeugen benennen oder Fakten vorbringen.
Ein bereits am Beginn des Verfahrens benanntes Richterkollegium aus drei unabhängigen kirchlichen Richtern bildet zunächst alleine und dann gemeinsam ein Urteil, in dem die Mehrheit über eine Nichtigkeit der Ehe entscheidet. Dieser Urteilsbeschluss ergeht schriftlich an die Parteien im Verfahren.
Wird das erstinstanzliche Urteil nach Erhalt durch keine Partei innerhalb von 15 Tagen angefochten, so wird es durch ein Dekret vollziehbar und die Parteien können eine neue kirchliche Ehe eingehen.
Wenn die Nichtigkeit nicht bewiesen werden konnte, also ein negatives Urteil gefällt wurde, so kann gegen dieses Berufung eingelegt werden. Das ordentliche Berufungsgericht ist das Metropolitangericht Salzburg und genaue Angaben dazu werden in den Rechtsbelehrungen am Ende des Urteilstextes definiert.
Weicht nun das Urteil des Berufungsgerichts von dem der ersten Instanz ab, wird in dritter Instanz erneut geprüft. Zuständig ist hier die Römische Rota, auf Ansuchen kann aber um die Zuteilung an einem deutschsprachigen Gericht gebeten werden. Der Rechtszug endet schließlich beim Vorliegen von zwei gleichlautenden Urteilen.
Was bringt mir dieses Verfahren?
Wird die Nichtigkeit der Ehe durch das Gericht bewiesen und bestätigt, so kann man wieder katholisch-kirchlich heiraten. Oft sind es aber auch Gewissenskonflikte, die bewältigt werden können und entstehen, wenn eine Ehe nur staatlich geschieden ist. Außerdem bietet das Verfahren die Möglichkeit, das Geschehene im persönlichen Gespräch aufzuarbeiten. Viele Betroffene erleben das Verfahren als zwar mühsam, letztlich aber helfend und befreiend.
Ein kirchliches Nichtigkeitsverfahren versucht nur festzustellen, was ohnehin in Wirklichkeit der Fall war – wie es sich also tatsächlich bei der Eheschließung der Parteien verhalten hat. Die Ehe ist gültig oder ungültig je nach Sachlage und ganz unabhängig davon, ob nun ein Verfahren geführt wird oder nicht. Geholfen werden kann auf jeden Fall vielen bedrückten Menschen, die sich nach einer zivilen
Wiederheirat in einer aussichtslosen Lage sehen, keinen Zutritt zu den Sakramenten haben oder sich in der Kirchengemeinde nicht voll angenommen fühlen.
Mit der Feststellung der Ungültigkeit einer Ehe wird der rechtliche Status der daraus hervorgehenden Kinder nicht verändert – sie bleiben nach wie vor ehelich.
Wo? Was? Wie lange? Wie viel?
Nichtigkeitsverfahren werden beim kirchlichen Gericht – dem Offizialat – geführt, welches für alle Rechtsbereiche einer Diözese zuständig ist und vom Gerichtsvikar – dem Offizial – geleitet wird. Die Zuständigkeit der Offizialate für die Durchführung eines Verfahrens richtet sich meist nach dem Trauungsort oder dem Wohnsitz der aufgerufenen Partei. An Dokumenten sind bei der ersten Kontaktaufnahme die Heiratsurkunde und der Scheidungsbeschluss mitzubringen. Im Interesse der Parteien werden der Rahmen der Vertraulichkeit und der Schutz der Intimsphäre bestmöglich gewahrt. Nach erfolgter Beweiserhebung haben nur die Parteien Einsicht in das Aktenmaterial. Ein Ehenichtigkeitsverfahren ist kein „öffentliches Verfahren" und alle Beteiligten unterliegen der Verschwiegenheitspflicht.
Ein eingeleitetes Verfahren sollte so rasch wie möglich beendet werden. Dennoch gibt es innerhalb des Prozesses besondere Umstände, die die Verfahrensdauer verlängern können. Vom Beginn bis zum Urteil sollte mit circa einem Jahr gerechnet werden. Generell gilt: Je klarer die Rechtslage und desto mehr Beweise vorliegen, je rascher ergehen die Urteile. Das Päpstliche Schreiben Mitis Iudex Dominus Iesus vom 15. August 2015 bietet auch die Möglichkeit, in einem verkürzten Verfahren, in dem der Diözesanbischof selbst das Urteil spricht, die Nichtigkeit einer Ehe festzustellen. Genauere Informationen dazu erteilt der Offizial im Erstgespräch.
Grundsätzlich hat derjenige, der ein Verfahren beantragt, die Kosten zu tragen. Diese bestehen aus den Gerichtsgebühren von € 300,-- für die erste und – wenn notwendig – € 180,-- für die jede weitere Instanz. Darüber hinaus können unter Umständen noch zusätzliche Kosten für besondere Aufwendungen, wie etwa Fachgutachten, Übersetzungen oder Fahrtspesen hinzukommen.
Außerdem steht es jeder Partei frei, sich anwaltlich vertreten zu lassen, Anwaltspflicht besteht allerdings bei den Offizialaten keine. Zugelassene Anwälte werden auf Wunsch genannt und das Honorar geht zu Lasten derer, die anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Die kirchliche Eheauflösung
In besonderen Fällen wird nach einem vorausgehenden Verfahren am Diözesangericht und auf Bitte hin eine Auflösung durch den Heiligen Vater gewährt. Dies betrifft hauptsächlich nichtsakramentale Natur-Ehen (zwischen einem Getauften und einem Ungetauften bzw. zwischen zwei Ungetauften), aber auch Ehen von Getauften, die nicht geschlechtlich vollzogen wurden. Genauere Auskünfte darüber erteilt das Diözesangericht nach Prüfung der jeweiligen Sachlage.