Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

“Ungehorsam” ist klare Provokation

Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück zur Pfarrerinitiative

Der Wiener Dogmatiker über die Frage, welche Forderungen der Initiative man ortskirchlich umsetzen könnte - und welche tabu sind.

Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück zur Pfarrerinitiative, zum Handlungsspielraum der Bischöfe und zur mangelhaften Glaubensvermittlung (© Foto: Der Sonntag / Georg Haab)
Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück zur Pfarrerinitiative, zum Handlungsspielraum der Bischöfe und zur mangelhaften Glaubensvermittlung (© Foto: Der Sonntag / Georg Haab)
Jan-Heiner Tück (© Foto: Haab)
Jan-Heiner Tück (© Foto: Haab)

Kardinal Christoph Schönborn und Helmut Schüller gemeinsam in einem Buch – das ist dem Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück in seinem Band „Risse im Fundament?“ gelungen. Tück wurde gemeinsam mit anderen Professoren quasi als Mediator zwischen Kirchenleitung und Pfarrerinitiative eingesetzt.
Im Rahmen eines Vortrages in Tainach führte er mit dem „Sonntag“ das folgende Gespräch.

Die österreichische Pfarrerinitiative hat in Rom für Schlagzeilen gesorgt, als Papst Benedikt XVI. sie in seiner Gründonnerstags-Ansprache erwähnte. Wie beurteilen Sie die Papstworte?
Tück: Zweierlei ist auffällig: Der Papst formuliert zunächst eine deutliche Absage an den „Ungehorsam“. Das sei kein Weg, um Reformen in der Kirche einzuleiten. Erstaunlich ist aber, dass er zugleich von der „lähmenden Institution Kirche“ spricht, von mangelnder Beweglichkeit. Das ist indirekt ein Eingeständnis, dass es Reformbedarf gibt – und wohl auch eine Bestätigung des Kurses der österreichischen Bischofskonferenz, die strittigen Punkte im Gespräch zu klären.

Das Wort „Ungehorsam“ ist für Rom eigentlich ein Tabubruch ...
Tück: „Ungehorsam“ ist eine deutliche Dissensbekundung. Aber ohne dieses Schlagwort wäre der ganze Katalog in den Medien nicht beachtet worden. So gesehen war es ein geschickter Schachzug. Der zweite Katalog „Protest für eine glaubwürdigere Kirche“ hat die scharfe Rhetorik des Ungehorsams zurückgenommen und pastorale Fragen ins Zentrum gerückt. Er weist in die richtige Richtung, ist aber kaum beachtet worden.


Eine zentrale Forderung ist die Änderung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt. Wie beurteilen Sie diesen Punkt?
Tück: Die Krise der Kirche ist nicht allein durch eine Lockerung der Zulassungsbedingungen zu bewältigen. Diese Therapie greift zu kurz. Das lässt sich an der evangelischen Kirche ablesen. Sie hat den gesamten Reformkatalog erfüllt – dass ihre missionarische Strahlkraft größer wäre, wird man wohl kaum behaupten können.

Eine weitere Forderung ist die Laienpredigt. Stört es Sie als Theologieprofessor, dass Sie nicht predigen dürfen?
Tück: Das stört mich nicht. Man sollte die Frage der Laienpredigt nicht auf die Homilie in der Eucharistiefeier engführen. Es gibt viele Gelegenheiten, sich zu äußern. Ja, unser Leben selbst sollte zur Predigt werden. Da haben wir alle viel zu tun. Aber natürlich setzt eine gute Predigt eine gründliche Beschäftigung mit der Hl. Schrift voraus. Wenn Priester sich nicht um eine Kultur des Wortes bemühen und nur Anekdötchen erzählen, werden sie ihrer Aufgabe nicht gerecht.

Eine zentrale Forderung der Initiative, die Abschaffung des Pflichtzölibats, gehen Sie in Ihrem Buch sehr differenziert an. Was lässt sich aus theologischer Sicht dazu sagen?
Tück: Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen, die Jesus, Paulus, Franziskus und viele andere glaubwürdig vorgelebt haben, ist in unserer durcherotisierten Lebenswelt ein starkes Zeichen. Dennoch hat der Pflichtzölibat einen hohen Preis. Viele Priester haben Schwierigkeiten, ihn glaubwürdig zu leben. Es wäre realitätsblind, das zu bestreiten. Über viri probati sollten wird daher weiter nachdenken. Joseph Ratzinger hat in jungen Jahren selbst gesagt: Die Kirche der Zukunft wird eine sein, in der es auch neue Formen des Amtes gibt. Er hat die zölibatäre Existenz des Priesters nicht in Frage gestellt, aber doch die Möglichkeit angedacht, in kleinen Filialgemeinden in Ehe und Beruf bewährte Männer als Priester einzusetzen. Sicher ist das nicht die Lösung aller Krisen. Aber mit ortskirchlichen Sonderregelungen wäre dieser Weg möglicherweise zu beschreiten.

Wie sieht es mit anderen Forderungen aus? Welche wären noch auf ortskirchlicher Ebene zu lösen?
Tück: Wenn der Bischof etwa die Laienpredigt aus einer pastoralen Notsituation heraus wirklich will, könnte er Ausnahmeregelungen erlassen. Oder bei der Pastoral mit geschiedenen Wiederverheirateten: Hier ist die Entscheidung der österreichischen Bischofskonferenz von 1980 schon eine Hilfestellung. Auch möchte ich an die fünf Aufmerksamkeiten von Kardinal Schönborn erinnern. Sie zeigen Wege auf, wie das Problem umfassend und pastoral sensibel angegangen werden kann. Dennoch stehen die Bischöfe natürlich unter einem mehrfachen Erwartungsdruck. Ihr Handlungsspielraum ist enger, als man denkt.


Der Pfarrerinitiative wird immer wieder vorgeworfen, sie konzentriere sich zu sehr auf Strukturen. Schauen wir auf den Glauben. Wie könnte eine Wiederbelebung des Glaubens, eine „Neuevangelisierung“, funktionieren?
Tück: Es ist leicht gesagt: Wir brauchen eine Revitalisierung des Glaubens! Fakt ist, dass der Glaube bei den nachrückenden Generationen wenig Resonanz findet – und das ist für alle eine echte Herausforderung.

Ist das „Jahr des Glaubens“ eine Chance?
Tück: Das Jahr des Glaubens ist ein Anstoß, die Glaubensinhalte neu ins Zentrum zu rücken und aufzuschlüsseln. Es reicht wohl nicht, wenn man den Weltkatechismus liest und ihn papageiartig aufsagen kann. Es geht darum, die Glaubensinhalte verständlich zu machen und zu reflektieren. Das geschieht zu wenig. Die Erosion des Glaubens ist daher Anlass für eine Gewissenserforschung aller, die mit der Glaubensweitergabe zu tun haben.

Sie sehen Defizite in der Glaubensvermittlung?
Tück: Mir ist ganz wichtig, auch auf gelingende Glaubensvermittlung – in den Familien, den Gemeinden und Schulen – hinzuweisen. Wir sollen nicht permanent auf die Defizite starren und den medialen Außenblick verdoppeln. Aber die Tatsache, dass manche Schülerinnen und Schüler nach 12 Jahren Religionsunterricht weder das Vaterunser, noch die Zehn Gebote oder die Sieben Sakramente kennen, gibt doch zu denken. Ich kann es daher nicht nachvollziehen, wenn Religionspädagogen sich abschätzig über die Katechese äußern. Der christliche Glaube ist notwendig an Inhalte gebunden. Wenn wir esoterischen Strömungen etwas entgegensetzen und die sanfte Verblödung abwehren wollen, müssen wir auf die Inhalte zurückkommen.