Zwischen Kärnten und Nepal
Die Nepalesin Buddhi Maya Sherpa über Berge, Glauben und die nötige Gelassenheit
Die Nepalesin Buddhi Maya Sherpa über Berge, Glauben und die nötige Gelassenheit


Vor Kurzem sind am Mount Everest 16 Sherpas unter einer Lawine ums Leben gekommen. Sie waren zu dieser Zeit in Nepal. Wie haben Sie dieses Unglück erlebt?
Maya Sherpa: Ich war in Kathmandu, als das passiert ist. Mein Schwager und ein Cousin waren zu dieser Zeit gerade im Basislager des Mount Everest. Ihnen ist Gott sei Dank nichts passiert. Aber die Hälfte der Verunglückten stammt aus unserem Tal. Darunter ist auch ein Trekking-Führer, der immer wieder für mich gearbeitet hat. Er ist ein ganz junger Bursche mit einem vier Monate alten Kind. Das ist sehr tragisch.
Sie sind am Fuße des Everest aufgewachsen. Ihr Vater war bei Expeditionen dabei. Wie erlebt man das als Kind? Ist die Angst ein ständiger Begleiter?
Maya Sherpa: Ja. Die Frauen und Kinder haben ständig Angst. Natürlich lebt man in der Hoffnung, dass nichts passiert.
Wie beurteilen Sie diese Massenanstürme auf die höchsten Berge?
Maya Sherpa: Der Everest ist der höchste Berg der Welt. Für viele Bergsteiger ist es ein Traum, einmal oben zu stehen. Für die Sherpas ist es Arbeit, und sie verdienen dadurch ihr Geld. Man muss aber auch sehen, dass Everest-Expeditionen nur im Frühjahr in einer ganz kurzen Zeitspanne stattfinden können. Daher tummeln sich in diesen paar Wochen einige hundert Leute rund um den Berg. Das ist ja nicht das ganze Jahr so.
Wie haben Sie es als Kind empfunden, wenn westliche Bergsteiger durch das Dorf wanderten?
Maya Sherpa: Für uns hatten die Berge keine besondere Bedeutung. Wenn die Leute aus dem Westen kamen, gingen halt die männlichen Verwandten mit. Das war eigentlich Normalität für uns. Die Menschen bei uns sind großteils Bauern, und in der Saison lebt man vom Bergsteigen. Sherpa ist ja kein Beruf, das ist der Name des Volkes. Der eine ist Bergführer, andere helfen beim Tragen der Lasten, wieder andere verkaufen Souvenirs, betreiben Berghütten oder verkaufen Lebensmittel. Das ist nicht anders als hier in den Bergen. In Heiligenblut leben die Menschen ja auch vom Großglockner.
Für Sherpas sind Berge der Sitz von Göttern. Ist das noch im Bewusstsein der Menschen verankert?
Maya Sherpa: Wir Sherpas sind sehr religiös. Wir sind als Buddhisten erzogen. Es sind aber nicht alle Berge heilig, sondern nur auf bestimmten Bergen sitzen Götter. Einige davon darf man noch immer nicht besteigen. Der Mount Everest ist auch heilig, aber da gibt es eine Ausnahme. Um die Götter zu besänftigen und um ihren Schutz zu beten, gibt es vor dem Aufstieg eine Art Messe. Wir haben großen Respekt, und beim Aufstieg wird gebetet.
Durch den Massentourismus hat sich daran nichts geändert?
Maya Sherpa: Nein, die Spiritualität und Denkweise der Menschen hat sich dadurch nicht geändert. Ich selbst bete auch am Beginn einer weiten Reise oder beim Bergsteigen. Auch die Gebetsfahnen haben eine besondere Bedeutung. Wir haben in jedem Haushalt eine Kapelle, wo wir Butterlampen und Weihrauch anzünden sowie Gebetsfahnen aufhängen. Der Glaube spielt im Leben der Sherpas eine große Rolle.
Wie sind Sie nach Kärnten gekommen?
Maya Sherpa: Ich bin über meinen Patenonkel, der in Kapfenberg lebt, nach Österreich gekommen. Ich habe die Sprache gelernt, kochen gelernt und habe Berge bestiegen. Anschließend machte ich die Ausbildung zur Wander- und Trekkingführerin. Bald schon habe ich die ersten Reisen nach Nepal organisiert. Auf so einer Tour habe ich meinen Mann kennengelernt, der ein Klagenfurter ist.
Sie leben in zwei Kulturen. Wie geht es Ihnen damit?
Maya Sherpa: Das geht ganz gut. In Nepal habe ich eine große Familie. Hier habe ich viele Freunde. Hier lebe ich, wie es sich in Österreich gehört, und in Nepal bin ich eben zu Hause. Der Vorteil ist, dass ich beide Kulturen kenne und das leben kann, was ich von beiden positiv finde.
Was kann Kärnten von Nepal lernen?
Maya Sherpa: Von Nepal kann man die Gelassenheit lernen. Wir in Nepal sehen Veränderungen als normal an. Wir nehmen neue Situationen mit Humor. Hier regt man sich gleich wegen allem auf. In Nepal nimmt man sich auch mehr Zeit für die Familie und für Freunde. Man lebt nicht alleine und ist auch mehr voneinander abhängig. Hier versucht jeder, sich eine eigene Wand zu bauen und möchte seine Ruhe haben. Viele Menschen hier sind isoliert und einsam. Der Komfort, die medizinische Versorgung, die Infrastruktur etc. sind hier viel besser. Aber die menschliche Wärme ist in Nepal viel stärker.
Sie teilen das, was Sie hier erreicht haben, mit Menschen in Ihrer Heimat und haben ein Hilfsprojekt für Kinder gegründet. Wie sieht das aus?
Maya Sherpa: Ich hatte das Glück, dass ein Gast und Freund meines Vaters aus Österreich mein Patenonkel wurde und mir eine Schulausbildung ermöglichte. Das möchte ich weitergeben. In Nepal gibt es keine Schulpflicht, und meistens gehen nur die Burschen zur Schule. So habe ich Anfang der 90-er Jahre ein Patenprojekt für Mädchen gegründet. Inzwischen sind es 70 Kinder, meistens Halbwaise, deren Väter bei Expeditionen ums Leben gekommen sind. Durch unsere Hilfe entsteht ein Dominoeffekt. Wer eine gute Ausbildung hat, kann dann auch seine Kinder in die Schule schicken.
Was kostet eine Patenschaft?
Maya Sherpa: Wir brauchen ca. 40 Euro im Monat für Schulgebühren, die Schuluniform, die Bücher etc. Wir sind aber auch glücklich über jede Spende.