Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Vom Gelde, das dem Leben dient

Oikocredit-Österreich-Chef Peter Püspök und der Theologe Helmut Berg im Gespräch mit Gerald Heschl

Herr Dkfm. Püspök, Sie sind Vorsitzender von Oikocredit Österreich. Vorher waren Sie Generaldirektor der RLB Niederösterreich. Wie funktioniert dieser Sprung?
Püspök: Mich hat die Idee der Mikrokredite schon seit vielen Jahren fasziniert. Es ist ein Geschäft, wo es keinerlei Erfahrung gibt, keine Sicherheiten – und trotzdem funktioniert das hervorragend. Als ich dann in Pension gegangen bin, konnte ich mich um die Sache kümmern. So bin ich von einer alten Genossenschaft, also Raiffeisen, in eine junge Genossenschaft gekommen. Hier lebt der genossenschaftliche Urgedanke der Armutsbekämpfung.

Herr Dr. Berg, Sie haben sich mit den Mikrokrediten wissenschaftlich auseinandergesetzt. Können Sie die Bedeutung der Mikrokredite unterstreichen?
Berg: Ja – wenn Mikrofinanz mit sozialem Augenmaß betrieben wird. Dazu braucht es aber eine persönliche Beziehung der Mikrofinanz-Institute mit den Kreditnehmern. Mikrofinanz lebt von den persönlichen Beziehungen. Solange die Kreditgeber ihre Kunden genau kennen, abschätzen können, ob deren Modell zukunftsfähig ist, funktioniert das System. Es hilft nichts, wenn man einmal einen Kredit vergibt und die Leute dann im Regen stehen lässt. Es braucht eben auch eine Begleitung.

Wie kann man sich diese Begleitung vorstellen?
Berg: Die Mikrofinanz-Institute haben ihre Spezialisten vor Ort. Diese müssen zwei Berufe in sich verkörpern: Bankberater und Sozialarbeiter. Sie müssen Menschen, die noch nie Geld in der Hand hatten, beraten und begleiten. Nur durch diese persönlichen Kontakte sind auch die Kreditausfälle sehr gering. Denn so gibt es auch eine Kontrolle. Sobald das Ganze anonym wird, also ein großes Geschäft, kann es passieren, dass Kreditnehmer gleich mehrere Mikrokredite bei verschiedenen Instituten nehmen und dann keinen Ausweg mehr sehen.

Herr Dkfm. Püspök, welche Sicherheiten können Sie Anlegern geben, dass das Geld auch wirklich dort ankommt, wo es gebraucht wird?
Püspök: Ein Unterschied zwischen Oikocredit und vielen anderen Fonds ist, dass wir keine Banktätigkeit ausüben. Wir leiten die Veranlagungen aus den reichen Ländern direkt in die Entwicklungsländer weiter. Das führt dazu, dass unsere Kunden genau wissen, was mit ihrem Geld geschieht. Wenn Sie heute ein Sparbuch haben, wissen Sie nicht, was mit dem Geld passiert – das ist ein großer Unterschied zur Mikrofinanz.

Kann man bei Ihnen auch in ein bestimmtes Projekt investieren?
Püspök: Nein, das geht ganz bewusst nicht, denn es wäre ein viel zu großer administrativer Aufwand. Zum Anderen würde man damit Projekte gegenei-nander ausspielen. Wir wollen gesamthaft gute Projekte und die Menschen unterstützen.


Oikocredit ist ja quasi eine kirchliche Institution ...
Püspök: Wir wurden vom ökumenischen Rat der christlichen Kirchen gegründet. Bei uns stehen die christliche Soziallehre und die Hilfe zur Selbsthilfe im Zentrum, auch die Nächstenliebe und die Sorge um die Menschen in diesem immer kleiner werdenden globalen Dorf. Afrika ist heutzutage ja nicht mehr weit entfernt, sondern eigentlich schon in unserer Nachbarschaft. Wir helfen, dass sich Menschen auf die eigenen Beine stellen. Das ist unsere Motivation.

Sie unterstützen fast 900 Projekte. Wie kann man den Überblick bewahren?
Püspök: Das ist nur möglich, weil wir eng mit den Länderbeauftragten zusammenarbeiten. Diese können jeweils 60 oder 70 Projekte überschauen. Das gibt größtmögliche Sicherheit und Transparenz.

Herr Dr. Berg, Sie haben sich in Ihrer Dissertation auch mit den theologischen Aspekten dieser Veranlagung beschäftigt. Gibt es so etwas wie eine biblische Legitimation?
Berg: Da kann man das Beispiel vom Barmherzigen Samariter (Lk 10,25) hernehmen. Der dem Armen hilft, ist ja nicht der Nächste, sondern ein sehr weit entfernter Fremder. Was noch dazukommt: Er hinterlässt für den Rekonvaleszenten eine beträchtliche Menge Geld, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. Hier sieht man soziales Engagement, das mit einer gewissen Geldsumme wieder aufhilft.

Der Papst hat sich ja ganz konkret zu diesem Thema geäußert.
Berg: In der Enzyklika „Caritas in veritate“ gibt es drei Stellen, in denen Papst Benedikt XVI. dieses System anspricht. Er lobt sehr das „soziale Geschäft“ (social business), und er sagt, dass Mikrofinanz große Förderungen verdient und steuerlich besser gestellt werden sollte als herkömmliches Wirtschaften. Er sagt auch, dass ein Wirtschaften, in dem die Solidarität greifen muss, sich global durchsetzen muss.

Da sind wir bei einer konkreten Forderung Ihrer Dissertation ...
Berg: Mikrofinanz sollte als entwicklungs- und gesellschaftspolitisch wichtiges Instrument steuerlich bessergestellt werden. Das kann man sehr gut mit den bestehenden Gesetzen in Verbindung bringen, die Mildtätigkeit erfordern. Das ist ein langer Weg, aber ich hoffe, dass eine solche Initiative von Politikern aufgegriffen wird.