Wir sind nicht gekommen, um irgendetwas zuzudecken
Erzbischof Franz Lackner, Apostolischer Visitator in Kärnten, über die Ziele und Aufgaben der Visitation
Herr Erzbischof, was Kärnten in den vergangenen Monaten erlebt hat, ist das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung. Viele Gläubige sind verunsichert, haben die Kirche schon verlassen oder sind am Sprung, wenn es zu keiner ehrlichen und transparenten Aufklärung der Ära Schwarz kommt. Was sagen Sie diesen Menschen?
Erzbischof Lackner: Es geht mir wirklich darum, den Menschen die Glaubwürdigkeit der Kirche wiederzugeben. Das kann nur durch ehrliches Hören geschehen. Wir wollen erfahren, was die Menschen bewegt, was sie enttäuscht oder gar verletzt hat. Das will ich aufnehmen und weitertragen. Die Kirche – nicht nur in Kärnten, sondern in ganz Österreich – soll daraus auch etwas lernen. Ich bitte die Menschen, nicht wegzugehen. Denn nur gemeinsam sind wir stark.
Sie sind gekommen, um zu hören und wahrzunehmen. Wer soll gehört werden?
Lackner: Zu Beginn auf jeden Fall einmal die Verantwortlichen in der Diözese. Also der Diözesanadministrator, das Domkapitel, die Gremien. Wir werden uns mit einem Schreiben auch an die Pfarren wenden. Ich bin sicher, dass sie in den vergangenen Tagen viel zu hören bekommen haben. Ich bin den Pfarren sehr dankbar, dass sie sich dessen angenommen haben und auch auf die Menschen zugegangen sind.
Was werden Sie den Pfarren und den Pfarrern sagen?
Lackner: Also ich will jetzt – noch dazu am Beginn der Visitation – nicht als einer auftreten, der genau weiß, wie alles wieder gut wird. Ich bemerke bei mir selbst eine gewisse Sprachlosigkeit. Aber Krisen in der Kirche waren auch immer wieder Zeiten, in denen etwas Neues aufgebrochen ist. Vertrauensbildend sind Ehrlichkeit und Respekt vor den Menschen. Auf gar keinen Fall darf man in Wehmut und Traurigkeit versinken.
Beim „Sonntag“ haben sich auch viele Menschen gemeldet, die einfach ihre Erfahrungen loswerden wollten. Wie finden diese einen Zugang zu Ihnen oder Ihrem Team?
Lackner: Wir wollen Sprechtage abhalten. Wir laden auch Menschen ein, von denen wir meinen, dass sie gehört werden müssen. Das sind zum Beispiel Leute, die sich schon in der Vergangenheit gemeldet haben. Natürlich wollen wir möglichst viele Menschen ansprechen, aber das ist nicht einfach. Wir werden auf jeden Fall Sprechtage abhalten. Und eines kann ich garantieren: Jeder, der uns schreibt, bekommt eine Antwort.
Sie haben in Ihrer Stellungnahme von Transparenz gesprochen. Wie wird diese im Laufe der Visitation gehandhabt?
Lackner: Ich bitte um Verständnis, dass wir heute gerade einmal den ersten Tag hinter uns haben. Ich habe viel Offenheit gespürt. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Zwischenschritte gibt, wo wir auch die Medien mit einbeziehen. Aber ich bitte um Verständnis, dass ich mich nicht festnageln lasse. Wir stimmen das auch mit den Verantwortlichen der Diözese ab. Da wollen wir uns nicht gegenseitig überfordern und schon gar nicht über die Medien etwas ausrichten.
Wer leitet in der Zeit der Visitation die Diözese?
Lackner: Der Leiter der Diözese ist der Diözesanadministrator. Ich werde mich in das laufende Geschäft der Diözese nicht einmischen. Aber entsprechend dem Kanon 428 des Kirchenrechtes – der ja für jeden Diözesanadministrator gilt, nicht nur für den Kärntner – werden wegweisende Entscheidungen gemeinsam abgesprochen. Wir hatten diesbezüglich auch ein gutes Gespräch miteinander. Ich möchte aber schon betonen, dass es eine Ortskirche gibt, die ihre Eigenständigkeit hat. Diese soll auch behalten bleiben.
Viele sind ob der Dimension der wirtschaftlichen Gebarung im Bistum entsetzt. Halten Sie es für richtig, dass ein so enormes Vermögen in der Hand eines einzelnen Menschen liegt und das ohne jegliche Kontrollinstanz?
Lackner: Ich möchte zu diesem konkreten Fall am ersten Tag der Visitation noch nicht Stellung nehmen. Aber generell glaube ich, dass es in einer Kirche nicht sein kann, dass viel Vermögen in einer Hand ist. Das Geld gehört nie mir, sondern ist mir treuhändisch anvertraut. Selbst wenn man Letztentscheidender ist, braucht es ein starkes Gegenüber. Das kann eine Kontrollinstanz oder ein Aufsichtsrat sein. Dass da einer allein entscheidet, geht einfach nicht.
Werden daraus Schlussfolgerungen für die Gesamtkirche gezogen?
Lackner: Ich glaube, dass diese Situation ein Anlass ist, über die Standards in der kirchlichen Vermögensverwaltung nachzudenken. Ich sehe es durchaus auch als einen Lernprozess für die Kirche in Österreich. Denn ich denke, dass es auch bei kleineren Vermögen wichtig ist, dass es ein Mehraugenprinzip gibt. In manchen Bistümern ist das ja ein fixer Bestandteil.
Die Visitation ist derzeit einmal bis zum Beginn der Fastenzeit anberaumt. Nun gibt es einen Bericht Ihres Vorgängers aus 2008. Dann gibt es den Prüfbericht der Arbeitsgruppe Bistum gemeinsam mit externen Experten. Werden all diese Dinge jetzt nochmals neu geprüft oder werden diese Berichte als Grundlage herangezogen?
Lackner: Das sind wichtige Quellen, die wir voll berücksichtigen werden. Allerdings werden wir auch ergänzende Informationen einholen. Daraus soll dann das große Bild entstehen. Aber klar ist, dass alle diese Vorarbeiten berücksichtigt werden. Obwohl das Papier von Erzbischof Kothgasser ja kein Wirtschaftsbericht ist. Unsere Aufgabe ist es ja, die Situation ab 2008 im Blick zu haben, und der Wirtschaftsbericht der Arbeitsgruppe bezieht sich auf die Zeit ab 2016. Bei dieser langfristigen Betrachtung werden wir auch auf die Überlegungen dahinter achten, ob es Businesspläne gibt, wie sich die Statuten gewandelt haben etc.
Es gibt Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Graz. Arbeitet das Visitationsteam mit weltlichen Behörden zusammen?
Lackner: Selbstverständlich suchen wir einen Weg, um mit der Staatsanwaltschaft gut zu kooperieren. Es geht auch darum, dass die Ermittlungen sachgerecht erfolgen können.
Sie haben gesagt, Ziel der Visitation ist es, „der Diözese Gurk zu einem vertrauensvollen Neuanfang zu verhelfen“. Wie könnte der Ihrer Meinung nach im Idealfall aussehen?
Lackner: Der Idealfall ist, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Dass sie dann auch von allen angenommen wird. Wir sind ja nicht gekommen, um etwas zuzudecken. Der Franziskaner und Scholastiker Johannes Duns Scotus hat gesagt: „Dass alle Beteiligten sich bekennend dem stellen, was sich zeigt.“ Da gehören die Bischöfe dazu, Rom gehört dazu, die Diözesanleitung und das Volk Gottes. Ich bitte um diese Offenheit, die halt auch eine gewisse Leidensfähigkeit braucht. Ich hoffe, dass die Visitation nicht allzu lange dauert und dann ein Bischof nach Kärnten kommt, der neu anfangen und mit all dem, was hier Gutes getan wird, weiterarbeiten kann.