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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

„Wir sind eine Kirche, die auch weiterhin wächst“

P. Karl Wallner, Direktor der Päpstlichen Missionwerke in Österreich, wie die Weltkirche seinen Horizont erweitert, warum Mission auch heute noch wichtig ist und was ihn in Sachen Migration beschäftigt.

Foto: Simon Kupferschmied
Foto: Missio / Simon Kupferschmied

Sie haben in Ihrem Leben schon viel gemacht, waren u. a. Jugendseelsorger und Hochschul-Rektor. Was gefällt Ihnen aktuell an Ihrer Aufgabe als Nationaldirektor von Missio Österreich?
P. Karl Wallner: Ich habe diese Aufgabe bekommen, weil ich als Rektor der Päpstlichen Hochschule in Heiligenkreuz für das Fundraising verantwortlich und damit sehr erfolgreich war. Wir haben dort ja auch weiterhin keine kirchliche oder staatliche Finanzierung. Die Professoren unterrichten umsonst. 2016 bin ich zu den Päpstlichen Missionswerken gekommen. Ich habe schnell gemerkt, dass hier das Fundraising alles andere als einfach ist. Aber dafür hat sich mein Horizont völlig verändert. Ich lebe seither in einer anderen Kirche und in einer anderen Welt. Und das ist es vielleicht, was mir die meiste Freude bereitet.
Die Themen, von denen wir hier in Österreich meinen, dass sie die wichtigsten kirchlichen Probleme sind, sind es eigentlich nicht. Wir können unglaublich viel lernen von den Kirchen des globalen Südens, die andere Schwerpunkte haben. Dort gibt es eine glaubensstarke Kirche, die zwar arm und in Bedrängnis ist – also unvergleichlich anders –, aber dafür wächst.

Wie hat Ihre Arbeit bei Missio Sie verändert?
P. Karl Wallner: Ich bin durch den neuen Horizont ein anderer Mensch geworden. Das freut mich, aber gleichzeitig ist die Diskrepanz, die ich erfahre, manchmal sehr schwer. Ich sitze seit 20 Jahren im Wiener Priesterrat. Wenn dort berichtet wird, dass wir kaum Kinder mehr haben, dass auch die Finanzierung nicht mehr funktioniert trotz Umstrukturierungen, wenn man vielfach nicht weiß, wie man einen Aufbruch schaffen soll, dann geht mir das nahe. Ich habe Mitbrüder, die sind in Pfarren, in denen es nur fünf Erstkommunionkinder gibt. Dann schaue ich nach Nigeria, wo es in manchen Orten sonntags drei Gottesdienste am Vormittag mit 2.000 Gläubigen gibt.
Ich bin ein bisschen grantiger gegenüber dem lieben Gott, was die Situation hier in Europa betrifft, möchte ich fast sagen. Aber gerade deshalb sehe ich es auch als meine Aufgabe, einfach zu berichten, was sich in der Weltkirche, in der Weltmission tut – als Trost, aber auch als Ermutigung, dass wir eine Kirche sind, die insgesamt weiterhin stark wächst im globalen Süden. Wenn wir uns ein bisschen mehr trauen würden, dann könnten wir hier auch wieder viel mehr Menschen gewinnen.

Biblisch gesehen ist Mission ein Grundauftrag für alle Christgläubigen. Viele Menschen sehen den Begriff Mission im Kontext der Geschichte allerdings kritisch. Darf man heute noch missionieren?
P. Karl Wallner: Das Problem ist, dass bei Mission meistens an die Probleme des 16. Jahrhunderts, an Zwangsmissionierung gedacht wird. In dieser Zeit ist wirklich viel falsch gelaufen. Da sind Verbrechen geschehen, die furchtbar sind. Und dafür müssen wir Buße tun.
Die Laiin Pauline Marie Jaricot hat Missio 1822 gegründet. Ihre Grundidee war: Wir müssen die brennende Liebe des Herzens Jesu allen Menschen weitergeben. Und genau das ist Mission an und für sich – selbst in der Liebe brennen, die Jesus in die Welt gebracht hat. Papst Franziskus betont das immer: wirklich zu allen! Und wer diese Liebe empfängt, soll sie weitergeben.
Ein Beispiel, das mich sehr bewegt: In Pakistan haben wir eine verfolgte Kirche. Die Christen gelten als der letzte Dreck in der Gesellschaft. Sie haben keinen Zugang zu Bildung, sind ständig bedroht durch die Blasphemie-Gesetze. Aber genau sie sind es, die dort Heime für Behinderte betreiben, für alte Leute, für Kranke. Sie sind verfolgt und betreuen in diesen Einrichtungen trotzdem die muslimische Bevölkerung. Unsere Mission ist die Liebe und diese kommt durch den Glauben an den erlösenden und uns liebenden Gott.

Missio betreibt zahlreiche Projekte auf der ganzen Welt. Was sind denn die großen Aufgabenbereiche?
P. Karl Wallner: Erstens wollen wir die wachsende Weltkirche stärken. Es gibt 1.100 arme Diözesen, die sich nicht erhalten können, wo es kein Geld für die Priester gibt. Diese Diözesen unterstützen wir. Dann retten wir die Ärmsten vor Ort, in Form von Katastrophenhilfe. Es gab zum Beispiel in Zimbabwe eine Dürrekatastrophe, da helfen wir finanziell. Der dritte Bereich, und das ist eigentlich meine Hauptaufgabe, sind die Kinder. Wir möchten jungen Leuten eine gute Zukunft ermöglichen. Wir kümmern uns auch um die Priester von morgen, sammeln Spenden für Priesterstudenten in Afrika, Asien und Lateinamerika. Weltweit wird die Bevölkerung sehr schnell sinken. Ab 2090 wird China nicht mehr 1,4 Milliarden Einwohner haben, sondern nur mehr 770 Millionen. Demografisch gibt es also riesige Veränderungen in den nächsten Jahren, aber eines ist auch klar: Afrika ist der einzige Kontinent, der noch wachsen wird, bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Deshalb liegt unser Schwerpunkt ganz klar im globalen Süden. Dort brauchen die Kinder Bildung und Glauben.

Beschäftigt Sie auch das Thema Migration?
P. Karl Wallner: Natürlich, aber ich bin auch ein bisschen entsetzt, dass in der Kirche das Thema oft erst auf Malta oder auf Lesbos beginnt. Es wäre wirklich unsere Aufgabe, den Menschen vor Ort zu helfen.
In den Flüchtlingsbooten sitzt immer der Erstgeborene einer Familie, der lieber stirbt, als nicht zu versuchen, nach Europa zu kommen. Wenn er 50 Euro heimschickt, dann hat seine Familie mehr, als sie dort im Land verdienen können. Unsere Aufgabe ist es, vor Ort zu helfen, dass Männer, Frauen und Kinder auch menschenwürdig leben können. Viele Probleme in der Welt würde das zumindest mildern, wenn nicht gar lösen. Missio wünscht sich, dass die Menschen im Land eine Zukunft haben.

Was ist Ihr Wunsch aktuell für den Monat der Weltmission?
P. Karl Wallner: Einfach, dass wir über den Tellerrand hinausschauen. Ich möchte auch unseren Missio YouTube-Kanal empfehlen. Wir haben darauf erstmals eine Show zum Weltmissionssonntag gemacht, die wahnsinnig spannend geworden ist. Unser Team von Young Missio war mit mir in Madagaskar; wir haben berichtet, live und jugendgemäß. Wenn sich das die Mädchen und Burschen in den Schulen oder Menschen in den Pfarren ansehen, dann erweitern sie ihren Horizont. Sie merken, was sich momentan in der Weltkirche tut und kommen aus der frustrierten Stimmung heraus, die vielfach in der Kirche in Österreich herrscht. Ich wünsche mir, dass die Gläubigen hier wieder Lust auf die Zukunft des Glaubens und Lust auf Weltmission bekommen.

Interview: Alexandra Hogan

Zur Person: Karl Wallner, geboren 1963 in Wien, ist ein österreichischer Zisterziensermönch und Priester. Er trat 1982 in das Stift Heiligenkreuz ein und wurde 1988 zum Priester geweiht. Wallner studierte Theologie und lehrte ab 1993 als Professor für Dogmatik, später auch für Sakramententheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz, deren Rektor er von 2007 bis 2016 war.
Bekannt wurde Wallner durch seine Arbeit in der Jugendseelsorge, als Autor mehrerer Bücher und als Initiator verschiedener Medienprojekte. Seit 2016 ist er Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich.